Nach einigem Hin und Her, ewigem Warten und ständigem Nachfragen bekam ich nach dem Konzert von Karamelo Santo in der Alten Kantine doch noch mein Interview mit dem Sänger. Ein fettes Lob an den absolut überforderten Tourmanager, der es gar nicht auf die Reihe bekam, irgend eine passende Zeit bzw. einen vernünftigen Treffpunkt auszumachen, geschweige denn die Band zu informieren... Nachdem ich zwischendurch fast schon weggepennt war und überhaupt keine Lust mehr hatte, irgendwem wegen einem beschissenen Interview hinterher zu rennen, wurde das Gespräch mit Pedro von Karamelo Santo dann erstaunlicherweise doch noch sehr gut.
Euer zweites Album heißt “Perfectos Idiotas”, was auch der Name der Band war, in der einige von Euch spielten, bevor Karamelo Santo gegründet wurde.
Pedro: Ja, “Perfectos Idiotas” ist der Name einer der ersten Ska-Punk-Bands Mendozas, der Region aus der wir kommen. Als wir das zweite Album aufnahmen, beschlossen wir es “Perfectos Idiotas” zu nennen, als Tribut an die Band.
Im Jahr 2000 habt Ihr zusammen mit Manu Chao gespielt. Wie habt Ihr Euch kennen gelernt?
Pedro: Manu Chao machte zu der Zeit die Promotion-Tour für “Clandestino” in Argentinien. Also beschlossen wir, zu ihm zu gehen und ihm eine CD von uns zu geben. Doch er meinte: ”Hey, ihr braucht mir keine CD mehr von euch zu geben, die habe ich schon längst”. Dann haben wir uns zufällig abends auf einem Konzert wieder getroffen und er meinte, lasst uns woanders hingehen, weil ihn dort wo wir waren jeder kannte. Letztlich sind wir bei uns zu Hause gelandet, haben viel Wein getrunken und viel über unsere Heimat Mendoza gesprochen. Einige Wochen später hat er uns dann aus Spanien angerufen und gesagt, dass er sein Konzert für die Clandestino-Tour in Mendoza spielen und dass er uns als Vorband haben wolle. Daraus ist dann eine Freundschaft entstanden.
Und danach habt Ihr dann zusammen auf-genommen?
Pedro: Nach einigen Monaten ist er wiedergekommen, um in Buenos Aires zu spielen. Zu der Zeit waren wir gerade dabei, unser drittes Album “Los Guachos” aufzunehmen. Und eines Abends kam er nach dem Konzert bei uns vorbei und meinte: “Hey, ihr habt ja ein Studio hier. Lasst mich mal etwas hören.” Und er fing automatisch an, an der Platte zu produzieren und dann auch an einigen Stellen auf dem Album zu singen.
Was ist denn die genaue Bedeutung Eurer neuen Platte “Los Guachos”?
Pedro: “Los Guachos” ist im Spanischen jemand, der keine Wurzeln, niemanden und nichts hat. Es beschreibt ein Gefühl. Und dieses Gefühl hatten wir, als wir von Mendoza nach Buenos Aires umziehen mußten, weil wir unsere Familie, unsere Söhne, Frauen, Freunde und wunderschöne Orte zurück lassen mußten. Du mußt von einem Ort an einen anderen ziehen und hast das Gefühl, dein Herz dort gelassen zu haben. Du fühlst dich, als ob du deine Wurzeln verloren hast. Somit ist diese Platte ein Tribut an dieses Gefühl, das wir hatten, als wir nach Buenos Aires ziehen mußten.
Ihr habt Euer zweites Album bereits 1997 heraus gebracht. Warum hat es bis zu “Los Guachos” so lange gedauert?
