R.I.P. AntiEverything

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aus dem Newsletter:
Wie heute aus Berliner Redaktionskreisen bekannt wurde, stellt das
AntiEverything sein Erscheinen mit sofortiger Wirkung ein.

AntiEverything war eine deutschsprachige literarisch-satirische
Zeitschrift, die von 1999 bis 2007 erschien. Im Laufe der Jahre hatte
sich das Heft von einer jugendlich-rotzigen Winkelgazette zu einem
Flagschiff der deutschsprachigen Punkrockszene entwickelt. Mit dem
sogenannten "Neonihilismus" verbreitete es eine eigene Weltanschauung,
die Elemente aller herkömmlichen Ideologien beinhaltete und aufgrund
ihres überspitzten Radikalismus schnell viele Anhänger finden konnte.
Die letzte Ausgabe war im Spätherbst des letzten Jahres mit einer
Auflage von immerhin 1.500 Exemplaren (im Worten:
eintausendfünfhundert) erscheinen.

Nun steht das Aus für dieses Sprachrohr einer ganzen Generation von
Punkrockern fest. Es trifft die Fans wie ein Blitzschlag beim Scheissen.

Markenzeichen der späteren Ausgaben stellten die Kurzgeschichtenserien
aus der Feder Krzysztof Wraths und ihre Protagonisten Natascha und
Case dar. Die letzte Serie mit dem Titel "Glory White Trash" wird nun
voraussichtlich unvollendet bleiben. Wrath selbst gab an, heute
vormittag verschiedene bereits fertig gestellte Episoden der dritten
Staffel unwiederbringlich gelöscht zu haben. Auch seitenweise bereits
montiertes Layout fiel dem Del-Knopf zum Opfer.

Der bisher hoch angesehene Autor begründete die Maßnahme nicht näher,
brabbelte nur irgendwas von "Alles Dreck, das braucht eh keiner",
"Verkackte Schreibsperre" und "Kein Bock mehr, hier den Affen zu
machen für Euch." Er gab an, komplett mit dem Schreiben aufzuhören, um
sich fortan ganz seiner Karriere als erfolgreicher Unternehmer und
Aktmodell widmen zu können. Auch bereits geplante Lesungen wurden
ersatzlos gestrichen.

Einige Experten halten ein seit Wochen anhaltendes schweres kreatives
Tief für eine mögliche Ursache. Andere meinen, der Künstler habe sich
innerlich schon Anfang des Jahres vom Projekt gelöst und dieser
Schritt wäre im Sinne einer persönlichen Weiterentwicklung zu
verstehen.

Die Folgen der Kapitulation sind noch nicht abzusehen. Auch
NihilistJustice, Herausgeber der Hefte und des dazugehörigen
Merchandisingprogramms, ist nun offenbar von der Schließung bedroht.
Schon seit Monaten war NihilistJustice ins Gerede gekommen, weil
Bestellungen immer öfter nicht oder nur sehr spät bearbeitet wurden.
Neue Produkte gab es schon seit fast zwei Jahren nicht mehr, die
Umsatzzahlen stagnierten. Auch von Veruntreuungen und
Vetternwirtschaft zu Lasten der Firma war die Rede.

"Wir verlieren unser bestes Pferd im Stall, das ist das Ende", so ein
Sprecher des Unternehmens auf der heutigen Krisensitzung, "da kann man
nichts mehr reissen. Macht's gut, Leute!"
In Punkrockkreisen bereits kursierende Gerüchten von einer geplanten
Übernahme durch die PlasticBomb-Konzerngruppe aus Duisburg widersprach
er aber. "Das Angebot war lächerlich."
"Schluss mit dem Wahnsinn!", protestierte eine Lageristin lautstark.
"Wer denkt an unsere Arbeitsplätze?" Einige Beschäftigte kündigten
massive Proteste und eventuell eine Werksbesetzung an.

Das ebenso plötzliche wie für die meisten Leser vollkommen unerwartete
Ende des AntiEverything wird eine tiefe Lücke in die Punkrockszene
reissen. Es bleibt zu hoffen, dass nachfolgende Projekte diese zu
schliessen in der Lage sein werden.

AntiEverything R.I.P.

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