Toxoplasma

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Na? Ob das wirklich der letzte Auftritt werden würde? In Zeiten wo sich alle Nase lang Bands zusammenfinden und auch wieder auflösen, sollte die Nachricht, daß TOXOPLASMA sich wieder für zwei Auftritte in Originalversion zusammentun, keine großartige sein.
Einmal zu HöhNIEs alljährlicher Geburtstagsfeier und einmal zu dem in diesem Jahr erstmals stattfindenden SCHLACHTRUFE BRD-Festival, dem deutschsprachigen Pendant zum PUNK & DISORDERLY Festival, welches auch noch an gleicher Stelle statt fand (Casino-Berlin) und auch vom selben Veranstalter (MAD-Tourbooking) auf die Beine gestellt worden war.

Aber doch. Sie war es. Und ich konnte es fast gar nicht glauben. Auch aus meiner Heimat hatten sich viele Leute angemeldet, sich dieses Event nicht entgehen zu lassen. Und wenn so eine Band ja quasi schon mal vor der Haustür spielt - warum dann nicht mit einer der wichtigsten und bekanntesten Bands Deutschlands mal ein Interview machen? Gesagt, getan und mich mit Marc und Ute von MAD in Verbindung gesetzt, ob sie es nicht arrangieren könnten, daß ich dem Wally und seinen Kumpanen mal eben das Mikro unter die Nase halten kann. Versprechen könnten sie nichts, aber da ließe sich bestimmt was machen, meinten sie und ließen meine Hoffnungen steigen.

Am Ort des Geschehens angekommen, erwartete mich so was wie ein kleines FORCE ATTACK. Alles Mögliche an Bunthaarigen war unterwegs und wenige Meter weiter an der Hauptstrasse / Eastsidegallery campierten sogar die ein oder anderen netten Zeitgenossen. Und wie man an Nummernschildern erkennen konnte, waren einige für dieses Festival ziemlich weit gereist.

Tags zuvor musste ich leider arbeiten und konnte daher nur am Samstag vorbeischauen. Dadurch verpasste ich „traurigerweise“ OHL (o.k., eh nicht mein Ding), DAILY TERROR (1000 mal gesehen, zwar gut, aber auf Platte verstehe ich die Texte mittlerweile doch besser), NoRMAHL (Schade, aber ich werd´s überleben) und DER DICKE POLIZIST (auch nicht unbedingt mein Fall, obwohl ich Thorsten gern mal wieder die Hand geschüttelt und mit ihm ein Bier geschüttet hätte.) Aber was soll´s.

Draußen wieder jede Menge bekannter Gesichter und man hat, im Gegensatz zum P & D auch ein wenig aufgestockt. Den Einlass einfach auf den „Parkplatz“ verlegt und den entstandenen Zwischenraum mit Grill und Bierstation(en) bestückt. Hat mir sehr gut gefallen. Für´s leibliche Wohl war also gesorgt. Futter für´s Ohr sollte es heute von FAHNENFLUCHT (auch nicht mehr so wirklich mein Ding), PROJEKT SCHWARZ ROT (siehe Fahnenflucht), den TROOPERS (schafft´s Atze heute nüchtern auf die Bühne zu kommen?), natürlich TOXOPLASMA und von einer Band, die für die ausgefallenen DRITTE WAHL eingesprungen ist, deren Namen ich aber leider vergessen habe, geben. Ja schade. Auf die Jungs aus Rostock hatte ich mich auch schon gefreut. Hoffentlich geht es mit Buschn bald wieder bergauf und dass sie noch viele weitere Bühnen des In- und Auslandes rocken können. Die allerbesten Genesungswünsche gehen an dieser Stelle also an die Küste….

Apropos Küste. Wie gesagt. Irgendwie überkam mich schon ein wenig ein FORCE ATTACK - Feeling. Und so wunderte es mich auch nicht, dass ich im Gewühl auch Imre, seineszeichens FA-Veranstalter, erblickte. Hoffen wir, daß das Wetter in zwei Wochen genauso gut ist, wie an diesem heißen Samstag. Den bisher wärmsten Tag des Jahres.