Pedro: Zu der Zeit haben wir eine tolle Band supportet, Todos Tus Muertos. Wir haben viele Konzerte gespielt und waren viel auf Tour. Aber dann lösten sich zum einen Todos Tus Muertos auf und zum anderen hatten wir einige Probleme in der Band. Wir hatten sehr viel Material für die “Perfectos Idiotas”, aber nach zwei Jahren war es weniger als am Anfang. Dann verließen einige die Band und wir mußten von Null anfangen. Wir beschlossen ein neues Album aufzunehmen, “Los Guachos”, aber zu der Zeit hatten wir nicht das Geld dafür. In einem Studio aufzunehmen war einfach zu teuer. Also arbeiteten wir sehr hart und sehr viel, um uns Equipment für unser eigenes Studio zu kaufen.
Ihr nennt Euch selbst das Sprachrohr Mendozas. Welche Nachricht wollt ihr übermitteln?
Pedro: Was wir durch unsere Songs und Texte zeigen wollen, sind so etwas wie Postkarten von dem, was in unserer Gesellschaft passiert ist. Wie sprechen viel über Liebe, über die Ungerechtigkeit und die Fehler, die wir im System sehen. Aber der Punkt ist, das wir versuchen, es in Poesie zu fassen. Wir wollen, dass die Leute sich an uns erinnern weil wir Künstler sind und nicht, weil wir jemanden beleidigen: Politiker oder fucking cops. Scheiß Polizei! Sie verdienen das natürlich, aber wir sind trotzdem immer noch Künstler. In gewisser Weise sind wir das Sprachrohr, weil wir im System leben und darunter leiden, so wie das Volk, nur wir können es durch die Musik ausdrücken. Wir sind keine Millionäre, wir haben nichts und wir müssen jeden Tag kämpfen.
Inwiefern beeinflußt die politische und wirtschaftliche Lage Eure Musik?
Pedro: Es zeigt sich natürlich in den Texten und in den Schwierigkeiten, die wir haben, ein Konzert zu veranstalten oder eine CD zu verkaufen. Die Preise sind sehr gering, weil du sonst keine CDs verkaufen könntest, da Argentinien sehr arm ist. Es werden natürlich auch viele Raubkopien gemacht, aber wir lehnen das nicht ab. Wir verdienen unser Geld dadurch Konzerte zu spielen, und das ist in Ordnung.
Könnt Ihr in Argentinien von der Musik leben?
Pedro: Es ist sehr schwer. Der Punkt ist, dass wir nebenbei auch andere Sachen machen müssen, nicht nur spielen. Aber dank Gott, hat es alles etwas mit der Musik zu tun. Wie schon gesagt, wir haben jetzt ein Studio, wo viele neue, junge Bands aufnehmen, und das bringt uns Geld. Ich unterrichte auch, einige machen Straßenmusik. So können wir davon leben.
Karamelo Santo vermischt viele verschiedene Musikstile. Würdest Du sagen, Ihr seid eine der ersten Bands in Mendoza, die damit angefangen haben?
Pedro: Ich war nicht von Anfang an dabei. Karamelo Santo gibt es seit 10 Jahren und ich bin jetzt seit 7 Jahren dabei, aber ich war vorher schon ein Fan der Band. Aber damals waren sie die erste Band, die diese Art Musik gemacht hat. Wenn du jetzt nach Mendoza gehst, gibt es natürlich viele Bands, die Latino-Rock spielen und in Argentinien sowieso, aber in Mendoza waren sie die allererste Band, die damit angefangen hat.
Jetzt nur noch die letzte Frage: Was ist die Bedeutung von Karamelo Santo?
Pedro: Wir sind eine Gruppe von Freunden, die ihr zu Hause verlassen haben, weil sie einem Traum folgen wollten. Wir wollten durch die Musik wenigstens einen Teil der Welt kennen lernen. Dieser Traum ist wahr geworden und die Herausforderung besteht jetzt darin, diesen Traum aufrecht zu erhalten.
Danke, vielmals für dieses nette Gespräch.
Autor: Anne