Es ist ja nun mal so, daß Plattenfirmen irgendwelche freischaffenden Journalisten (sei es Radiomoderator, Fanzinemacher, etc.) gerne mal dazu überreden, mit jemanden mehr oder minder gemochten Künstler ein Interview zu führen und dafür auch ein paar Freikarten für das (meist am selben Abend stattfindenden) Konzert springen lässt. So auch vor einigen Tagen geschehen mit den Fehlfarben. Normalerweise ist mir das so ziemlich schnuppe, aber als ich diese Mail bekommen habe, nahm ich Beides gern in Kauf. So machte ich mich am 4. Februar auf dem Weg in die Berliner Volksbühne. Um 18.30 Uhr war das Interview geplant und ich traf für meine Verhältnisse relativ pünktlich vor Ort ein.
Herr Hein hatte (nach 2 Fernsehinterviews) erstmal genug davon und gönnte sich eine Pause, während ich im Flur rum saß und ein Fanzine durchblätterte, welches sich vom Inhalt her allein auf Fehlfarben, Blumfeld und ähnliche Bands beschränkte, was ich nach 5 Minuten doch eher langweilig fand. Egal wir haben ja alle mal angefangen und ich tu es ja auch gerade erst.
Nebenan machte gerade Jürgen Engler ordentlich Lärm und mit seiner alten Band Male Soundcheck. Ich bekam das erst mit, als ich an der Garderobentür eben jenen Namen las und freute mich tierisch, die Düsseldorfer, die mit Zensur & Zensur angeblich die erste deutschsprachige Punkrockplatte und damit, so sagt man auch, einen Meilenstein der deutschen Musikgeschichte produzierten, live zu sehen. Nach kurzer Zeit bekam ich mit, wie der Tourmanager erstmal gnadenlos die Gästeliste zusammenstrich, da das Konzert auch heute (das dritte innerhalb von 6 Tagen) wohl darauf hinauslief, ausverkauft zu sein. Was sich später auch bestätigte.
Nach ca. 30 minütigem Warten ging es aber dann endlich los und überraschenderweise schloss sich uns nun auch Thomas Schwebel (Gitarre) an.
Auf dem Weg zu einer Kneipe erzählte mir Peter Hein noch, daß Jürgen Engler jetzt eigentlich in Amerika wohne und das sie heute abend nur so aus Spaß auftreten und generell ein paar Dates mit den Fehlfarben mitmachen wollten. Ob das eine gute Entscheidung war?Man muss sich vorstellen, daß die Volksbühne in Berlin (dort fand das ganze auch statt) ein Saal mit lauter Sitzplätzen ist. Also nix mit wildem Pogo. Und eher verloren wirkten sie nun da auf der Bühne und mussten sich Sprüche wie: „Geht doch nach Hause“ oder „Wir wollen die Fehlfarben“ anhören. Was mich bei diesem Yuppie-Publikum auch nicht wunderte. Immerhin verloren sie nicht ganz den Spaß, schafften es kurz, die Leute mit: Sie: „Keine Atempause – Geschichte wird gemacht…“ – Publikum: „Es geht VORAN!“ zu animieren, um darauf zu kontern: „Ja und das das einzige Lied, daß Ihr heute abend von den Fehlfarbe garantiert NICHT zu hören bekommt. Gut gemacht.
Ich kam etwas verspätet, bekam trotzdem noch die Songs wie „Polizei“, Zensur & Zensur“ oder „Risikofaktor 1:X“ mit und war begeistert. Einige andere auch und dann war´s auch leider schon vorbei.
Man schlenderte sich zum Bierstand, um sich mal eben für 2 Euro die kleine Flasche Beck´s zu erfrischen. Ließ aber vorsichtshalber seine Jacke auf dem Sitz zurück um die Leute anzufauchen, die sich fort hingesetzt haben, wenn man zurückkam. Egal. Sitzen wollte ich sowieso nicht.