"... 15 Jahre, oder noch länger, kaum Kontakt ... "

Ach ja, arbeiten musste ich ja auch noch. Also schnell mal die Ute gesucht und endlich mal das Interview in Angriff nehmen… Und siehe da. Alles kein Problem. Innerhalb weniger Minuten wurde Wally und Co. aufgetrieben und wir machten es uns im Backstage gemütlich. Und als erstes musste ich natürlich fragen, ob denn bei all den Reunions berechtigte Hoffnung bestünde, dass man in Zukunft wieder des Öfteren was von Toxoplasma hören werde, oder ob dies nun wirklich das definitiv letzte Konzert sei. Worauf Harry das ganze erstmal abwiegelte: „Ich glaube, das wird nicht der letzte Auftritt sein (lacht)…“ und Stefan zog hinterher: „Das ist´n Promotion-Gag gewesen. Mehr war das nicht. Wir gehen nächstes Jahr mit den Rolling Schtones auf Tour…“. Leichte Klarheit verschaffte dann erst Wally persönlich: „Eigentlich nicht, nee.“ Lohnt sich das denn überhaupt? Hinter „nur“ 2 Konzerten steckt ja auch ´ne Menge Arbeit. Daher wollte ich wissen, wie lange man denn für die 2 Konzerte geprobt habe und ob denn die ganze Geschichte aus eigner Motivation erfolgt sei, oder ob man sie angesprochen habe. Darauf Wally: „Also geprobt haben wir an sich ein halbes Jahr. Haben uns schon regelmäßig getroffen & haben geprobt. Viele Leute haben länger keine Musik gemacht, da brauchte das ein bisschen Zeit. Wally: Ja, wir sind angesprochen worden. Klar. Wir haben uns einfach nur in´ Proberaum gesetzt, und hatten noch mal Spaß, Musik zu machen, ohne Ziel und auch ohne jetzt das Ziel, ´ne Reunion zu machen oder so was. Und irgendwann kam dann ´n Anruf, auch letztlich, weil ich mit DRITTE WAHL ´n paar Sachen gemacht hab. Und irgendwann kam halt ´n Anruf, ob wir nicht Lust hätten,… Und da haben wir halt gesagt - Ja, machen wir. Ganz früh angefangen hat es an sich für´n Freund von uns, der ist 40 geworden. Für ´ne 40-Jahrfeier hat er dann gemeint – Wollt Ihr nicht noch mal zusammen spielen in der Originalbesetzung? Und da wir eigentlich 15 Jahre, oder noch länger, kaum Kontakt hatten, war es eigentlich schwierig, dass wir uns noch mal zusammenfinden. Ging aber doch so nach zwei, drei Proben oder so - haben wir dann geschafft und tatsächlich 2 Songs oder 3…oder 4 Songs auf dieser Party gespielt, wo alles Freunde von uns waren. In unserem Alter, die auch damals im Publikum waren. Alle nur 20 Jahre jünger und das hat halt Spaß gemacht. Wir haben uns dann hingesetzt und hatten auch Spaß an der Musik und haben dann kontinuierlich so das alte Programm wieder aufgenommen und wieder zu spielen gelernt …“

Ja wenn der Spaß da war. Warum dann nicht länger…? „ Also von meiner Seite aus nicht. Die Lust weiter zu machen hieße für mich, entweder so weiterzumachen wie bisher. Also weiterzuproben und zu spielen ohne Ziel. Wäre ´ne Alternative. Aber da jetzt einzusetzen, wo ich persönlich aufgehört habe… Mit von der Musik leben und jeden Tag Musik machen. Da nicht mehr. Nee. Das möchte ich persönlich nicht mehr“ , meint Wally und zeigt, daß es wohl wirklich schwer für den Rest der Band war, ihn zu überzeugen.

