Am 8.08.2003 machten wir uns auf ins schöne Bayernländle um uns mit den Aggropoppern der Berliner Punkrockszene, der Terrorgruppe, zu treffen. Anlässlich ihres 10-jährigen Bestehens wurde es auch Zeit für diese Begegnung der besondern Art. Nach sengender Hitze und triefendem Nass traf man sich in den Abendstunden um alte Fragen zu klären und Neues zu erfahren. Was wir alles erfahren haben, könnt ihr in den nächsten paar Zeilen nachlesen. Viel Spaß dabei!
Hallo, zuerst würde ich gern mal einen Rückblick von euch auf die letzen zehn Jahre haben.
Johnny: Oh, da können wir jetzt ja eine Stunde erzählen!
Archie: Das lustige ist, dass es alles hammer-schnell ging. Wir haben uns 2001 nach unserer Record-Release-Party von unserer Live-Platte „Blechdose“ mit einem Berliner Veranstalter unterhalten und der meinte, ob wir nicht mal was dickes in der Columbia Halle machen wollen. Und da meinte ich, naja, im Grunde genommen sind wir ja jetzt 9 Jahre alt...
Johnny: ...da machen wir halt unser 10-Jahres-Festival da.
Archie: Und dann sind wir eigentlich tierisch erschrocken, dass alles so schnell ging. Die Band ging ja `93 los und war ein Projekt, was eher als Hobby-Ding angelegt war, um ab und zu mal Texte zu schreiben und lustig rum zu musizieren. Wir hatten ja auch nie richtig Musiker gesucht. Das waren alles unsere Kumpels und es war uns auch egal ob die jetzt spielen konnten oder nicht. Unser erster Basser war grandios Scheiße. Den mußte man bei den Aufnahmen immer verstecken oder wenn er aus dem Studio war, hab` ich den Bass nochmal nachgespielt. Und dann ging das relativ flott los mit uns. Wir hatten ja auch niemals gedacht, dass wir jemals einen Plattenvertrag kriegen und dann richtig viele Platten rausbringen. Aber die ersten Singles, die wir selber produziert haben, haben sich so gut verkauft, dass wir dann plötzlich mittendrin waren im Geschehen. Und dann haben wir eine Platte nach der anderen gemacht und sind wie die Irren getourt. 2000 hatten wir dann 500 Gigs zusammen.
Aber das macht euch ja auch aus, dass ihr so viel auf Tour seid...
Johnny: Das war nie so beabsichtigt, wir sind da so rein gerutscht...(grins)
Archie: Wir haben immer gewartet bis uns einer anruft, der uns unbedingt haben wollte. Und das wurde immer mehr, immer mehr, immer mehr und 2000 hatten wir dann plötzlich schon das 5. Album draußen.
Johnny: Ich wollte ja `93 auch eigentlich Bank-Kaufmann werden oder Versicherungs-Vertreter. Aber ich hatte dann falsche Freunde und bin da irgendwie so rein gerutscht. Die meinten dann immer so, mach doch Punk-Lehre, werd Punk-Musiker. Und jetzt häng ich da halt so drin.
Am sechsten Oktober kommt eure neue Platte raus. Ihr habt diesmal ja ziemlich lange gebraucht, die Platte rauszubringen. Woran lag das?
Johnny: Wir waren diesmal nicht 30 Tage am Stück im Studio, wie das Bands manchmal so machen. Sondern wir haben getourt, dann haben wir nach der Tour wieder ein paar Lieder geschrieben, dann haben wir die sofort aufgenommen, so wie man eine Single aufnimmt. Dann waren wir wieder auf Tour, haben wieder eine Pause gemacht und so haben sich die Aufnahmen für das Album anderthalb Jahre hingezogen. Wir haben letztes Jahr im April angefangen mit den allerersten Aufnahmen und dieses Jahr Anfang Juli waren wir fertig mit abmischen.