Danach fing alles ganz gut an. Schöne Dia-Show auf die Leinwand hinter der Band projeziert, konnte man über die etwas dürftige Bühnenshow der Jungs hinwegsehen. Naja, sie sind ja auch ein wenig älter geworden. Die Leute klatschten artig nach den Songs wie „Grauschleier“, „Apokalypse“ oder neueren Sachen wie „Schnöselmaschine“, „(Geh) Du ran Du ran“ und einigen anderen. Immerzu mit ein paar Zwischenrufen (und den gleichen), nämlich „Paul ist tot“ begleitet. Mag er ja sein. Aber die Band besteht ja schließlich nicht nur aus dem einen Song. Als sich das dann häufte und die Leute kaum noch Notiz von der Band nahmen, war es mir zuviel und verließ den Saal eben genau bei „Paul ist tot“.
In einem „Stehladen“ hätte das ganze sicher mehr Spaß gemacht, kann man aber nun mal nicht ändern. Was bleibt, war ein (für mich) interessantes Gespräch. Was Ihr hier nun nachlesen könnt. Viel Spaß.
Was denkt man über einen Interviewer, wenn sich die erste Frage auf etwas bezieht, was über 20 Jahre her ist und die Worte „Monarchie“ & „Alltag“ drin vorkommen?
PH:
Ja, da guckt man erstmal, wie alt der ungefähr aussieht. Und wenn der halt ungefähr so alt aussieht wie ich, dann gibt´s wenig Antworten. Weil das müsste der eigentlich alles wissen. Naja aber ich denke mal, Du bist nicht ganz halb so alt – eher so um die 30´er…
Ich bin 25.
PH:
…Oh, sorry, bin ich Dir jetzt zu nahe getreten? Aber ja siehste mal, als die Platte raus kam warst Du vielleicht zwei Jahre alt. Da darfst Du natürlich alle Fragen dieser Welt stellen. Bis auf die, die Du vielleicht im Buch nachgelesen hast.
Hehe, das ist ja wohl Eure Standartantwort, auf Fragen, die sich darauf beziehen, oder?
PH:
Haha, ja genau.
Was hat es denn für Euch bedeutet, genau für diese Platte nach über 20 Jahren den Status „Gold“ zu bekommen? Gerade weil es von einigen Leuten als „Meilenstein“ der deutschsprachigen Musik angesehen wird.
TS:
Ja, es war sehr angenehm. Eine nette Geste dieser Firma, auf die wir sie hingewiesen haben, daß die überfällig wäre. Tja, mein Gott. Jede Benjamin Blümchen – Kassette wird vergoldet, warum dann nicht auch „Monarchie & Alltag“.
Sind die nicht selbst zu Euch gekommen?
TS:
Nein, nein, da muss man schon hinterher sein. Die haben ja keinen Grund, so was nach zwanzig Jahren zu machen. Die wussten, das Ding läuft immer und ob da nun ´ne goldene Platte verliehen wird, oder ´n Sack Reis fällt um, das interessiert die nicht. Ich hab da irgendwann mal angerufen und gesagt: „Hey Leute, ist es nicht irgendwann mal soweit?“, und die dann: „Ja, ja, ja, doch, hast ja auch recht, na ja dann machen wir mal.“
Und wie lief das so ab? Schnell mal die „Goldene“ im Büro in die Hand gedrückt und gut iss.
TS:
Nee, das war im Foyer des brandneuen hochschicken EMI-Gebäudes in Köln, was, glaube ich, mittlerweile schon zur Hälfte leer steht, weil alle Leute rausgeflogen sind, die damals zugeguckt haben. Es wurde sogar für eine halbe Stunde die Dekoration für die letzte Beatles-Veröffentlichung weggeräumt für unsere Platte. Und dann kriegten wir die goldene Platte in die Hand gedrückt, dann gab´s Schnittchen und Bier, war also nicht ganz so profan, wie man immer dachte aber es war auch nicht so, daß jetzt irgendwie die Welt stehen blieb.
Waren bei der Verleihung auch alle Mitglieder bei, die damals an der Platte mitgewirkt haben?
PH:
Ja, alle, außer Uwe, also der Schlagzeuger der damals dran beteiligt war. Uwe war irgendwie verhindert, aus welchen Gründen auch immer. Wir haben ihm auch Bescheid gesagt. Ansonsten waren alle da.
Peter, Du hast ja damals vor der ersten großen Tour die Band verlassen. Warum eigentlich und würdest Du das heute jederzeit wieder tun?
