Folkpunk oder Irish Punk oder was auch immer – die Irisch-traditionelle Musik mit gehörigem Schuss (Punk)rock ist momentan schwer angesagt. Seien es die DROPKICK MURPHYS, FLOGGING MOLLY, die REAL MCKENZIES (na gut, die eher mit schottischen Wurzeln) oder sonst wer. Schnelle Rhythmen mit Dudelsäcken und mehr oder weniger typischen Streetpunk-Texten ist in. Kein Zweifel. Nun noch eine weitere Kapelle dieser Art? Nicht ganz. NECK gibt es fast schon genau so lange, wie einige der oben genannten Vertreter. Die Bands können zwar grob als Vergleich herhalten, aber doch haben NECK ihre Daseinsberechtigung.
Denn hier wird das ganze mal andersherum praktiziert. Hier liegt der Schwerpunkt eher auf dem Traditionellen – mit Punkrock garniert. Auch mal ganz nett. Mir als altem Irlandfan wird sogar teilweise das Herz schwer, wenn ich NECK höre und an meine Besuche in den verschiedensten Irish Pubs in ganz Irland zurückdenke. Weitere Vergleiche spar ich mir. Sie haben es auch gar nicht nötig. Allein Sänger Leeson, der bereits mit SHANE McGOWAN von den POGUES diverse Bühnen der Welt besuchte, steht mit seiner Band und seinem Gesang, seinem Ausdruck für sich selbst. Das hier ist auf CD gepresstes Herzblut, wobei ich das obigen Bands aber auch nicht absprechen will.
Gerade haben sie auf dem Berliner Label Bad Dog Records ihr drittes Album veröffentlicht und starten auch live hierzulande immer mehr durch. Da dachte ich mir, ich schick ihnen einfach mal ein paar Fragen per eMail zu. Leichter gesagt, als getan. Denn als bei mir die Antworten eintrudelten hatte ich erst einmal mit einem mit einem wahnsinnigen Slang zu kämpfen. Wenn Ihr der englischen Sprache mächtig seid, dann empfehle ich Euch vielleicht besser das Englischsprachige Original, was Ihr auch auf diesen Seiten finden solltet.
Und wenn sich für Euch die Chance bietet, sie mal live zu sehen, tut dies. Anfang nächsten Jahres kommen sie auf Tour. Könnte passieren, dass Euch NECK in einen ähnlichen Rausch versetzen, wir ein gutes Pint Guinness oder ein kleines Gläschen Triple-Malt. Sláinte!
Hallo! Stellt Euch mal kurz für unsere Leser vor. Wer ist wer? Welche Instrumente, Besetzungswechsel, etc… pp…
Hallo. Hier spricht Leeson, zusammen mit Marion. Ich bin der Sänger der Band und spiele außerdem Gitarre. Marion spielt Geige. NECK ist eine 6 (manchmal 7!) köpfige ‘London-Irish' Band und wir spielen ‘Psycho-Ceilídh'. Dieser Begriff ist eine Erfindung von SHANE MacGOWAN und ist ein typisches irisches Wortspiel mit dem Begriff ‚Psychobilly'. Es bedeutet aber eigentlich nichts anderes als einen Mix aus Punkrock und irischer Musik. Die nordamerikanische Variante davon nennt sich ‚Irish Punk'…
NECK wurden vor ein paar Jahren von trinkfesten irischen Punkrockern in diversen Nordlondoner Lokalitäten gegründet. LineUp Wechsel gab es, weil manche vom Weg abgebracht wurden, sei es durch Alkohol oder Frauen, manche heirateten und haben Kinder gekriegt oder mussten das Land schnell verlassen…
Geblieben ist die Kombination aus „punk-as-fu*k“ Gitarren, Rhythmusfraktion und dem Chaos aus ehrlichem, wirbelnden irischen Traditional LineUp aus Fiedel, Dudelsäcken, Banjo und Whistle. Das was uns von unseren ersten Gigs im Irish Pub Bezirk (damals übrigens sehr lebendig in London) bis heute auf Touren und Festivals inspiriert hat, ist dass wir gern für die Leute spielen, die Spaß daran haben, herum zuspringen, zu trinken und zu singen, wie wir es tun. Manchmal singen sie sogar besser als wir, nicht McCiste? (Guido McCiste ist unser Basser & sein Gesang hört sich an wie ein Esel, der sich im Dornenbusch verfangen hat!)
