Im idyllischen Taubertal im Frankenländle kam es zu einem Treffen zweier Berliner Fraktionen, wobei die eine bekannt dafür ist, Musik zu machen und die andere, sich mit Musik auseinander zu setzen. So auch bei diesem Interview mit Berlins Lokalpatrioten und Durchstürmern Seeed. Ein Interview, was leider etwas unter der all zu chilligen Atmosphäre des sich diesmal selbst übertreffenden V.I.P.-Zeltes litt, welches mit Kissen und Schichas ausstaffiert war und einfach nur zum Schlafen und Kiffen einlud.
Zuerst einmal würde ich gerne wissen, was denn in Budapest auf dem Sziget-Festival genau vorgefallen ist. Auf eurer website steht, dass ihr früh morgens immer noch vor der deutsch-tschechischen Grenze standet. Es sollte allerdings am Montag ein Ersatzkonzert geben, was dann auch nicht stattfand.
Jerome: Wir hatten eine Buspanne und dann hat es ewig lange gedauert bis ein Mechaniker kam. Wir sind irgendwie um neun aufgewacht und dann standen wir immer noch da, 50 Kilometer hinter Dresden.
Und warum konnte es dann nicht verlegt werden? Das Konzert sollte ja am Samstag statt finden und der Ausweichtermin war auf Montag fest gesetzt.
Jerome: Im Moment haben wir sehr viel zu tun. Wir arbeiten an der neuen Single und hatten in der nachfolgenden Woche Termine, die wir einhalten mussten.
Was hat sich in den letzten zwei Jahren in Bezug auf eure musikalische Laufbahn und euren Stil verändert? Würdest du sagen ihr habt euch im positiven Sinne weiter entwickelt?
Jerome: Wir haben uns auf jeden Fall entwickelt was unseren Sound angeht. Unser Sound ist viel klarer geworden, jetzt klingen die Songs, wie wir uns das vorgestellt haben. Wir haben auch viel gelernt von der ersten Platte, weil wir alles, mehr oder weniger, selber machen, selber produzieren und mischen. Die Songs sind ein bisschen rougher, härter geworden. Und wir haben mehr Dancehall auf der neuen Platte.
Würdest du sagen, die neue Platte ist noch geradliniger als die erste, d.h. noch besser und ausgefeilter?
Jerome: Ja, das ist Geschmackssache, aber für uns ist sie schon besser.
Tobsen: Also ich finde auch, dass die letzten zwei Jahre die Studio-Seite wiederspiegelt. Man hört vielleicht der ersten Scheibe an, dass es noch nicht so war. Da hat sich auf jeden Fall etwas verändert. Wir haben auch ein paar Konzerte gemacht in den zwei Jahren, wo sich eine Menge getan hat. Bei jedem Festival oder Konzert verändert sich irgend etwas. Diese Erkenntnisse lassen wir in unsere Arbeit mit einfliessen. Das sind halt zwei Seiten, die auch wichtig sind.
Wie kam es denn zu der Kollaboration mit Elephant Man? Hattet ihr euch vorher schon überlegt, dass ihr mit ihm zusammen arbeiten wollt und habt ihn dann gefragt, ob er einverstanden ist?
Jerome: Frank und Pierre sind mit ein paar Riddims nach Jamaika geflogen, um mit möglichst vielen jamaikanischen Artists Aufnahmen für eine 7“Selection zu machen. Man findet fast alle in Kingston und das war spontan, wer vor Ort war und wer Bock hatte zu recorden. Die finanzielle Seite spielte natürlich auch eine Rolle. Elephant Man war auf jeden Fall einer von den wichtigen Sängern mit denen wir arbeiten wollten. Aber es war nicht so, dass er unbedingt mit uns was machen wollte.
Kannte er euch vorher schon, oder seid ihr zu ihm gegangen und habt ihm ein gutes finanzielles Angebot gemacht und dann hat er mit euch zusammen gearbeitet?
Jerome: Man muss auf jedem Fall so einem Typ schon etwas bieten, weil er uns vorher wahrscheinlich nicht so gut kannte, dass er sofort gesagt hätte, o.k. ich mach das. Da muss man schon ein bisschen was auf den Tisch legen.
Wie verkaufen sich denn eure Platten im Ausland?
Jerome: Die genauen Zahlen habe ich nicht, aber im Ausland haben wir im Moment nur in Italien einen Vertrieb, aber es wird daran gearbeitet.
Könnt ihr mittlerweile von der Musik leben?
Jerome: Wir versuchen es. Es ist auf jeden Fall nicht einfach, weil wir so viele sind, aber langsam geht es.
Welchen Einfluss hat der Erfolg auf eure Musik? Ihr seid ja auch bei Warner Music, muss man da viele Kompromisse eingehen oder habt ihr alle Freiheiten, die ihr braucht?