PH:
Ja, vielleicht aus den damaligen Gründen. Eventuell schon. Also ich haeb es ja nicht wirklich bereut. Im Moment gibt´s keinen Anlass dazu. Die Konstellation ist auch anders. Das war ´ne ganz persönlich, private Geschichte. Und auch viel Verwirrung und Kommunikationsschwund untereinander. Alle haben irgendwie was gesagt & ich habe nicht zugehört und umgekehrt. Aber ich kann jetzt nicht sagen, würde ich nie wieder machen. Genauso wenig wie, das mache ich jetzt dauernd oder so. Das ist ja Blödsinn. Ein gewisser Faktor, der damals mitgespielt hat – falls der jetzt wieder so wäre – könnte ich mir das auch wieder vorstellen, aber….
Was war das für einer?
PH:
Aahh, da sage ich jetzt nichts zu.
War das vielleicht ein Grund vom ehemaligen Schlagzeuger, jetzt nicht an dieser Tour mitzuwirken?
PH:
Nee. Ich glaube nicht. Nein. Ich glaube…
TS:
Das waren auch private Gründe…
PH:
…über die wir uns hier auch nicht auslassen wollen. Ich kenn mich da auch nicht so aus. Er sagt, es ist für ihn besser. Das ist seine Entscheidung und das muss man völlig respektieren. Er kommt hoffentlich auch gleich zum Konzert. Also wir haben da keinen Streit, oder so was.
Was geschah´ nach dem Peter ausgestiegen ist. Vor allem in den Zeiträumen ´85 (also nach der endgültigen Auflösung) und ´89/´90, als Ihr Euch das erste Mal wieder vollständig getroffen habt, eine kleine Tour gespielt habt und im Zeitraum ´91/´92 – 2000, als Ihr Euch zur Goldverleihung getroffen habt?
TS:
Nachdem Peter weg war, wurde die ganze Sache erstmal so richtig erfolgreich, was jetzt nicht unbedingt damit was zu tun hat. Haha. Aber das ergab sich einfach so. Und es war ja nicht zu ahnen, daß das…
PH:
…Als ich ging, war ja noch kein Erfolg da.
TS:
Das war ja noch so eine kleine Undergroundgeschichte. Wir haben dann noch zwei Platten bei der EMI gemacht. „33 Tage in Ketten“ und die „Glut + Asche“, die…
Ward Ihr tatsächlich auch 33 Tage im Studio, wie es manche behaupten. Und daß es eine wahre „Folter“ war und Ihr überhaupt keine Lust mehr verspürtet?
TS:
Nee, nee, nee. Das ist auch eine Legende, genauso wie die, alle zehn Jahre eine Platte aufzunehmen. Oder einige andere Sachen. Das ist völliger Quatsch.
PH:
Den Titel haben wir schon zusammen gemacht, als ich noch dabei war.
TS:
Ich glaube, daß war damals irgendeine Entführung. Ich weiß nicht, ob das Oetker war oder Aldi, oder… Irgendeiner, der damals 33 Tage irgendwo angekettet war.
PH:
Genau wie später der Reemtsma.
TS:
Reemtsma. Ja genau. Dieselbe Schlagzeile. Das war wirklich unglaublich, aber das nichts mit der Studiozeit zutun. Ich weiß nicht, wer das in Umlauf gebracht hat.
PH:
Es war damals bei der Produktion der Platte auch niemand wirklich unzufrieden. Also daß jemand unzufrieden war, das kam erst hinterher. Aber die waren auch wirklich gut. Also „Glut + Asche“ war Platte des Monats im Musikexpress. Das war bis irgendwann Mitte oder Ende der Neunziger, also 15 Jahre lang, die deutsche einzige Platte, die das irgendwie geschafft hat. Also das war o.k.. Und dann ´85 war dann irgendwann Ende und alle zigen in verschiedene Städte. Und dann war erstmal Schluß. Und dann haben wir ´89 erst wieder in der Originalbesetzung zusammengefunden.
Peter, Du warst ja in der ganzen Zeit musikalisch nicht untätig.
PH:
Nein. Ich bin praktisch bei den Fehlfarben raus. Und hab dann ein halbes Jahr oder ein Jahr nicht wirklich was gemacht. Dann haben wir in der Zeit, also Thomas und ich mit Xao und Peter Glaser unglaublichen Blödsinn gemacht und bei Alfred Hilsberg auf´m Label veröffentlicht. Die Liedermachoost (???), die Orafs (???) also wir haben uns praktisch selbst, unseren eigenen Scheiß verarscht. In unsäglicher Qualität. Im Keller oder Wohnzimmer aufgenommen.