Archie: Wir haben alles mit unserem damaligen Produzenten von der „Musik für Arschlöcher“ aufgenommen. Und es war im Grunde genommen die selbe Art und Weise, wie wir unsere erste Platte aufgenommen haben. Wir wollten es auch mal wieder so machen, weil man mehr Zeit hat über Lieder nach zu denken und sich zu fragen, passt das und ist das gut. Man muss aber sehr diszipliniert sein, weil man sonst manchmal kein Ende findet.
Johnny: Man kann nach all zu langer Zeit, wenn man die Lieder so oft gehört hat, nicht mehr einschätzen, ob das wirklich gut ist oder ob wir Scheiße gebaut haben. Aber das wird sich ja dann spätestens im Oktober raus stellen.
Heißt es, dass man Veränderungen auf der Platte erwarten kann?
Steve: Immer, the same but different.
Archie: Ich glaube es ist ein guter Rückblick auf die 10 Jahre, aber es ist auch etwas neues dabei. Wir haben versucht einen Rundumschlag zu machen.
Was mich noch persönlich interessiert ist, warum ihr damals von Epitaph weg gegangen seid und euer eigenes Label gegründet habt?
Johnny: Das war so, dass sie von vorn herein gesagt haben, das Live-Album wollen sie nicht machen. Das sollen wir selber machen. Und da haben wir gesagt, ok, machen wir. Wir haben das auf unserem eigenen Label gemacht, was so gut lief, dass wir gesagt haben, wir sind ja eigentlich viel, viel besser. Epitaph hat dann auch signalisiert, dass sie kein neues Studio-Album machen wollen und da haben wir gesagt, okay, läuft auf dem eigenen Label ja eh besser.
Das erste Album auf eurem Label war ein Live-Album. Und eigentlich sagt man ja, Live-Alben und Best-Of-Alben sind dafür da, Kohle zu scheffeln.
Archie: Sagt man, das ist auch wahr, und bei den meisten Bands ist das auch wirklich so der Fall.
Johnny: Bei uns kann man`s aber nicht sagen, weil wir die Hälfte der Kohle für die sündhaft teure Blechdosen-Verpackung weg geworfen haben.
Archie: Wir haben zwar sehr gut verkauft und manche Bands beneiden uns dafür, aber wir sind nicht reich geworden damit, weil diese Blechdose so teuer war. Der Hintergrund war ja auch, ein Live-Album zu machen, wie die Live-Alben, die wir so gut finden, wie z. B. „ZK- Leichen pflasterten ihren Weg“...
Johnny: „Decline of Western civilization“, ein kalifornischer Punk-Sampler; „Live at the Roxy“ oder natürlich die alten klassischen 60`er und 70`er Jahre Rock-Alben von Kiss über Stones oder The Who....
Archie: Das waren tierisch gute Live-Alben und wenn man die gehört hat, konnte man sich die Studio-Sachen kaum noch anhören, weil die einfach so trocken waren.
Ihr habt ja auch wirklich gute Kritiken dafür bekommen.
Archie: Ja, wir haben uns ja auch angestrengt! Und es war glaube ich auch ein gutes Konzept.
Steve: Aber auch den Fans haben wir einen Gefallen getan, weil wir öfter zu Ohren bekommen haben, doch mal ein Live-Album zu machen.
Auf dem Label habt ihr ja sicherlich auch noch andere Bands. Habt ihr euch da jetzt regional/ national beschränkt ?
Johnny: Also das Label Aggropop hat bisher außer Terrorgruppe-Veröffentlichungen und dem Sampler nur The Movement gemacht. Die hat Archie produziert. Das war eine Band, bei der Archie und ich zufälligerweise an einem Abend im selben Club waren und uns die angeguckt und gesagt haben, super, das isses, die machen wir.
