Ska-P

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Was hatten sich Ska-P wohl vom deutschen Publikum erwartet, dass aus internationaler Sicht oft als „schwer zu begeistern“ beschrieben wird? Konnte man ausgerechnet an einem Montag mit einem großen Ansturm von Leuten rechnen? Zudem war die Band aus Madrid überhaupt das erste Mal in Berlin.

Als sich Ska-P am 08.12.2003 im Huxleys einfanden, waren sie von der Einrichtung wohl eher geschockt als begeistert. Wahrscheinlich hatten Ska-P etwas anderes von Berlins Punkszene erwartet, als einen großen Saal, der der Aula eines Gymnasium ähnelt. Zugegeben: eines großen Gymnasiums, dafür aber im altbackenen humanistisch, biederen Stil. Dabei war Huxleys Neue Welt erst vor Kurzem dieser „Schönheitsoperation“ unterzogen worden. Hinzu kam das Eintrittsgeld in Höhe von 18 Euro, welches von Seiten der Band, 15 Euro eigentlich nicht überschreiten sollte. Aufgrund dieser Tatsachen dachten sie zu mindestens darüber nach, das Konzert abzusagen und in einen angenehmeren, kleineren Club zu verlegen, z.B. in ein besetztes Haus oder dergleichen. Das war jedenfalls nach dem Konzert Joxemis Kommentar zu ihrem ersten Eindruck vom Huxleys. Auch wenn es nicht gerade der beste Club für eine Band wie Ska-P ist, wurde die Party geil. Es gab nur wenige Leute, die sich am Rand der Tanzfläche aufhielten. Und das auch nur, weil sie damit beschäftigt waren, Luft oder Getränke zu holen. Das Huxleys brannte!

In Berlin gibt es wöchentlich ein, wenn nicht sogar zwei sehenswerte Skakonzerte. Doch auf Ska-P hatte die Berliner Ska- und Punkrockszene bis jetzt vergebens warten müssen. Da es anscheinend kaum Leute gibt, die sich noch nicht von Ska-P's ansteckender Punkrock-Ska-Mischung überzeugen ließen, war kein großer Werbeaufwand nötig, um die Hallen zu füllen. Doch dann, so kurz vor ihrer ersten kleinen Deutschlandtour (Lindau, Dortmund, Berlin, Hamburg, Wiesbaden, Freiburg), ergaben sich Probleme und damit verbunden, eine Menge Stress und Erklärungsnöte. Ursache dafür ist ein umstrittenes Lied des 2002 erschienen Albums „Que Corra La Voz“. Dieses beinhaltet eine Textstelle, welche bei vielen Deutschen Empörung hervorrief und auf Ablehnung stieß. Das Lied „Intifada“ kritisiert den Krieg zwischen Israel und Palästina. Darin verkünden Ska-P über die israelische Regierung: „Die Opfer werden zu Henkern“. Selbstverständlich ist solch ein Satz für Deutsche ein schwerer Brocken, stellt er doch die unsäglichen Gräueltaten des Holocaust in einen direkten Zusammenhang mit der Vorgehensweise der jetzigen Regierung unter Ariel Sharon. Über die Zulässigkeit eines solchen Vergleiches ließe sich sicherlich streiten, aber darum geht es den Protestierenden gar nicht. Man hat allgemein in Deutschland eher den Eindruck, die Bevölkerung äußere sich, auch ihrer geschichtlichen Vorbelastung wegen, ungern zu diesem Konflikt, auf welche Weise auch immer. Nur aus den Reihen der überzeugten Linken hört man eine deutliche Reaktion. Wenn man sich schon einmische, dann auf keinen Fall konträr zur israelischen Linie. Zu leicht könnte vielleicht berechtigte Kritik mit Antisemitismus verwechselt werden. Und so versuchten einige Leute, aus Protest gegen die, in ihren Augen nicht vertretbare Textstelle, die Konzerte in Deutschland zu blockieren, also nicht stattfinden zu lassen.