Ihr habt ja schon diverse musikalische Erfahrungen. Leeson ist zum Beispiel Gründungsmitglied von SHANE McGOWAN'S POPES gewesen?
Ja das stimmt. Ich hab mit Mo, Bernie, Danny & später Colm im Original-LineUp gespielt. Als ich gefragt wurde, ob ich in der Band mitspielen will, gab es den Namen noch gar nicht, Das ergab sich, als wir nach Tipperary gezogen sind nachdem wir ewig in Shane's Wohnung „geprobt“ haben - gleich um die Ecke vom Arsenal-Stadion in Nordlondon.
Der Song ‘Blue skies over Nenagh', der sich auf ‘Sod ‘em & Begorrah!' befindet, ist ein Song darüber, wie es war, mit den POPES in Irland zu sein & ‘Loud ‘n' Proud ‘n' Bold' von der ‘Here's mud in yer eye' wurde in und darüber geschrieben, als wir in Dublin waren, im U 2 – Hotel, wo wir wie Gott in Frankreich lebten und wie Rockstars behandelt wurden. Seite an Seite mit den Reichen und Berühmten. Als wir bezahlt wurden, betrunken zu sein und faul rumzulungern. Ich hab meine ‘Tour of duty' gemacht, sammelte Erfahrungen und nenn es wie Du willst – aber ich würde jetzt hier nicht sitzen und Deine Fragen beantworten, wenn ich das nicht gemacht hätte.
Ich war sehr glücklich darüber, daß ich gefragt wurde, in Shane's Band mitzuspielen. Das konnte ich mir in meinen wildesten Träumen nicht vorstellen. Shane gab mir und tausend anderen, na ja nicht in der Welt, aber zumindest zu Hause, in Irland, meine Kultur zurück. Es war großartig und hat mich dazu gebracht (wieder) irische Musik zu schreiben und auch letztendlich NECK zu gründen. Dafür werde ich Shane auf Ewig dankbar sein.
Ihr kommt aus London, wobei die irischen Züge in Euer Musik unverkennbar sind. Wo liegen Eure Wurzeln und Beziehungen zu Irland?
Wie gesagt, wir sind eine ‘London-Irish' Band. Die meisten Leute aus der Band und unseren Gastmusikern sind in erster oder zweiter Generation irisch. Entweder irische Einwanderer bzw. Kind von Einwandern. Die Hälfte unserer derzeitigen Besetzung sind irische Staatsbürger und haben auch einen irischen Pass. Schau Dir mal unsere Namen an - Leeson O'Keeffe, Stephen Gara and Guido McCiste. Marion, Stephen und ich spielen regelmäßig beim Londoner „Traditional Irish music session circuit“, einem inzwischen weltweiten Phänomen, welches nicht in Irland, sondern in den Pubs von Nord-London entstand – unter den Einwanderern der irischen Gemeinschaft aus den 40ern und 50ern.
In meinem Blut fließt irische Musik. Mein Großvater und meine Großmutter sangen, ich singe und es wurde an mich weitergereicht. Desweiteren ist Irland meine Heimat für mich. Ich kehre oft dorthin zurück, mit der Band oder aber zur Familie, die noch in Dublin, Carlow und Roscommon lebt. Wir sind sehr stolz darauf, was wir sind und wer wir sind, was wir machen, auf unsere Traditionen und unseren Platz in der irischen Musik. Dass wir den Stab von Shane übernommen haben und die irische Musik vorangebracht haben. Unser Song „May the road rise with you (Go N-éiri an bothair leat) “ auf “Sod'em and Begorrah!” handelt davon, wie es ist, über den Stolz, zur irischen Diaspora zu gehören.