"Ich hab Musik im Kopf, die muss raus…"

Im Vorfeld hatte ich mich noch ein bisschen auf Netzrecherche begeben und ein einziges Interview mit Wally gefunden, in dem er erzählte, dass er erst dann wieder Musik machen wollen würde, wenn er morgens aufwachte und einen kompletten Song im Kopf hätte. Was er nicht verneinte: „ Ja, dann wär zumindest der Punkt wieder erreicht, wo ich kreativ sein würde. Wo ich wieder sagen kann – Ich hab Musik im Kopf, die muss raus… Mir macht es halt jetzt Spaß die Songs zu spielen. Es macht mir verdammt Spaß, live zu spielen. Aber, dass ich so produktiv bin, dass ich jetzt sagen kann, ich habe ´n geilen Song im Kopf und ich hab ´n geilen Text. Das ist halt nicht. Ich müsste mich zwingen, ´n Text zu schreiben und ich müsste mich zwingen, ´n Song zu schreiben. Von meiner Seite… Es kann durchaus sein, dass während der Probe ´n Song entsteht. Oder ein Text. Das ist ´ne ganz andere Geschichte. Ich red jetzt rein von mir. Da müsste also wirklich dieser Überdruck da sein. So: „Boah ich hab´n geilen Song, den record ich jetzt…“. Ist ´ne Sache von 10 Minuten. So´n Song entsteht, na gut mit Text braucht man vielleicht ´n Tag oder so. Aber dann ist das Ding fertig. Und in der Phase befinde ich mich eigentlich schon seit einiger Zeit nicht mehr. Aber ich hatte immer so Phasen. So 4, 5-6 Jahre nicht mehr und dann kam das wieder.“ Aber untätig war er die vergangenen Jahre in Sachen Punkrock nicht. So hat er sich zumindest mit seinem Studio beschäftigt und z.B. zwei großartige Platten mit BACKSLIDE aufgenommen. Läge nahe, dass er eben auch wieder ein bisschen Bühnenluft schnuppern wollte, und dann die anderen Mitglieder reaktivierte. Doch eigentlich war es ganz anders, wie er mir selbst erzählte: „(lacht) Die haben mich reaktiviert…. Ich war der allerletzte, der dazu gekommen ist. Also ich hab die nicht reaktiviert. Sondern umgekehrt.“

Harry: „Also im Grunde genommen, geb' ich dem Wally vollkommen Recht. Wir sind, wie der Wally vorhin gesagt hat, für diesen 40. Geburtstag angesprochen worden. Und von uns war das jetzt nicht das Problem gewesen. Aber Wally hat einfach gesagt: „Bei mir ist irgendwie die Luft raus. Ich hab da überhaupt keinen Nerv drauf zur Zeit.“ Und irgendwann hat er doch gesagt: „O.k., für den mach ich das halt ganz gerne. Lass uns doch einfach mal ´ne Probe machen“. Und so ist das einfach entstanden.

Ja, was mach ich? Also ich persönlich bin selbständig in der Papierbranche. Und versuch damit auch eigentlich mein Geld zu verdienen. Aber wenn es sich vereinbaren lässt, dass wir noch ab und zu ´n paar Gigs machen, dann ist das für mich überhaupt kein Problem. Und solange es – Priorität Nr. 1 – Spaß macht, mach ich das auch noch längere Zeit. Aber das ist Faktor Nr.1, daß es Spaß macht. Und mehr im ersten Moment nicht.“

Währenddessen hat mich aber auch interessiert, was der Rest denn so gemacht hat: „Ja, ich hab zwischendurch ein bisschen Musik gemacht. Aber so intensiv, wie der Wally oder der Stefan das betrieben hat, auch der Uwe noch viele Jahre betrieben hat, hab ich das selber nicht gemacht. Das hat nicht mehr gefunzt bei mir. Aber irgendwann ist das so. Das ist wahrscheinlich wie bei Glücksspiel. Wenn Du das Geld wieder in der Hand hast, oder die Stöcker wieder in der Hand hast, wie es bei mir zum Beispiel ist, dann ist das wie ´ne Sucht, und dann willste das auch weiter machen. Das ist so.“ schildert Harry das Dilemma.

