18 Jahre liegen zwischen "Schweineherbst" (1994) und "Sich fügen heisst lügen" (2012). Und dennoch spürt man beim Hören keine Lücke. Da ist keine Distanz, kein Break, nichts was in der langen Zeit Sound und Texte zu verwässern vermochte. „Sich fügen heisst lügen“ ist ein reifes Album. Textlich überragend. Scharfsinnig, pointiert und radikal in der Aussage. Auf "Sich fügen heisst lügen" befinden sich keine eigenen Texte. Man greift ausschließlich auf Werke des alten Anarchisten Erich Mühsam zurück. Ein ungewöhnlicher Schritt, der Sprengstoff birgt und polarisiert. Ich persönlich finde es ehrlich und konsequent auf externe Texte zurückzugreifen, wenn einem selbst keine einfallen. Denn eigene Texte sind nicht immer gleichzusetzen mit guten Texten. Das beweisen uns viele Bands, die ihre eigenen Texte besser nie veröffentlicht hätten. Man kann es als Zeichen von Schwäche werten, keine Frage. Man kann es aber auch als Stärke auslegen aus dieser Erkenntnis die richtigen Schlüsse gezogen und clever gehandelt zu haben. Die Texte thematisieren die Unterdrückung des Volkes und die Gier der Reichen, die schamlos stehlen und dafür noch geehrt und geachtet werden. Es gilt Ketten zu sprengen und Fesseln zu lösen, immer auf der Suche nach Freiheit, nach der sozialen Revolution. Das ist das zentrale Thema. Anfang des letzten Jahrhunderts wie auch heute. "Rebellen" ist ein absoluter Hit. Mit seinem Reggae-Part ein bisschen wie "Deutschland muss sterben", dazu eine DEAD KENNEDYS ähnliche Gitarre und der Ausruf "Rebellen!", der im Ohr bleibt. Der sperrige, düstere Song "Bett aus Lehm und Jauche" ist die legitime Fortsetzung von "Der Tod ist ein Meister aus Deutschland" als Antikriegslied. "Sich fügen heisst lügen" und "Seenot" sind schnelle Punksongs. Gradlinig, unbeirrbar. "Das ist sie Seenot auf den Narrenschiff, wo Gier und Habsucht am Ruder stehen. Die Musik spielt auf zum Totentanz, wenn die Bänker über Leichen gehen". "Revoluzzer" hat einen überragenden Text. Er war seinerzeit der SPD gewidmet für ihre Halbherzigkeit, Feigheit und ihren Verrat. Manche Texte klingen für heutige Ohren etwas antiquiert. Abgesehen von den meisten Refrains sind sie nicht gerade eingängig. Wer mitsingen möchte, braucht ein gutes Gedächnis. Ein "Trinklied" in der Tradition von "Karlsquell" und dem "1,7 Promille Blues" gibt es aber auch. Erich Mühsam war sicher kein Kostverächter, das wird hier klar. Musikalisch würde ich es zwischen dem zielgerichteten, geradlinigen Punk von „Schweineherbst“ und der tiefer gehenden, facettenreichen Art von „Viva la muerte“ einordnen. Es ist ein Album, dass der aktuellen Band und ihrer Entwicklung absolut würdig ist. Man nimmt SLIME ab, dass dies zu 100% die Musik ist, die aus ihren Herzen kommt. Und gleichzeitig wird sie den Menschen gefallen, die SLIME lieben. Niemand muss sich für diese Platte verbiegen. Eine klassische Win/Win Situation.
Die Scheibe erscheint am 15.6., aber ihr könnt sie im Plastic Bomb Shop jetzt schon vorbestellen, und zwar in 4 Versionen: jeweils als 'normale' LP (plus MP3) oder CD, als limitierte CD + Patch + 4 Bonustracks oder als limitierte Doppel-LP mit 4 Bonustracks + MP3.