Dann habe ich, ich glaube noch mal ab ´81 oder so, noch mal so einen blöden Witz gestartet, Xao und ich haben irgendwie gedacht, wir müssen jetzt so´n bisschen – damals war so ???? (die Namen der beiden Bands kannte ich nicht und finde sie trotz intensiver Suche im Netz nicht – und ehe ich hier was Falsches schreibe… - Anm. d. T.) angesagt, da haben wir gesagt, komm wir schmeissen ´ne Platte auf den Markt. Das machen wir auch, haben uns irgend ´nen blöden Namen ausgedacht. Das musste englisch sein, obwohl wir deutsch gesungen haben. Da mussten irgendwelche blöden Zahlen drin sein. Ja, kam Family 5 bei raus.
Eine Single wollten wir machen und die kam dann irgendwie an und es kam ein Angebot und dann gab´s irgendwie 15 Jahre lang die Band Family 5. Mit ´ner 4-jährigen Pause zwischendurch. Die habe ich so bis ´97 irgendwie gemacht. Mit, ich weiß nicht, 500 Konzerten. Also wir haben alle Jugendheime Deutschlands gerockt und auch ein paar größere Dinger. Aber nicht so viel, vielleicht ein bisschen Österreich und Schweiz, also, was so dazugehört. Tja dann haben wir ´ne Weile nichts gemacht und dann kam jetzt so mit den Fehlfarben auch wieder so ein Family 5-Ding….
Da gab´s ja gerade noch mal 2 Veröffentlichungen. Eine „Best of“ und so´ne Platte mit Coverstücken…
PH:
Ja genau. Dann hieß es: „Naja, gehen wir mal wieder spielen.“ Und so weiter.
Bei Schwarz auf Weiss“ hast Du auch was gemacht…
PH:
Ja, bei „Schwarz auf Weiss“ habe ich ein Stück mitgesungen. Bei „Anglika Express“ habe ich ein Stück mitgesungen. Ich habe zwischendurch, glaube ich, diverse „Blödsinns-Projekte“ gestartet. Mit anderen Leuten und so. Ist aber nichts draus geworden.
Also hattest Du immer was Musikalisches zu tun. Konntest Du irgendwann von der Musik leben?
PH:
Nein. Definitiv nicht Ich habe noch nie davon leben können. Aber ich weiß auch jetzt nicht wie es aussieht, weil ab Juni werde ich dann arbeitslos sein. Da weiß ich nicht, wie es weitergeht.
Wie kam es dazu, daß Ihr schließlich die neue Platte aufgenommen habt. Wie lange hat es von der ersten Idee gedauert, bis die Platte letztendlich in den Läden stand? Habt Ihr die in Eurem eigenen Studio aufgenommen.
TS:
Also, wir hatten die Idee irgendwie bei der Goldverleihung…
PH:
Ja genau, das waren dann 2 Jahre fast.
TS:
Also Frank und Kurt, unsere beiden Keyboarder in der Band, sie sind ja 2 / 3 der legendären Band „Der Plan“ und die haben schon seit Ewigkeiten ihr eigenes Studio in Düsseldorf und ihr eigenes Label und da haben wir das eben aufgenommen. Und der Kurt, auch „Pyrolator“ genannt, der hat das ganze dann produziert. Aber das ist jetzt nicht ein Fehlfarben-Studio. Das ist sein Studio und der nimmt da tausend Sachen auf.
PH:
Wir haben das ja auch bezahlt.
TS:
Genau, der hat ja auch Geld für seine Arbeit gekriegt. Ja, fast 2 Jahre hat´s gedauert.
PH:
Also nicht, daß wir jetzt 2 Jahre jeden Tag im Studio waren und uns Gedanken gemacht haben.
TS:
Im Laufe der 2 Jahre haben wir uns immer irgendwie getroffen.
Was versprecht Ihr Euch von der neuen Platte „Knietief im Dispo“. Wollt, oder könnt Ihr in der heutigen Zeit damit noch etwas bewirken? Oder habt Ihr die Platte komplett für Euch selbst gemacht?