Andererseits hat er aber auch mitbekommen, daß von außen das Bedürfnis durchaus noch vorhanden war, die Band wieder einmal live zu sehen. So zum Beispiel meint Harry: „Es stand ja auch auf der Internetseite toxo.de sehr oft: „Wann spielt Ihr mal da?, Könnt Ihr da mal spielen? Habt Ihr Lust dort zu spielen?“ Also verfolgen konnte man das schon, daß das viele Leute noch Interesse dran hatten, das zu machen. Oder das zu hören… Also, ja g ut, angesprochen worden, denke ich, ist der Wally öfters, als wir…“ , der auch gleich einhakt und folgendes zu berichten weiß: „Ja gut man wird schon gefragt: „Wann spielt Ihr wieder, wann spielt Ihr wieder?“. Sicher. Ruhepause? Ja, ne mehrjährige eigentlich, ne? Aber das war in den 80´ern ja eigentlich auch so.“

" man setzt sich halt nicht mehr mit 40 da hin und asselt ab…"

Wenn die „alten Helden nicht mehr da sind“ müssen neue nachwachsen. Eine Interessensfrage ging an Wally, ob er denn die die aktuelle (deutsche) Punkszene noch verfolge: „Die Punkszene nicht. Nö. Die Punkszene weniger weil, ich bin zwanzig Jahre älter als die Szene. Und hab da ganz andere Anschauungen mittlerweile, oder Interessen. Keine Ahnung. Die Musik auf jeden Fall. Klar. Das interessiert mich nach wie vor. Ich liebe diese Art von Musik und bin immer offen für guten Punkrock. Egal ob das jetzt international oder national oder sonst was ist. Keine Frage.“ Wie jetzt? Zwanzig Jahre älter…? Ist für ihn denn Punkrock eher ein Ding für die Jugend?: „Äh. Für die Großmutter ist es nicht. Das ist klar….hadert…Ist ´ne interessante Frage… Ähem. Nicht unbedingt. Das nicht. Aber gewisse Ansichten ändern sich doch schon. Es geht einfach nur darum. Also ich kann mich mit einem vierzigjährigen Punkrocker länger unterhalten als mit ´nem zwanzigjährigen Punkrocker. Weil ich einfach mehr Gemeinsamkeiten mit diesem vierzigjährigen Punkrocker hab. Darum geht es. Nicht um die Tatsache, daß ich auf Grund meines Alters vom Punkrock weit entfernt bin. Man hat durchaus andere Weltanschauungen. Man hat gelernt. Man hat Sachen, die man früher anders gesehen hat…Sicher. Aber der Hauptgrund ist die Tatsache, daß da zwanzig Jahre dazwischen liegen…ähh….ach schneid die Scheiße hier raus… (lacht)“. Also hat sich doch nichts geändert, oder? Gibt es denn so große Unterschiede im Gegensatz zu früher?: „Nö. Man hat nur früher genauso da gesessen. Fand das tierisch cool und geil. Nur heute ist mir aufgefallen. Ich war auf der anderen Seite. Auf diesem Oststrand. Da sitzen eher Leute unseres Alters. Und da war es für mich relaxter. Ich fand´s da entspannender. Also ich hätte mich jetzt lieber da hingesetzt, als da unten hin. Was jetzt nicht heißen soll, daß ich hier nicht gerne sitze. Verstehst Du. Aber man setzt sich halt jetzt nicht mehr mit 40 da hin und asselt ab… (Bei letzterem machte Wally eher so ein asselndes Geräusch, so daß ich das mal so interpretiert habe, Anm. d. T.). Und wenn, dann hast'es verfehlt.“

