Lange hat es gedauert, zulange. Erst hatte die Band keine Zeit und dann fehlte mir die Zeit das ganze Rund zu machen. Eigentlich war das ganze schon 2020 zum 25. Jährigen Band Geburtstag geplant und auch als Rückblick auf fast 40 Jahre Punk in der Oderstadt gedacht. Nun pünktlich zum Osterfest 2023 ist es endlich soweit, nach dem Review zum neuen Album der Bockwurschtbude Ende letzten Jahres, hier das Interview mit den Jungs aus Frankfurt (Oder).
Vorhang auf für: Mikro Mostrich (MO), Riggø Rübe (RR), Andie Agave (AA), Mieschka Mayonaise (MI).
1. Mit der Gründung von Biox Ultra 1981 fing in Frankfurt (Oder) vor 42 Jahren in Sachen Punk alles an. Wie blickt ihr als prägender Teil der Frankfurter Punkszene auf die letzten 42 Jahre zurück?
MI: Ich kann für meinen Teil jetzt nur für die letzten knapp 30 Jahre sprechen. Sind wir prägender Teil? Ich weiß nicht. Auf jeden Fall sind wir alle älter geworden. Haha. BIOX ULTRA sagte mir bis jetzt gar nichts. Wir haben uns Mitte / Ende der 90er - inspiriert vom SICHER GIBT ES BESSERE ZEITEN-Sampler - auf die Spurensuche Mitgliedern von PAPIERKRIEG gemacht und haben, glaube ich, den/einen Gitarristen ausfindig machen können. Ansonsten sind wir noch immer Teil einer überalterten Jugendkultur und machen weiterhin unser Ding.
2. Wie haben euch DDR Punk Bands wie Antitrott, Papierkrieg etc. beeinflusst?
MI: Na eigentlich nur durch die schon eben erwähnte Samplerreihe. Berührungspunkte gab es nicht wirklich viele. Ein paar ältere Leute aus der "Göre" haben wir vielleicht noch kennengelernt. Aber eigentlich auch nicht so wirklich.
3. Wie haben sich Clubs wie die Grotte, Le Frosch, Mufa/Kufa, das Backdoor, das Mikado und die Garage auf die Entwicklung von Punk in ffo ausgewirkt?
MI: Na sie haben immerhin kulturellen Freiraum anbieten können. Egal, ob es sich jetzt um die Möglichkeit gehandelt hat, Live aufzutreten, zu proben oder einfach nur abzuhängen. Das war schon sehr wichtig. Für alle Beteiligten war das auch eine Art Spielwiese. Einige prägende Köpfe hinter den Kulissen waren und sind auch später erfolgreich in ihrem unterwegs.
4. Welchen Einfluss hatten und haben Berlin und Städte im Land Brandenburg und Slubice auf die Entwicklung in Frankfurt (Oder)?
MI: Das kann ich gar nicht so beantworten. Wir haben damals erste Auftritte in Cottbus oder Eisenhüttenstadt gemacht und sind dort auch eher zu Konzerten hingefahren als z.B. Berlin. Das ist später erst mehr geworden. Ansonsten haben wir es uns in unserem kleinen beschaulichen Oderland gemütlich gemacht und entsprechende Erfahrungen von außerhalb in Örtlichkeiten wie den eben genannten implementiert.
5. Euch selbst gibt es als Band bereits seit 27 Jahren. Was waren eure größten Momente als Band?
RR: Für mich der Gig in Cottbus mit TOXOPLASMA und zu beobachten, wie wir als Menschen immer mehr zusammenwachsen.
MM: Ach, da jetzt ein Highlight herauszuheben ist jetzt gar nicht so einfach. Mein Ziel war es damals, ´ne Vinylplatte rauszubringen und 50 Konzerte zu spielen. Das haben wir längst hinter uns, von daher ist alles, was jetzt noch kommt ein Bonus. Und hey, wir waren sogar im Fernsehen. Haha. Mit RAINALD GREBE bei der Brandenburg-Schau (Danke Heike!). Als Gage gab es ne Kiste Bier.
6. Wie hat sich Corona auf euch ausgewirkt?
RR: Corona war für uns, wie für alle anderen eine harte Zeit. Keine Konzerte, Besetzungswechsel und eine schwierige Organisation der Proben/Aufnahmen. Das hat uns allen schon ne Menge abverlangt. Wir waren ja mitten drin in den Aufnahmen.