TS:
Naja, wir haben ja auch nicht „Monarchie & Alltag“ mit dem Gedanken gemacht, um damit jetzt was zu bewirken. Wir wollten auch da zuallererst auch unseren Spaß haben. Wir waren ´ne ganz ordentlich funktionierende Band. Und wollten einfach ´ne gute Platte machen. Und größer werden als Hans-A-Plast. Das klingt heute etwas absurd. Die hatten damals irgendwie 4000 Platten verkauft und wir wollten 6000 Platten verkaufen. Oder 5000. Das war unser Ziel. Insofern sind die Startbedingungen nicht großartig anders. Ob die Platte etwas bewirkt merkt man erst hinterher. Als die „Monarchie & Alltag“ raus kam haben die Leute ja auch nicht flach auf dem Boden gelegen.
Musikerkollegen haben auch nicht gesagt, das sind jetzt die fehlenden Gesetzestafeln vom Berg Sinai. Sondern die haben eher gesagt: „Na ja, klingt ´n aber bisschen glatt“….
PH:
„…..ey bei der Industrie, ey… Is´ ja nich so doll.“ (lachen)
TS:
Das kam ja auch erst so im Lauf der Jahre. Vielleicht ist es ja mit „Knietief im Dispo“ auch. Ich weiß es nicht.
Aber kann man denn mit Musik noch was bewirken?
PH:
andere Frage. Konnte man das je. Einerseits denke ich, ´n bisschen vielleicht schon. Wir haben ja immerhin Stoiber erfolgreich verhindert mit ´nem Lied (Er spielt hier auf eine Single bzw. einen nur im Internet erhältlichen Song an. Eine „Band“ Namens J. Erwin Blues Explosion – Anm. d. T.).
TS:
Man bewirkt ja insofern was. Oder wir haben zumindest was bewirkt, weil irgendwelche Leute, die die Platte gehört haben, oder uns live gesehen haben, gesagt haben. Ja das will ich auch machen. Ich will auch Musik machen. Insofern haben wir natürlich was bewirkt weil wir was bei den Leuten verändert haben.
Man sagt ja immer so ganz pathetisch: „Ja wenn ich nur einen erreicht habe...“, irgendwelche politischen Liedermacher, „…würde mir das schon reichen.“. Also wir haben sicher dutzende erreicht. Da könnten wir also hochzufrieden sein. Ob das aber alles nun zum Besseren deswegen geworden ist, weiß ich nicht. Vielleicht hätten die auch ohne uns Musik gemacht.
Was unterscheidet denn die Fehlfarben 2003 / 2003 von den Fahlfarben 1980 / 1981 oder noch früher? Jetzt mal abgesehen von der Besetzung.
TS:
Naja, das Alter. Wir sind jetzt einfach 20 Jahre älter und entsprechend gelassener. Zumindest, was jetzt so die Tour anbelangt, hat es damals nicht so viel Spaß gemacht. Erstmal waren damals die Bedingungen auch beschissener. Aber auch insgesamt war man nicht so nett miteinander, vielleicht.
Inwiefern beschissener?
TS:
Naja, wir waren ´ne kleine Band als wir noch mit Peter zusammen waren. Da haben wir die Verstärker irgendwie hinten in´nen VW auf den Rücksitz getan und sind mit 3, mehr oder weniger funktionierenden Privatautos durch halb Deutschland gegurkt, um dann irgendwo zu spielen. Die PA´s waren immer kacke, das Publikum war auch nicht so viel…
PH:
Ja und damals waren die PA-Fritzen wirklich noch aus der Generation „verhinderte Hardrockstars“….
Ist doch heute eigentlich auch noch so, oder?
PH:
Nee, gar nicht mal so. Das hat sich gebessert. Heute sind gerade so bei den lokalen PA´s, wenn Du irgendwo hinkommst, die Typen viel offener als früher. Die können ihren Job, die machen nicht mehr den großen Max…
TS:
Kein „Smoke on the water“ und so.
PH:
Nee, is nicht mehr. Naja, gut, den Sound, den sie so beim einstellen in der Halle hören ist immer noch grauenhaft. Aber, nee, ehrlich. Das ist einer der wenigen Sachen, wo ich sage: Dat hat´n Fortschritt gegeben. Ansonsten nicht wirklich viel.