Vor einiger Zeit erschien ja dann doch endlich die langerwartete SLIME-Doppel-DVD „Wenn der Himmel brennt“. Ein Satz im überaus empfehlenswerten Booklet ist bei mir besonders hängen geblieben. Nämlich, dass sie sich wunderten, dass nie so richtig jemand in der Größenordnung folgen, oder jemand in diese Fußstapfen treten konnte. Bei einer Band aus einer ähnlichen Zeit und ähnlichen Kalibers könnte man das ja fast genauso sehen. Dazu Wally: „ Äh…. Ja. Das hat ja jetzt nichts mit Qualität oder so was zu tun, sondern es ist einfach die gewisse Weltanschauung, das gewisse Weltbild, was in dieser Szene erst in dieser Zeit vertreten wird. Das ist heute, außer diese klassische Anti-Staat-Geschichte, das ist heute etwas anders. Obwohl, das gab´s auch früher, diese ganzen Saufsongs. Kann man so auch nicht sagen…“ . Schlagzeuger Harry, übrigens ein waschechter Ossi, sieht die Gründe eher darin, daß man heutzutage, und das kann ich nur unterstreichen, mit Musik einfach nur zugeschissen wird: „Ob da was geschlossen worden ist oder nicht… Es kommt ja jeden Tag was neues. Und sagen wir mal vor 20 Jahren oder länger, wo wir angefangen haben, war es ja so, daß Du nach jedem Tape von irgend ´ner Combo gehechelt und gelechzt hast. Das ist schon fünf mal überspielt gewesen. Das ist ja heute nicht mehr der Fall. Du kannst Dir ja heute Songs aus dem Internet runter laden, es werden CD´s gebrannt, da gibt´s Tauschbörsen und und und. Und damals war das so, da hat der Kumpel, der Wally oder ich oder der Stefan, Uwe, wir haben uns gegenseitig die Tapes aufgenommen, zugeschoben und da war jeder happy gewesen und da bist Du noch nicht so zugeschmissen worden mit dem „Kunstwerk“ Musik. Egal aus welcher Branche das jetzt ist. Aus welcher Kulturszene.“ Ach ja Uwe ist ja auch noch da. Bisher still dagesessen meldet er sich wie folgt zu Wort: „Als wir die Platte gemacht haben, war es so, dass im Jahr vielleicht 3 oder 4 Scheiben raus kamen. Heute kommen am Tag 3 oder 4 Scheiben raus. Das ist einfach ´ne andere Vielfalt, die heute da ist. Und das war auch was Neueres zu der Zeit. Das war noch nicht so lange auf dem Markt, einfach, wie es heute ist. Also ich denke, viel lebt heute auch von der Wiederholung. Von dem, was damals ganz neu war.“

"Du bist nicht damit überschwemmt worden, mit irgendeiner Musik. Das war wirklich kopieren, kopieren, kopieren, kopieren… "

Oh ja. Das mit dem Tapes-Kopieren kenne ich auch. Und wenn es mal an einer Stelle einen Aussetzer gab, hatten den auch garantiert alle in der Stadt… Selbst Wally ist dieses Thema auch nicht unbekannt: „Das Phänomen gab es bei uns allerdings auch. Nur nicht mit deutschen Gruppen, sondern mit amerikanischen Gruppen. Ich hab damals in Troisdorf gewohnt und war in einer Szene von Leuten drin, die sich für horrende Summen Singles bestellt haben von BLACK FLAG, von den MISFITS, die kannte ich erst Jahre später, da kam das hier…“ . Na gut dem Rest auch nicht. Uwe hat sich auch mal für 25 DM ein Original Bad Brains-Tape gekauft. Damals unvorstellbare Summen für Punkrocker. Wieder Wally: „Da waren auch Dropouts auf dem Tape. Da waren auch Songs angeschnitten und so was. Ich hab diese Songs auf anderen Tapes, in einer ganz anderen Zeit, bei ganz anderen Leuten wieder erkannt.“ Harry fügt dem noch hinzu: „Ich glaube, wir haben uns da auch sehr sehr viel Mühe gegeben, uns Musik zu besorgen. Ob das der Stefan gewesen ist, der dann von London irgendwas mitgebracht hat, oder einer von uns in Berlin gewesen ist… Da sind wir in irgendeinen Scheißladen gegangen und haben gestöbert und gewühlt und geguckt: „Was gibt es Neues?“ Das ist nicht so, daß es jeden Tag was Neues gab, sondern wenn Du da alle 14 Tage oder 4 Wochen mal hingegangen bist, da gab´s auch wieder mal was Neues. Das war wie so´n kleines Highlight gewesen. Weil, Du bist nicht damit überschwemmt worden mit irgendeiner Musik. Das war wirklich kopieren, kopieren, kopieren, kopieren… Wieder neue Musik und neue Musik. Das war das A und O gewesen…“