Eine Menge Bands spielen euren Musikstil. Von welchen Bands wisst ihr, die Euren Musikstil spielen und die ihr beeinflusst habt? Beziehungsweise umgekehrt. Abgesehen von den REAL MCKENZIES, DROPKICK MURPHYS, FLOGGING MOLLY… ;-)
Leider nur von einer: SIHOBAN aus Kanada. Wir waren mit ihnen zusammen auf Tour in Deutschland in diesem März und hatten viel Spaß mit ihnen. Sie mochten unseren Song „Hello Jakey“ so sehr, dass sie einen Song namens „Jakey's gone to germany“ geschrieben haben. Obwohl wir unsere Version von „The fields of Athenry“ vor knapp einem Jahr veröffentlichten, haben die DROPKICKS jetzt ihre Version herausgebracht. Tee Hee!
Aber ist es zurzeit nicht so, dass man mit „Folk Punk“ derzeit recht erfolgreich ist?
Ja, so ist es. Es ist sehr seltsam, denn wir waren ein paar Jahre nicht mehr in irischen Bars unterwegs und sozusagen unsichtbar, jetzt ist alles komplett anders. Wir spielen auch nicht mehr in den irischen Bars wie früher. Es ist jetzt alles sehr aufregend und ich bin froh, dass wir wieder dabei sind. Und zu den DROPKICKS und den MOLLIES - Sie haben sich die Ärsche aufgerissen um dahin zu kommen, wo sie heute stehen und verdienen absolut jeden Erfolg. Außerdem sind es großartige Bands und wirklich tolle Leute und waren gut zu uns.
Ich denke mal, Ihr spielt gerne in Irland. Was denken die Leute dort über Bands, die Punkmusik mit irischen Lyrics und Einflüssen spielen?
Wir haben in Irland seit 2001 viel gespielt und es war großartig. Touren in Irland ist anders als irgendwo anders auf der Welt – die Leute bringen dich um mit ihrer Freundlichkeit. Es gibt ne Menge Leute, die DJ SHADOW, SLIPKNOT, RADIOHEAD oder sogar die BEE GEES (!) hören wollen, aber es gibt auch die, die irische Musik laut, rau und „punk-as-fu*k“ mögen wie wir. Ich weiß, dass es einige Menschen gib, die was gegen Leute haben, die nicht in Irland geboren sind und trotzdem irische Musik spielen (wie auch Shane). Aber die sollten sich einkriegen. Jedes Jahr haben wir das ‚Fleadh Cheoil nah Éireann' (ein gesamtirischer Wettbewerb für traditionelle Musik), und die Sieger kommen aus „ganz Irland“. Teilweise Großbritannien, Australien, Kanada und den Staaten und keinen kümmert es, woher die Leute kommen solange sie gut sind. Wenn das ok für die Leute ist, die aus der ernsthaften traditionellen irischen Musikszene kommen - gut genug ist - wieso sollten wir diese Einstellung dann nicht übernehmen? Denn neben dem Fakt, dass wir wissen, daß wir gut genug sind, denkt das auch Shane. Und das genügt mir vollkommen. Nebenbei: Fi*kt die Neider, wie ein altes Dubliner Sprichwort sagt, dass mir meine Großmutter beigebracht hatte.
“Sod 'em & Begorrah” ist euer viertes(?) Album. Ihr seid also schon ne ganze Weile im Geschäft?
Es ist unsere dritte Platte und wir sind seit 1997 (ziemlich die gleiche Zeit, in der sich die DROPKICKS und die MOLLIES gründeten) dabei. Es gibt also einen ziemlich coolen Zusammenhang zwischen den Bands, die sich in London und den USA als Punkrockbands gründeten, alle unabhängig von einander aber zur selben Zeit. Es ist ein bisschen wie 1976, nicht wahr?
Gewöhnlicher Weise meinen Bands immer, dass ihre letzte Platte die beste sei. Seht Ihr das auch so?