Manche Interviewer (o.k, daß mache ich ja auch gerade), fragen immer nach dem „Früher“, was Ihr, so habe ich gelesen, manchmal gar nicht so toll findet. Was könnt Ihr denn zum „Heute“ oder der „Zukunft“ sagen, wenn NICHT über die Vergangenheit.
PH:
Na über die Zukunft kann man natürlich wenig sagen, außer daß, wenn man die 6000-jährige Geschichte unseres Volkes in zwei kurzen Sätzen zusammenfasst: Es wird nicht besser. Und: Et het no immer jotjejange.
In letzter Zeit ist mir aufgefallen, vielleicht kommts mir aber auch nur so vor, daß es unheimlich viele Revivals gibt. Zum Beispiel kommen demnächst Stunde X hier nach Berlin…
PH:
…Die „Monsters of Mod“. Da war ich auch mal Mitglied. Ich kenn alle. Von Stunde X habe ich die erste LP raus gebracht.
Echt? Sollte die nicht noch mal wiederveröffentlicht werden? Oder ist sie das schon?
PH:
Die haben für ´ne CD, also die haben ja 2 LP´s gemacht. Diese Mini-LP bei mir „Hey Du“ und dann haben sie die „Graf Porno für Deutschland“, bei Weser-Label, glaube ich, gemacht. Und alles zusammen reicht´s wohl nicht für eine CD. Und deswegen, ich meine ich hätte, habe ich Fabsi mehr oder weniger gesagt er kann das von mir natürlich auch mit rauf nehmen. Also er will das auf CD. Aber das hängt wohl irgendwo noch in den Seilen. Ich hab´ keine Ahnung., was eigentlich das Problem ist.
Die wollen das gerne auch wieder raus bringen, weil das ist auch so ´ne Sache, die man auch wirklich auf CD haben muss, finde ich. Weil das ist so klasse. So´ne Super Band gewesen.
Das war für mich 80´er Jahre und nicht NENA und Konsorten.
Ihr ward nicht „Knietief im Dispo“, als Ihr Euch entschlossen habt, die neue Platte aufzunehmen?
TS:
Zumindest wäre „Musik machen“ im Augenblick die dümmste Lösung für das Problem, wenn man knietief im Dispo wäre. Ich glaube mittlerweile hilft nur, wie früher, ´ne Bank überfallen…
Nee, ich glaube, Musik machen aus diesen Gründen – dann sollte man es sein lassen.
PH:
Ich bin natürlich trotzdem Knietief im Dispo gewesen. Haha, aber das war nicht der Grund. Sondern als ich das dann hörte, sagte ich: „Stimmt“.
Das heutige Konzert ist nun schon zum dritten Mal in Folge ausverkauft, obwohl es ein Zusatzkonzert ist. Ich habe mal gelesen, daß Ihr Euch früher vor „taz“-Redakteuren hier in Berlin rechtfertigen musstet für Eure Platten oder Konzerte. Was war das genau? Und läuft man solchen Leuten heutzutage noch über den Weg?
TS:
Das war der, der uns damals für die TAZ interviewt hat, das war 1981, das weiß ich noch. Und die dachten alle wir wären eben Ton Steine Scherben Teil 2, weil die gab´s damals, glaube ich nicht, weiß ich nicht mehr. Und die dachten, daß wir mit ´ner 7-Mann-Band sieben verschiedene Häuser besetzen, parallel zu unseren Konzerten und waren dann ganz enttäuscht, daß wir irgendwo gewohnt haben, vielleicht im Hotel sogar noch von ´nem Veranstalter. Da gab es eben merkwürdige Geschichten. Die wollten uns einfach so als ihre Hausband, die Band der Bewegung, irgendwie vereinnahmen. Da haben wir damals gesagt, nee, seid ihr eigentlich völlig verrückt geworden.
Gabs darauf irgendwelche Anfeindungen? Kann man sich ja durchaus vorstellen.
TS:
Bei der TAZ scheint das ja nach wie vor ein Thema zu sein. Als jetzt unsere Platte raus kam haben sie das ja auf ihrer Doppelseite „Pro und Kontra“ abgearbeitet.
PH:
Ja genau. So „Fehlfarben - Fluch oder Segen?“.