Ach Tapes. Das war (und ist eigentlich immer noch, heute wohl aber eher als CD-R) eine tolle Sache. Wally besitzt übrigens eine umfangreiche 78´er Tapesammlung, wie er mir erzählte. Die hört er übrigens auch noch fast lieber als aktuelle Sachen: „Ja. Es sei denn, es gibt ein paar gute, neuere Sachen. Dann hör ich die auch. Aber ich mag meine alten Tapes. Doch. Ich hör meine alten ADVERTS-Tapes, meine X-RAY-SPEX, so was in der Küche. Wenn ich nicht gerade CD´s höre, die ich selber gemacht hab mit Bands, die mir gefallen. Oder MAD CADDIES. Gute Musik eben.“

Wenn die alte Musik so wichtig ist… Nach welchen Gesichtspunkten wählt er denn dann die Bands aus, die bei ihm im Studio Sachen aufnehmen wollen?: „Ich wähl die Bands nicht aus. Ich bin froh, wenn Bands kommen, die ich aufnehmen kann (lacht). Das ist mir qualitativ… Es ist für mich wichtig, daß der Sound stimmt. Und wichtig ist für mich, daß ich den Spirit, den die Band ausstrahlt, bewahre, mit aufs Band kriege. Das ist halt meine Arbeit, die ich versuche durchzukriegen, dass ich die Band wirklich so wirken lasse oder so klingen lasse, wie´s auch wirklich wirkt. Verstehst Du. Und da ist es mir ziemlich egal, ob das jetzt ´ne Band ist, die nicht im Timing ist oder eine, die perfekt im Timing ist. Hauptsache, die Band bringt diesen Spirit, diese Power mit rüber…Weil unsere Scheibe, die ist auch nicht im Timing, die ist auch nicht musikalisch perfekt, die erste… Die anderen schon. Vielleicht zu perfekt….?!“

Wie schon gesagt. Harry ist ein waschechter Ossi. Da wird mir die Band ja fast gleich noch ein bisschen sympathischer. Obwohl das ja eigentlich gar kein Thema mehr in der Punkszene ist. Oder zumindest keines mehr sein sollte… „Wie kam es eigentlich dazu“, wollte ich wissen. Solche Geschichten finde ich ja noch immer recht interessant. Darauf erzählte er mir, daß dies 1978 geschah und er damals gerade zarte 16 Jahre alt war: „Mit Eltern 1978. und ´n Wellensittich. Den hatt ich auch noch dabei. Selbst den Käfig hamse an der Grenze gefilzt. Der ist darin Amok gelaufen… Die haben so´n Scheiß Auffangfach, wo sie immer raufkacken. Selbst das Fach haben die raus gezogen, reingeguckt, ob da nicht irgendwas drin ist, was wir hätten rausschmuggeln können oder so… Was weiß ich…DDR-Kultur oder so…“