MI: Wir als kleine Band sind ja auch nur Teil einer Subkultur, die wiederum ein Spiegelbild der Gesellschaft ist. Im Großen wie im Kleinen gibt es da unterschiedliche Ansichten, Wahrnehmungen und Brüche. Davon sind wir aber im Großen und Ganzen verschont geblieben.
7. Wenn ihr auf eure Songs zurückblickt, welche sind die drei wichtigsten?
MI: Für mich sind alle irgendwie wichtig bzw. haben sie ihre Berechtigung, weil Sie immer in einer bestimmten Situation entstanden sind. Nimmt man jedoch Konzerterfahrungen, Spotify-Rankings und Songs zur Hilfe, auf die man angesprochen wird. Sind das wohl 5 Minuten, Nie gedacht und Oi!kalyptusbonbon.
8. Singt ihr über Probleme und übt Kritik an der Gesellschaft, um Dampf abzulassen oder weil ihr auch denkt, ihr könnt mit euren Texten etwas verändern?
MI: Keine Ahnung, ob wir wirklich mit unserer Musik und den dazugehörigen Texten etwas verändern konnten oder können. Wir bewegen uns ja mit den Leuten, die unsere Musik hören ja doch eher in einer Bubble, wie man heute so unschön sagt, wo man recht ähnlich tickt und denkt. Aber wer weiß, vielleicht hilft es einen zur eigenen Bestätigung oder ein Thema doch mal von einem anderen Punkt aus zu betrachten.
RR: In erster Linie geht es wohl darum, den ganzen Müll den man wahrnimmt. aus dem Kopf zu bekommen, also Dampf abzulassen. Es sind ja nur Beobachtungen und Eindrücke unserer Gesellschaft. Sicher wären es schön, den ein oder anderen zum Denken anzuregen aber Veränderungen können ja nur aus einem selbst kommen.
9. Als sich BW 1995 gegründet haben, war Frankfurt (Oder) mitten in den Wirrungen und Brüchen nach dem Niedergang der DDR. Wie blickt ihr auf die Zeit zurück und was aus dieser Zeit hat euch geprägt?
MI: Die Freiheit, die man damals hatte, sich auszuleben und Erfahrungen zu sammeln waren schon sehr prägend. Das nutzt uns zum Teil bis heute. Da war so vieles neu und möglich, das kann man sich kaum noch vorstellen. Da bin ich schon froh, das miterlebt zu haben. Und das heute auch mal im Vergleich gegenüberzustellen. Zu wissen, das Einiges auch anders möglich ist. Das fehlt mir manchmal.
10. Was würdet ihr als Band jungen Menschen, die heute Punks werden und eine Punkband gründen, mit auf den Weg geben?
RR: Lasst die Finger davon :)))!
MI: Genau! Lernt etwas Anständiges!
11. Zum neuen Album. Eine Frage die sich zur Bockwurscht immer stellt: Senf oder Ketchup?
RR: Rosenkohl.
MI: Immer beides. Schön zusammengemixt!
12. Bei Frankfurter Punkbands ist zu beobachten, dass es immer knapp 10 Jahre dauert, bis der Hörerschaft ein ordentliches Menü Punkrock Classic über die Theke geschoben wird. Ist das die berühmte Frankfurter Schule?
RR: Fast Food vs. Sterneküche. Ein gutes Menü braucht Zeit.
MI: Wahrscheinlich. Aber keine Ahnung woran das liegt. Ist mir so auch bisher noch nicht aufgefallen. Irgendwas kommt eben immer dazwischen. In diesem Fall waren es ein Kreativitätsblockade, ein Bassistenwechsel, Corona, ein Festplattenabsturz, eine nicht so einfach zu bedienende Aufnahmesoftware, Lebensumstände usw. Auch relativ in dieser Reiehenfolge.
13. Sippenhaft ist ein sehr ernstes und gesellschaftskritisches Album, wie weit weg seid ihr tatsächlich vom „Schunkel-Deutschpunk" der ersten Jahre eures Bestehens?
MI: Hallo? Schunkel-Deutschpunk? Ich bitte Dich. Aber ja, wir haben jetzt schon von vielen Seiten gehört, dass das Album etwas ernsthafter wirkt. Dann stimmt das wohl auch so. Aber das hat sich so entwickelt. Es ist aber auch nicht so, dass wir in der Vergangenheit keine ernsten Texte hatten. Und abseits der Musik blödeln wir auch noch eine Menge rum. Aber wahrscheinlich sind das die aktuellen Zeiten, die einen sowohl als Band als auch als Hörer beeinflussen.