TS:
Als wär das so ´ne verdammte Regierungserklärung, die wir da abgegeben hätten. Aber vielleicht war das für die auch so. Ich glaube das ist für die Generation irgendwie wichtg. Und nach wie vor entstehen da Probleme, weil die so falsche Hoffnungen rein projizieren. Ich glaube auch Rio Reiser war nicht glücklich damit, daß er immer nur „Keine Macht für Niemand“ brüllen sollte bis in die neunziger Jahre. Es war einfach sehr einseitig.
Aber früher habt Ihr Euch schon versucht zu rechtfertigen. Heute ist Euch das egal, oder wie?
TS:
Also jetzt ja. Also heute ist mir das völlig wurscht.
PH:
Die TAZ muss sich rechtfertigen. Ich doch nicht.
TS:
Also nach der Bandgeschichte haben wir überhaupt keinen Grund, uns für irgendwas rechtfertigen zu müssen. Wir haben mehr Plattenkäufer gefunden als die TAZ Abonnenten hat. Hehe.
Insofern haben wir da auch überhaupt kein Problem. Es ist einfach so einseitig, wie: „Ich möchte Mitglied in einem Club sein, der mich als Mitglied überhaupt aufnimmt“. Also ich will doch nicht jetzt hier in so´ner TAZ-Bewegungsband sein. Dann ist man in dem Moment erledigt, wo diese TAZ-Bewegung vorbei ist. Und da war so viel in dieser linken Szene damals, aus der auch diese TAZ entstanden ist. Da war dermaßen viele Schrebergartenspießigkeit am Werk und Verklemmtheit und protestantische Gutmenschenscheisse.
PH:
Die haben ja überhaupt nichts mit dem zu tun gehabt, was wir eigentlich auch so waren. Natürlich, wir haben gute Musik gemacht und haben immer versucht etwas zu texten, was nicht ganz blöd ist. Und mehr wollten wir ja nicht.
Wie setzt sich heute Euer Publikum zusammen? Wer Eure Platten kauft, könnt Ihr ja wahrscheinlich nicht sehen.
TS:
Das ist ganz unterschiedlich. Total gemischt. Man kann nicht sagen, das sind nun die oder die, die da hin gehen. In allen Konzerten war das eine absolute Mischung aus allen Altersgruppen, allen subkulturellen Zugehörigkeitsgruppen, ob lange Haare oder kurze Haare, oder was auch immer. Ich könnte da jetzt nicht fest machen, daß wir nun ein bestimmtes Klientel bedienen. Das ist das einzige, was sich durch die ganze Fehlfarbengeschichte wirklich kontinuierlich zieht. Und für mich ist das auch auch gut. Also nichts wäre langweiliger, wenn Du nur dein eigenes kleines Klientel bedienst, dein gut laufenden Gemischtwarenladen hast und keine Chance mehr hast, aus so einem Ghetto von einem Publikum raus zu kommen. Also das wäre nun todlangweilig.
Man muss auch immer wieder einigen Leuten vor den Kopf stoßen, die sich zu sicher fühlen, dieser Band gegenüber. Kann passieren, daß einige Leute, die jetzt „Knietief im Dispo“ gut finden von der nächsten Sache vielleicht vorm Kopf gestoßen sind und dafür andere Leute das gut finden. „Glut + Asche“ war zum Beispiel so ein Schritt.
Im Zuge der Veröffentlichung von “Knietief im Dispo“ werdet Ihr ja meistens nur auf eben diese Platte und die „Monarchie & Alltag“ reduziert. Stört das einen? Sagt man da manchmal: „Hey da waren aber noch 2 andere Alben! dazwischen“…
TS:
…Drei sogar. Oder vielleicht auch 4. Die Songs auf der „Platte des himmlischen Friedens“ von 1991 waren alle klasse. Die Produktion ist ein bisschen in die Hose gegangen…
…Ich meine, nervt das?
TS:
Klar nervt einen das. Ja logisch. Deswegen spielen wir ja auch die Songs von der…
PH:
…Das nervt Thomas, genauso wie mich das nervt, daß, eben diese 15 Jahre Family 5, mit glaube ich 7 LP´s völlig unter den Tisch gekehrt werden. Das wir nicht in den Charts waren ist ja was ganz anderes, aber das man nichts gemacht hat – das ist nervig. Und das immer eben auch von Leuten, die so ankommen: „Naja, ich kenn Eure Platte noch nicht, aber Ihr seid ja berühmt, also sag doch mal was…“. Und dann erklär ich auch nichts. Das nervt.
Ziehen die anderen Platten jetzt mit der Veröffentlichung der „Neuen“ noch mal mit an?
TS:
Was soll da anziehen? „33 Tage in Ketten“ und „Glut + Asche“ gibt´s nicht.
PH:
Die werden jetzt erst wieder raus gebracht.
TS:
„Platte des himmlischen Friedens“ gibt´s leider auch nicht mehr bei der WEA. Wenn´s die gäbe würden die Leute das sicher kaufen.
PH:
Wenn wir jetzt im Sommer noch ein wenig spielen wird man das auch vielleicht merken. Ich hoffe mal, daß wir o.k. bleiben. Das wir nie schlechter als „Mittelscheiße“ werden.
TS:
Nein, das ist ja auch klar, daß es noch mehr gibt als „Monarchie & Alltag“. Das sieht man auch auf Konzerten. Also es kommen auch Stücke ganz besonders gut von der „Platte des himmlischen Friedens“ an. Und ein Hit des Konzerts ist zum Beispiel auch ein Stück von der „33 Tage in Ketten“, was auch erstaunlich viele Leute immer wieder kennen. Was mich auch wundert. Ich denke mir, daß Leute, die zu Fehlfarben 2003 gehen und sich ´ne Karte kaufen, wissen daß Fehlfarben mehr ist als „Es geht voran“ und „Monarchie & Alltag“.
Wie ist das mit den Journalisten heute? Mittlerweile fragen ja viele nach und man kümmert sich um Euch. Wie war es denn damals. Hat sich da jemand für Euch und Eure Inhalte ernsthaft interessiert und nach dem „dahinter“ gefragt. Habt Ihr Interviews für Fanzines gegeben?
Beide:
Ja, immer. Klar.
TS:
Es gab ja keine Musikzeitungen.
PH:
Hehe, außer der SPEX. SPEX war ja damals ´n Fanzine eigentlich. Also nur mit Fanzines eigentlich. SPEX fing damals ´81 an, SOUNDS war damals noch sehr Mainstreammässig orientiert. Musikexpress war völlig indiskutabel. Zu der Zeit gab es eigentlich keine Musikpresse.
`Ne größere Tageszeitung wie jetzt die Süddeutsche oder die FAZ. Ich weiß nicht. Marcel Reich-Ranicki hat damals den Kulturteil gemacht. Da wär doch kein Artikel über die Fehlfarben erschienen.
Welche Bands haben Euch denn damals interessiert, oder interessieren Euch noch immer. Oder interessieren Euch gerade im Moment.
TS:
Also die Bands, die mich damals interessiert haben, die gibt´s ja alle nicht mehr. Zum großen Teil.
PH:
Zum Beispiel The Jam, The Clash, Gang of Fall, Buzzcocks. Elvis Costello.Wire.
Und momentan?
TS:
Also ich habe in der ganzen Zeit die englische Musik doch relativ intensiv verfolgt.
Pulp ist sicherlich ´ne tolle Band. Radiohead fand ich auch ´ne Zeit lang ganz klasse, wobei ich mit den letzten Platten auch ´n bisschen Probleme habe.
PH:
Ich bin erstaunt, im Moment, wie viele wirklich gut Platten von so alten Säcken wie uns selber auch rauskommen Also ich war wirklich begeistert von Wire. Softboys haben ´ne Super Scheibe gemacht Auch zum Beispiel jetzt, Anfang des Jahres habe ich mir zum erstem Mal in meinem Leben ´ne neue Bowie-LP gekauft (Oh ja, das muss nun aber wirklich nicht sein, oder – Anm. d. T.), weil ich die gut fand. Ist mir bisher noch nie passiert. Haha. Selbst bei Costello gibt´s irgendwie noch so´n Bonus. Aber von so richtig neuen Sachen juckt mich nichts wirklich. Das habe ich alles schon, oder ich will es nicht haben.
Gut und das war es auch schon. Man musste noch schnell die Gästeliste absegnen & dann ging es auch schon los. Ich fand´s informativ und ich hoffe, Ihr auch. Die neue Platte ist gut und lohnt sich allemal. Schönen Tag auch.