Also offiziell ausgereist?: „Ja. Offiziell, nach diesem Abkommen von Helsinki, daß also jeder Staatsbürger, egal wo er lebt, die Staatsbürgerschaft und auch das Land wechseln kann. Und da mein Vater gebürtig aus Frankfurt/Main ist, durfte er 1976 zur Hochzeit seines Bruders fahren, nach Köln. Und ist dann wieder zurückgekommen und hat eigentlich nichts gesagt. Sondern hat einfach nur gesagt: „Ich wohne nicht mehr lange hier und wenn Ihr gerne mitkommen wollt, dann kommt gerne mit.“ Er hat das gesehen und er war der Meinung gewesen, daß seine Familie im Grunde genommen was Besseres verdient hat, als das was eben im Osten abgelaufen ist oder so. Und so sind wir dann nach genau 152 Ausreiseanträgen aus der DDR raus gekommen.“

"Funpunk… ist ja in Berlin entstanden"

Während wir hier so plauderten, fingen unten gerade die DÖDELHAIE an zu spielen. Ich als einer, der durch diese Bands ja maßgeblich beeinflusst worden ist, wollte natürlich wissen, wie sie denn zu solchen Bands stünden /standen. Also Funpunkbands. Entweder hatten die anderen keine Lust mehr zu erzählen oder Stefan, der bisher auch noch nichts gesagt hatte war der Sachbearbeiter in Sachen Funpunk der Band. Jedenfalls erzählte er: „Funpunk… Das gibt´s ja eigentlich schon viel länger. Der Begriff, oder eigentlich Funpunk ist ja in Berlin entstanden. So zumindest habe ich das mitbekommen. ÄRZTE. RALF REXIN, DTJ. Ich fand damals schon die ÄRZTE begnadet gut. Tolle Musiker. Ich find sie heute noch begnadet gut. Obwohl ich, glaube ich, keine einzige ÄRZTE-Platte habe. Anschauen ist klasse. Also im Gegensatz zu diesen TOTEN HOSEN… Unsägliche tote Hose… Die sind ´ne Rockband, die sich verkleiden für Auftritte. Ich erinnere mich auch nicht daran, dass die HOSEN damals auf irgendnem Punkkonzert gespielt haben. Ich weiß es nicht genau.“

Ui. Dieses Düsseldorfer Ding ist ja eh ein schwieriges Thema. Vor ein paar Jahren erschien ja auch dieses „Verschwende Deine Jugend Buch“. Dort hätte man meinen können, Jürgen Teipel und die Düsseldorfer beanspruchen für sich, den deutschen Punk erfunden zu haben… Für mich hingegen waren eben aber eher Bands wie SLIME, TOXOPLASMA, CANAL TERROR, SLUTS usw. die „Erfinder“ des deutschen Punkrocks. „Wie sehen das TOXOPLASMA“, wollte ich wissen? Sie sind ja, nach meinem Wissen in diesem Buch auch nicht erwähnt worden. Eher mit einem Augenzwinkern erzählt Wally, dass die Düsseldorfer Szene ´ne ganz eigenständige Kultur wäre. Stefan führt das wieder genauer aus: „Ob das nun FEHLFARBEN oder MALE ist oder wie sie alle hießen… Die haben ja an sich mit der richtigen Punkszene, mit der Deutschpunkszene gar nichts zu tun. Also in meinen Augen. Das war damals für uns so… Ja die waren irgendwie so´n bisschen Schickimicki und fühlten sich irgendwie etwas besser oder so was. Vielleicht weil sie das Instrument besser beherrschen oder was weiß ich…“ .

Aber damit war meine Funpunkfrage auch noch nicht so recht beantwortet. Also bitte, werte Herren, Herr Walldorf: „Nö, gehasst hab ich das nicht. Hat auch, glaube ich, keiner von uns gehasst. Aber es war einfach nicht das Ding, was uns ins Ohr gegangen ist. Auch nicht das Ding, was wir machen wollten. Da hab ich gerade mal so Sachen wie RAZORS gehört oder BUTTOCKS. Das fand ich scheißegeil. Sowas wollte ich auch machen. BRIEFTAUBEN hätten mich nie animiert, so was zu tun. Und HOSEN auch nicht. Das hat man gehört und das war o.k… War auch mal lustig, war aber kein Sound, wo man selbst Herzklopfen und Gänsehaut bei bekommen hat. Und das brauche ich, wenn ich ´n guten Song auf mich einwirken lasse.“ Na bitte. Geht doch.