Archie: Wir wußten ja da noch gar nicht, dass die bei uns rauskommen sollten. Wir haben die gesehen und waren völlig hin und weg und da ruft mich mein Freund, der Erem Schwarz aus Kopenhagen, zwei Tage nach diesem Gig an und meinte, er hätte da so`ne Band, die da The Movement heißen. Und ich so: Ja, wirklich? Die habe ich gerade vor zwei Tagen gesehen und war völlig fasziniert von der Truppe. Wir haben denen das dann vorgeschlagen, die waren auch sofort dabei und dann haben wir drei Monate lang die Band produziert in Kopenhagen. Ich hab das dann Jacho, unserem Über-Chef von Destiny-Records, gegeben, der ja für das Marketing zuständig ist und dann haben wir die Platte rausgebracht. Ja, das ist `ne geile Band und wenn man so ein kleines Label hat, das ist ja nur ein Micro-Label, was wir da haben, ist man natürlich stolz, wenn man dann so eine Band hat. Das ist schon ein guter Anfang. Ich glaube wir werden jetzt sehr wählerisch, aber das ist auch gar nicht so schlecht.
Habt ihr schon andere Bands im Blickfeld?
Archie: Wir kriegen gerade sehr viele Angebote und viele Leute interessieren sich natürlich auch dafür, weil sie auch wissen, dass wir die Sachen von der Bandsicht aus sehr liebevoll behandeln. So eine Festlegung muss schon Hand und Fuß haben bei uns....
Johnny: Siehe den „Aggropop Now“ Sampler, wo ja ein Jahr lang Arbeit drin steckt.
Wirft das Label schon Kohle ab oder müßt ihr noch mehr rein stecken, als ihr raus bekommt?
Archie: Wir haben einen guten Vertrieb, die Sachen verkaufen sich auch so, dass sich die Kosten decken ...
Johnny: ...aber die Abrechnung kommt erst im Dezember, vorher kann ich noch gar nichts sagen.
Archie: Aber letztendlich sind wir immer noch eine Band. Wir müssen uns nur immer eine Plattform schaffen, auf der wir agieren können. Und wir haben gemerkt, dass es seit fünf Jahren mit anderen Labels nicht klappt. Wir hatten damals mit der Metronorm und Gringo-Records ein cooles Packet. Wir hatten Leute, die haben uns richtig geholfen haben und verstanden, was wir machen. Und das hat alles prima funktioniert, obwohl das ein Major-Label war. Bis die halt zu machen mußten. Und hinterher haben wir nur Scheiße erlebt. Dumme Product-Manager, die alle nur Zeit-Soldaten waren und amerikanische Labels, die nur ihren amerikanischen Bands Prioritäts-Standards geben und eher überhaupt nicht verstehen, was wir wollen.
Johnny: Speziell zu der Zeit, als Gringo-Records bei Intercor war und der Verantwortliche uns da ernsthaft eine Mallorca-DJ-Promotion rein drücken wollte. Dafür wollte er 100.000 Mark spendieren aber uns hat er keine 5000 Mark für Aufkleber oder Poster gegeben.
Archie: Und jetzt haben wir da wieder eine Plattform, wo wir das so machen können, wie wir das wollen.
Johnny: Zu Epitaph ist zu sagen, dass wir da ein super-geiles, verständnisvolles Team hatten. Aber dieses Team konnte da auch nicht immer alles durchsetzen, was sie wollten. Das war speziell im Herbst 2000 so, als der Film „Oi! Warning“ raus kam, wo sie die Filmmusik gemacht hatten. Da kam gar nichts mehr vom Label, wenn wir die nicht einen Monat darauf hingewiesen haben, macht mal die Single. Und als dann die Freigabe für das Live-Album kam, haben wir gesagt, yeah.
Habt ihr vor, aus dem Aggropop-Samplere eine Art Reihe zu machen oder ist es das Special-Geschenk für die Fans?
Johnny: Eine Reihe Aggropop-Sampler - nee. Der heißt dann wieder anders.
Archie: So Reihen finde ich auch immer Scheiße. Das finde ich auch bei Filmen Scheiße. Hulk1, Hulk 2.
Johnny: Der nächste heißt dann „Platoon-Pop“...
Steve: ...oder „Aggropop Yesterday“...