Ja, natürlich ist das so. Es ist die bessere Variante unseres ersten Studioalbums. Es hat einen geilen Titel und ein ebenso geiles Cover, die ganzen Lyrics, Photos und anderen Kram in dem besten und interessantesten Package, das wir wollten. Und jeder spielt und singt sich die Seele aus dem Leib. Es ist eine Menge Seele und Spirit rübergekommen als wir die Platte fertig gemixt hatten und als die letzten Klänge von „I'll take me back“ verklangen stand ich auf und salutierte vor der der versammelten Mannschaft mit Tränen vor Stolz, die meine Wangen hinab rannen. Wir sind eine Truppe verrückter, sentimentaler Witzbolde, aber das macht nichts. Das Album kommt dem, wie wir klingen wollen am nächsten und verdammt noch mal, es rockt!
Was bedeutet “Sod'em & Begorrah!” und wieso ist das der Titel eures neuen Albums?
Ich hatte eine ganze Menge guter (die anderen werden vielleicht später Albumtitel, Songtitel oder landen in Lyrics oder auf T-Shirts) und ein paar schlechtere. Wir gingen alle durch und dieser wurde es dann. Es fasst die Band zusammen: ein verrückter Dubliner Nickname für irischen Punkrock, der alle durchnässen soll und Begorrah! (Hollywood Irish) und gleichzeitig ist es ein respektloses Wortspiel auf Sodom und Gomorrah aus der Bibel.
Es ist eure zweite Veröffentlichung auf dem Berliner Bad Dog – Label. Wie kam der Kontakt zustande und wie zufrieden seid ihr damit?
Stimmt, unsere zweite Veröffentlichung. Wir sind über Marc, unserem Booker bei M.A.D. in Berlin in Kontakt gekommen. Ich denke, dass es ganz hilfreich war, dass uns die DROPKICK MURPHYS letztes Jahr gefragt hatten, ob wir nicht ihre Deutschland-Tournee supporten möchten. Und bei Bad Dog ist es spitze. Ich würde hier nicht sitzen, wären sie nicht gewesen und wir hätte definitiv nicht unsere besten zwei Alben herausbringen können. Sie haben uns auch sehr geholfen, als unser alter Bus letztes Jahr in Berlin abkratzte – obwohl sie sich darum gar nicht hätten kümmern müssen. Sie haben uns absolut künstlerische Freiheit gelassen und wir konnten unsere Vorstellungen rauslassen und unsere Träume verwirklichen, wenn man es so nimmt. (z.B. das 16-farbige Booklet für „Sod'em…“) Es ist gut zu wissen, dass sie so großes Vertrauen in uns haben. Das gleiche gilt für M.A.D., die waren ebenfalls goßartig.
Ok, euer Label sitzt in Berlin, aber wann werdet ihr wieder in Berlin spielen?
Wir kommen im Januar zurück und spielen dann auf dem Punk & Disorderly Festival (20. – 23. Januar in Berlin und werden für zwei bis drei Wochen in Deutschland, Holland, Österreich, Schweiz und Italien touren. Ich weiß noch nicht genau, wann das sein wird, aber man kann unter www.mad-tourbooking.de, www.coretexrecords.com , auf unserer Homepage www.neck-neck.freeserve.co.uk oder bei www.shitenonions.com nachschauen, wann es losgeht.
Danke schön für das Interview. Habt ihr noch ein paar Worte für eure deutschen Fans?
Ja, wir können es nicht erwarten, wieder für euch zu spielen. Wir haben das Gefühl, dass wir ganz gut eingeschlagen sind bei euch und fühlten uns immer sehr willkommen. Es ist schon großartig, wenn du den ganzen Weg von London nach Berlin fährst und dann vor einem Publikum stehst wie letztes Jahr, als wir in Berlin waren. Die hatten eine Riesenparty, trugen unsere T-Shirts und sangen bei unseren Songs mit – es war Wahnsinn! Auf unserem letzten Deutschland-Gig (With Full Force Festival) sind 5.000 Durchgeknallte an einer Samstagnacht verrückt geworden! In einem Zelt! Wir versprechen: Wir machen die Party!