Tobsen: Teils, teils, würde ich sagen. Manchmal muss man schon eine Art Kompromiss eingehen, da muss man sich schon einigen, weil die Plattenfirma anderer Meinung ist als wir. Ich glaube, dass man gerade bei Single-Entscheidungen genau wissen muss, was man will.
Und das klappt alles soweit, wie ihr euch das vorstellt?
Jerome: Bis jetzt war immer alles soweit o.k. . Wenn man mit einem Major-Label arbeitet, muss man natürlich Kompromisse eingehen. Ohne das funktioniert es nicht. Aber das ist auch auf beiden Seiten so. Wenn wir eine Idee haben und davon überzeugt sind, dass die gut ist und sie überzeugen, dann ist das auf jeden Fall eine Zusammenarbeit.
Wer bringt hauptsächlich die Ideen bei der Entstehung einer neuen Platte ein? Wer hält da die Fäden in der Hand?
Jerome: Die meisten Ideen kommen von Pierre. Entweder macht er den Beat allein zu Hause und fragt dann den DJ oder die Horns, ob da noch Sachen drauf müssen oder nicht. Oder er entwickelt die Idee, und die Band bearbeitet sie dann weiter. Aber zu elft machen wir meistens nichts zusammen. Das ist auch nicht wirklich möglich. Die Sänger machen auch ihre Strophen und Texte allein.
Auf der neuen Platte sind ja auch orientalische Klänge, ein türkisches Orchester, zu hören. Wie kam es zu der Idee?
Tobsen: Das war Pierre, glaube ich.
Jerome: Also die Idee gab es letztes Jahr schon. Wir hatten diese Melodie, bei der plötzlich diese arabische Linie aufkam. Wir haben dann diese Melodie mit einem türkischen Sass-Spieler aus Berlin aufgenommen. Es war aber nicht so, dass wir unbedingt orientalische Sounds auf der Platte packen wollten, weil es gerade angesagt war. Die Idee hat schon vorher existiert.
Gibt es Bands, die ihr empfehlen könntet? Bands, die ihr persönlich gerne hört?
Jerome: In letzter Zeit höre ich viel Eels. Ich bin auch gerade wieder umgezogen und da habe ich meine ganzen alten Cd’s wieder ausgegraben, wie z.B. die Pixies. Und dann höre ich z.B. auch noch Roots Manuva
Tobsen: Es gibt da so eine kleine kubanische Band, die ich gern höre. Die heißen Orishas.
Jerome: Wir hören auch gern die alten Sachen, wie die Studio One Klassiker. Alfi, z.B., der einzige Jamaikaner in der Band, hat immer selbst gemachte Tapes von DJ’s aus Berlin, und das sind meistens Oldschool Reggae-Sachen.
In welchen Ländern würdet ihr gern noch touren?
Tobsen: Es gibt, glaube ich, kein Land, in dem ich nicht touren würde.
Jerome: Das muss so Schritt für Schritt gehen. Wir können jetzt nicht in Brasilien spielen, weil uns da ja niemand kennt. Aber es ist einfacher, erstmal in Europa zu bleiben. Amiland wäre aber schon toll. Wir haben jetzt auf einem Festival in Italien gespielt und werden auch im August in Holland spielen.
Wollt ihr die Texte jetzt auch mehr in anderen Sprachen singen, damit eure Musik international besser ankommt?
Jerome: Wir werden so eine Art internationales Album machen, mit mehr englischen Texten. Mit vielen deutschen Texten ist es halt schwierig. Es ist überhaupt schwierig als deutsche Band, auch wenn man nur in Englisch singt. Aber wir werden verschiedene Versionen von Stücken in Englisch machen. Für das internationale Album wollen wir die Songs der ersten beiden Platten mischen.
Wann soll das rauskommen?
Jerome: Sobald es fertig ist... Naja, so schnell wie möglich. Das ist schwer zu sagen. Das dauert immer ewig lang bei uns. Aber wenn wir immer unterwegs sind, dann kann man auch nur sehr schwer daran arbeiten.
Wo seht ihr euch in 10 Jahren?
Jerome: Keine Ahnung, ich hoffe wir machen noch Musik.
Zusammen?
Jerome: Vielleicht. Ich hoffe es wird noch lange funktionieren. Wir sind seit 5 Jahren zusammen und immer die gleichen Musiker. Mit 11 ist das aber auch schwierig.
Gab es schon mal Probleme, dass jemand aussteigen wollte z.B.?
Jerome: Nein, so ernsthaft nicht. Ich glaube das kann noch dauern. Im großen funktioniert das sehr gut. Das Team ist sehr gut.
Gut, dann sind wir fertig. Danke für das Interview.
Autor: Anne