Johnny: ...oder „Rambo 4“
Archie: Aber es kann schon sein, dass wir wieder eine Sampler machen, weil wir auch viele Bands vergessen hatten.
Johnny: Das wird dann aber wieder was anderes. Ein anderes Thema oder so. Was z.B. ein Traum von mir ist, ist, man gibt einer Band einen Text, den gleichen Text meinetwegen auch in Englisch, Deutsch, Französisch, Italienisch, und nur eine Akkord-Progression. Das ist die Strophe, das ist der Refrain. Und jetzt macht was. Und das dann auf eine Platte bringen.
Ihr tourt ja demnächst. Werdet ihr euch da wieder auf kleine Clubs beschränken oder wollt ihr durch die Columbia-Halle jetzt in größere Clubs?
Archie: Das geht schon wieder alles in die 500er Clubs. Die Columbia-Halle war auch eine einmalige Sache und auf diesem Level das alles zu machen ist schon unglaublich anstrengend. Da mußten wir große Vorarbeit leisten. Da müßten wir schon unser Team extrem vergrößern und die Chart ein paar Monate aufräumen. Auf der anderen Seite ist es glaube ich auch nicht das, was uns dann besser macht. Wir sind nicht die Big-Show Typen. In so einem 500er Club sind wir schon ganz gut aufgehoben.
Es wird eine ausführliche Tour durch Deutschland, Österreich, Schweiz, die geht bis Dezember und dann noch ein bisschen was im Januar und dann hoffe ich, dass wir überall gespielt haben, wo die Leute uns sehen wollten.
Was war die schönste Show, bis auf die Columbia-Halle?
Johnny: Ganz klar. Brasilien. Principe-Festival oder eine Show in so einem kleinen Club in Sao Paolo oder Cuichiva.
Und die schönsten weiblichen Fans?
Archie: Na auch Brasilien. Das Problem ist bloß immer, dass man die am nächsten Morgen dann immer nie sieht, gell Slash? (allgemeines Lachen)
Johnny: Da müßt ihr den Slash fragen.
Archie: Ja, die schönsten weiblichen Fans gibt’s schon in Brasilien, leider. Obwohl, wir sind da jetzt nicht so selektiv unterwegs.
Ihr nehmt alles was da kommt...(Lachen)
Archie: Nee, wenn man die von der Bühne anguckt, meine ich. Ich ordne mein Publikum nicht in hübsch oder scheiße aussehend ein. Ich freu mich wenn die Spaß haben.
Gut dann wars das, danke.
Archie: Danke auch, war schön mit euch.
Zwei Stunden nach dem Interview beglückten uns die Terrorgruppe noch mit ihrem Auftritt auf der Zeltbühne. Was soll man dazu sagen? Wer die Terrorgruppe noch nie gesehen hat, dem sei gesagt, da hat er was verpasst und sollte das schleunigst nachholen. Gutgelaunt boten die vier einen Mix vom ersten veröffentlichten Album bis hin zur Vorstellung der neuen Single „Angela“, die demnächst auf der neuen Platte „Fundamental“ erscheint. Klangmäßig haben sie auf jeden Fall durch ihre abwechslungsreiche Mischung aus Punkrock, Ska- und Reggeaelementen nicht nur uns, sondern auch die bayrischen Festivalbesucher überzeugt. Die Stimmung zündete also wie die Rakete in Archies A…. am Ende des Auftritts.
Leider sind die Zeitvorgaben bei Festivals immer ziemlich strikt festgelegt, deshalb gabs auch nur eine Zugabe und die Band verließ die Bühne, trotz des Protests des Publikums.
Alles in allem wars es doch einer der besten Auftritte die man beim Taubertal-Festival zu sehen bekam. Alle diejenigen, die die Terrorgruppe in diesem Jahr noch live erleben wollen, sollten sich schleunigst auf die offizielle Homepage www.terrorgruppe.com begeben und die Dates der demnächst beginnenden Tour im Herbst auskundschaften.
Autor: Jana