Zurück nach Berlin: Nach dem Konzert äußert sich Joxemi, Gitarrist und Backgroundsänger von Ska-P sehr verständnisvoll gegenüber dieser Kritik: „Anfangs waren wir schon überrascht von den Reaktionen, aber immer mit dem Blick auf die Vergangenheit verstehen wir den Standpunkt der Deutschen.“ Er verstehe zwar die Probleme, aber man schreibe schließlich nur das auf, was man denke und eine spätere Änderung der Texte sehe die Band nicht ein, wie es von Seiten der Ultralinken gefordert werde. „ Eigentlich ist es nur in Deutschland ein Problem, die Spanier z.B. stehen dem nicht so skeptisch gegenüber. “ Aber er glaube auch, dies sei eine ganz normale Erscheinung und hänge mit der Vergangenheit beider Länder zusammen. Trotzdem, befürworteten Ska-P diese Auseinandersetzungen, denn dies beweise nur, dass sich deutsche Mitmenschen mit diesem Thema auseinander setzten und sich nicht jeden „Truthahn“ servieren ließen.
„Wir solidarisieren uns mit den Palästinensern, und setzen uns verstärkt gegen die ungerechte und aggressive Siedlungspolitik Israels ein“ , beschreibt Joxemi den Standpunkt der Band.

Ska-P reihen dieses Lied „Intifada“ also ein, in ihren politischen Kampf für unterlegene Minderheiten gegen die Willkür und die Unterdrückung durch eine Staatsmacht. Und diesen Kampf führen sie nicht nur auf dem eigenen Kontinent, denn ihr wichtigstes Thema, das immer wieder auftaucht, ist die Bewegung der Zapatisten in Mexiko. „Wenn man sich in den Strassen von Mexiko bewegt, sieht man, dass die Mehrheit der Einheimischen, indianischer Abstammung sind, in der Regierung aber sind europäische Ideale gefragt“ Auch hier sehen sie eine Missachtung und die schwere Unterdrückung der eigentlichen Mehrheit. Deshalb unterstützten Ska-P, wie auch viele andere spanische Bands, die Zapatisten, die sich unter Subcommandante Marcos in der EZLN der Nationalen Zapatistischen Befreiungsarmee für die Rechte der indigenen Bevölkerung gegenüber der Mexikanischen Regierung und ausbeuterischer Großgrundbesitzer einsetzen. Diese Bewegung trat vor etwa 10 Jahren in Chiapas, im südlichsten Bundesstaat Mexikos in Erscheinung und hat seitdem nationale Bedeutung erlangt. Ska-P spenden dieser Bewegung wohl auch Geld, welches sie durch Konzerte einspielen. Stellt sich nur die Frage, warum sie noch nie ein Konzert dort, in Chiapas, gespielt haben, so wie viele Mestizo Bands es bereits getan haben...

Weil sich Ska-P an diesem Abend sehr politisch gaben, wollten wir natürlich noch wissen, wie sie zu ihrer eigenen Regierung stehen, die sich offiziell zum „neuen Europa“ zählen darf. Doch dazu wussten sie erstaunlich wenig zu sagen: „Natürlich ist es nicht gut, dass sich Spanien als Verbündeter Amerikas an dem Krieg im Irak beteiligten. Ich war überrascht von den großen Demos, die in ganz Spanien stattgefunden haben.“ Und „es ist scheiße, dass die ganze Welt veramerikanisiert ist und das solch ein kultureller Imperialismus herrscht.“
Danach war die Luft raus, aber die Band, die bei vielen, die sich nicht mit den Texten beschäftigen, als Spaßband verrufen ist, bewies an diesem Abend, dass sie sich doch noch so einige Gedanken macht. Ska-P bieten eben beides: eine lustig anmutende, energiestrotzende Live-Performance und eine Message mit einem oder mehreren klugen Köpfen dahinter, die sich genau überlegen, was sie zu sagen haben und wofür sie sich als Band, die große Mengen an Publikum begeistern kann, einsetzen.