"Verunglimpfen lassen wir uns nicht."

Kommen wir langsam zum Schluss. Eine Homepage hat ja heutzutage fast jede Band am Start. Und wie ich erfahren durfte, ist da demnächst sogar auch wieder was Neues geplant, auch wenn Wally das Ganze anfangs wieder ein wenig entschärfte: „Ich mache die. Ich hab die das letzte mal ´98 upgedated. (lacht) Ich hab das Codewort vergessen für meinen Server…: Weist Du was? Ich hab mir so ´ne Mühe gemacht. Ich hab da von jeder Platte Songs in MP3 gemacht. Die tollsten MP3´s habe ich gebastelt. Extra neu komprimiert und gefriemelt. Und die einzigste Post: „Ey wechsel mal, mach mal ´n paar neue. Ey, Alter, wann kommen die nächsten Songs?“ Und ich denke - Ey Moment mal. Du setzt Dich hier jetzt hin, zahlst ´ne Menge Geld, daß Du hier ´ne Homepage machen kannst und der Dank dafür: „Ey, Alter, wechsel mal, mach mal ´n Update…“. Ja und das hab ich halt boykottiert.“

Aber, wie schon erwähnt, soll da demnächst durchaus noch was passieren. So verstehe ich jedenfalls das, was mir Stefan dazu noch mal erzählte: „Es gibt demnächst dann www.toxoplasma.de. Also nicht nur toxo.de, sondern auch toxoplasma.de wird's demnächst geben. Das wird ´n Bekannter von uns machen, der auch mehr Enthusiasmus und zumindest mehr Plan als ich hat. Also es wird schon ´n bisschen was passieren.“

Über die bisherigen Besucherzahlen war man sich zwar noch uneinig, aber ich denke, daß den meisten Fans so eine neue, schicke Homepage sicherlich etwas bringt. Bleibt die letzte Frage, ob bei solch einem Aufwand nun nicht doch noch etwas (musikalisches) Neues von TOXOPLAMA zu erwarten sei. Wally: „Also für mich ist das so. Ich kann da schlecht mit umgehen, wenn man versucht, da irgendwo ´n Druck auszuüben. Wollt Ihr? Könnt Ihr? Macht Ihr? Oder so was. Es sind einfach viele Dinge, die muss man auf sich zukommen lassen. Und ich sag ganz ehrlich, wie der Stefan auch gerade gesagt hat - Die Homepage wird von jemand anderes gestaltet. Die wird zwar beobachtet von uns, wie sie gestaltet wird… Ganz egal ist uns das nicht. Verunglimpfen lassen wir uns nicht.“

O.k., mal wieder hervorragend ausgewichen. Aber ich finde trotzdem, das war ein gutes Schlusswort. Bald darauf mussten die Jungs auch schon auf die Bühne….

Und als man mangels Zugaben auch noch ein zweites Mal „Polizeistaat“ und 1981 gespielt hatte, war auch endgültig Schluss. Und ich sah jede Menge glückliche, verschwitze Leiber. Also. Alles rundum gelungen. Auch muss erwähnt werden, daß ich, auch wenn viele wieder meckerten, die Eintrittspreise von 17,- EUR für zwei Tage relativ human fand. Das nur noch mal so am Rande. Was gibt´s sonst noch zu sagen? Nichts! Ich warte auf eine Fortsetzung. Und die ist, laut MAD-Marc gar nicht so unwahrscheinlich. Wobei auch noch einige Highlights zu erwarten sein sollen. Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen…