Drachenmädchen #10

Sie sind hier

Als mir unser Blätterwald Chefredakteur Mieschka Mitte November die Drachenmädchen Jubiläumsausgabe mit einem leicht süffisanten Lächeln und der Frage „Schaffst du die Review bis Nikolaus?“ überreichte, schien mir letztere noch von rein rhetorischer Art zu sein. Mein proletarisch anbiederndes, dröhnendes Gelächter sollte mir aber bald im Halse stecken bleiben…

Wieder einmal war ich auf das betont unschuldig daherkommende Heft hereingefallen. Erst jetzt, mehr als einen Monat später, ist es mir halbwegs möglich, meine Eindrücke in die Tastatur zu hämmern. Lassen Sie mich resümierend feststellen: Das Drachenmädchen ist nicht von schlechten Eltern. Wer würde auch bei vollem Bewusstsein leichtfertig über ein Paar ausgewachsene Drachen herziehen, wenn ich mir diesen (zugegeben schlechten) Kalauer an dieser Stelle erlauben darf. Nein, dieses Heft ist immer wieder dazu gut gewesen, meinen leider immer noch als beschränkt zu bezeichnenden Erfahrungshorizont was Fanzines angeht, zu erweitern und mir eine Ahnung davon zu vermitteln, was noch so alles möglich ist jenseits des garantiert subjektiven Musikjournalismus(es). Es hat zwar eine ganze Weile seit der letzten Ausgabe gedauert, aber immerhin bewahrheiteten sich die schlimmsten Befürchtungen vieler treuer Leser (hallo Mieschka) nicht, und die eigens von uns bestellte Trauerfeier konnte gerade noch abgesagt werden, bevor die horrende Freibier-Rechnung auch das Voice of Culture in den finanziellen Ruin getrieben hätte. Aber zurück zum Thema: Das Drachenmädchen #10 ist meiner Ansicht nach im Vergleich zu Vorgängerausgaben noch stärker literarisch orientiert, was die Themenauswahl und vor allem den Inhalt seiner Beiträge angeht. Das lag dieses Mal vielleicht auch ein wenig an der enormen Zahl von Gastschreibern, die alle ihren Senf zu der 87 Seiten starken Jubiläumsausgabe dazugeben wollten. Heraus kam eine äußerst deliziöse Würstchenschlacht, die mir die letzten Wochen das Wasser im Mund zusammenlaufen lies. Ich möchte jetzt aber nicht weiter darauf eingehen, wie viele Menschen sich über mein öffentliches Gesabber in der U-Bahn beschwerten, sondern vielmehr dem noch unentschlossenen potentiellen Leser ein paar Inhaltstips an die Hand geben. Besonders gut haben mir die Texte zu Mark Fiore, einem sehr coolen amerikanischen Politik-Satire-Comic-Zeichner und zum Buch/CD Projekt „I can’t relax in Deutschland“ gefallen. Die kritische Stellungsnahme zu dem vor kurzer Zeit mal wieder krassierenden „Wir-sind-wieder-wer-in-Deustchland-Habitus“ sprach mir soz. persönlich aus der Seele. Was die eher literarischen Beiträge angeht, so kann ich mit Fug und Recht behaupten, dass ich fein unterhalten durch die Seiten flanierte. Trotzdem hätte ich mir ab und zu gewünscht, aus dem großstädtischen Strudel von Desillusionierung und Wahnsinn herausgelassen zu werden. Die Texte sind fast ausnahmslos klasse, keine Frage, andererseits überschaudert mich gerade in der auch in Berlin betonierten Kälte der Großstadt ab und zu das Gefühl, unsere Generation könne die Freude verlernt haben. Natürlich zwingt die Einsamkeit nach einer erlittenen Trennung den Autor viel eher an den Schreibtisch als die Sensation einer neuen Liebe, aber ein bisschen weniger Verzweiflung hätte mir ab und zu schon gut getan. Das ist natürlich jetzt Geschmackssache, aber ich stelle mich lieber mit Dr. Nolte applaudierend ans Fenster und mache mich wie Timmi über Trolley-Koffer lustig, als dass ich mir zum tausendsten Mal die erschütternde Frage nach dem Sinn des Lebens stelle. Für die Antwort auf eine ganz andere Frage möchte ich herzlich Mr. Busy Beatman danken, der mir endlich erklären konnte, wie die vielen einzelnen Schuhe auf die Standstreifen der bundesdeutschen Autobahnen kamen. Bevor ich jetzt aber sämtliche redaktionellen Grenzen sprenge und aus meiner Review eine Monographie wird, möchte ich noch kurz das gewohnt herrliche Layout loben, auch wenn mir nicht ganz einleuchtet, warum bei einem A5-Querformat, einige Texte im unpraktischen 90 Grad Winkel zur eigentlichen Les-Richtung gesetzt werden mussten. Alles in Allem: Hut ab vor der kreativen Kraft und dem künstlerischen Konzept des Drachenmädchens und dass Du mir ja nicht wegstirbst bis zur nächsten Ausgabe.

Übrigens kann man sich auf der My Ruin Homepage das Drachenmädchen auch kostenlos als PDF herunterladen. Großes Lob dafür!

My Ruin
Postfach 3107
49021 Osnabrück
Mail: magazin(at)myruin.de
87 S. A5
2,00 €