Endlich mal ein Fanzine, bei dem ich eine Spitzen Ausrede habe, warum das Reviewen so lange dauerte: Text, Text und nochmals Text. Bei insgesamt 63 Seiten und zwar in A4 (!) kann man sich schon eine ordentliche Weile mit Aktivitäten aus der linken Skinhead Szene beschäftigen.
Man sollte das vielleicht viel mehr tun, wie ich mir während des Schmökerns immer wieder versuchte, hinter die Ohren zu pinseln. Das Red & Black ist, wenn ich es richtig verstehe, DAS Sprachorgan der RASH [Red and Anarchist Skinheads] Sektion Berlin/Brandenburg. Dementsprechend politisch geht es in dem Heft auch zu. Das es offenbar nach wie vor dringend nötig ist, über linke Skinheadkultur aufzuklären, zeigte sich mir immer wieder eindrucksvoll angesichts der grimmigen Mienen der „Normalos“, die mich in ihrer typisch heimlichen Empörung mit Blicken aus meiner Vertiefung reißen wollten. Ich tat ihnen den Gefallen nur sehr selten – man muss ja ab und zu aufsehen, um die richtige Haltestelle nicht zu verpassen. Ansonsten fesselte mich der Stoff zu sehr. Was mir besonders gefiel, war der ziemlich tolerante Tonfall, in dem die meisten Texte verfasst waren. Ich werde ja immer skeptisch, aber das liegt vielleicht auch an meiner Kindheit im erzkatholischen Bayern, wenn Menschen diesen übereifrigen Predigertonfall annehmen, um mich koste-es-was-es-wolle von ihrer Meinung zu überzeugen. Ich war immer der Ansicht, dass es wirklich von einer Sache Überzeugte nicht nötig haben, mit Schaum vorm Maul auf andere einzuplärren. Argumente helfen da meist besser. Wie gesagt: Hut ab, liebe RASHler, ich bin positiv überrascht. Es gibt diverse kritisch durchdachte Berichte von Demonstrationen (Braunschweig, Wunsiedel, Leipzig u. a.), Festivals (Oi - the Meeting, Rudeboys Unity Festival Genf, Laurel Aitken Tribute, Yellow Dog Festival), Reisen (München, Rom), Portraits des Filmstadtinfernos (Ultras Babelsberg), Fanzine- und Buchkritiken, und Berichte aus der eigenen Szene (Ska Nighta im Drugstore, We Will Rock You Kampagne, Filmstadtinferno - Ultras Babelsberg).
Was bei der ganzen Politik meiner Meinung nach ein bisschen zu kurz kommt, aber das „Kompliment“ werden mir die RASHler postwendend mit gegenteiligem Inhalt zurückgeben, ist die Musik. Nur ein, wenn auch umso interessanteres Interview mit Banda Bassotti und eine Hand voll Konzertberichte. Ansonsten ist das Red & Black ein informatives und trotzdem nicht ohne Humor verfasstes Kampfblatt mit viel Idealismus, der tiefen Respekt verdient hat. Was man vielleicht noch verbessern könnte, ist die redaktionelle Arbeit: Zu viele Schreibfehler (zwischen den Seiten 2/3 und 6/7 fehlt je mindestens ein Absatz) und holprige Formulierungen schmälern ein wenig den Lesegenuss. Ganz groß dagegen die Kolumne über die geifernde Propaganda-Berichterstattung im Sportfernsehen und der Erlebnisbericht von den unsäglichen politischen Zuständen in und um das Lazio Rom Fußballstadion.
63 Seiten A4
2€