The Slackers

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Am 9. September 2003 wurde bei Hellcat und Epitaph Records „close my eyes“, das mittlerweile siebte komplette Album der Slackers aus New York, veröffentlicht. Nicht zufällig erschien das Album kurz vor dem zweiten Jahrestag des schrecklichen Flugzeuganschlags auf das World Trade Center in Manhattan, aber dazu mehr auf der nächsten Seite. Die Band hat sich mit ihrem Mix aus Ska, Reggae, Soul, Swing, Garage Rock und Jazz, der von Größen wie den Skatalites und den Specials beeinflusst wurde, längst einen Namen gemacht. Auf der letzten Europatour hatten wir die Chance, ein Interview mit Gitarrist TJ und Bassist Marcus zu führen. Ich sprach mit den Beiden in einem kleinen Backstageraum im Kesselhaus, wo das Konzert als Auftakt der jährlichen Skalympics stattfinden sollte. Im Laufe des Gesprächs kamen wir auf ein heikles Thema zu sprechen, welches ich ergänzend vorwegnehmen möchte, da es mir besonders interessant erscheint und weil ich einige Informationen beifügen möchte, die ich erst im Gespräch erhielt, nachdem das Tonband ausgeschaltet war.

Es gab immer wieder Gerüchte über einen möglichen Streit zwischen den Slackers und den Toasters...

TJ: Das war eigentlich kein Problem zwischen uns und den Toasters, sondern zwischen den Slackers und Moon Records. Unser erstes Album „Better Late Than Never“ erschien auf diesem Label. Es ging darum, dass das Label damals behauptete, keine Kopien davon in Europa verkauft zu haben, aber wir alle wissen ganz genau, dass sie das sehr wohl taten.

„Better late than never“ erschien “erst” 1996, obwohl die Slackers bereits 1991 gegründet wurden. Sie waren damals als New Yorker Band bei Moon Ska Records gelandet, dass, in der gleichen Stadt ansässig und von Toasters Sänger Robert „Bucket“ Hingley geleitet, zu der Zeit eines der wichtigsten Ska Labels in den USA war. Doch bald kam es, wie oben angedeutet, zu einem Streit über die Verkaufszahlen der Platten. Die Slackers nahmen Kontakt zum Tochterlabel Moon Ska Europe auf und erfuhren, dass ein Scheck bereits an Bucket versandt worden war. Dieser stritt jedoch laut Slackers Bassist Marcus ab, jemals Geld für den Verkauf von „Better late than never“ in Europa erhalten zu haben und so wäre die Band nach langem hin und her mit ein „paar hundert Dollar“ abgespeist worden . Nun könne zwar sein, wie von Seiten des Labels behauptet wurde, dass tatsächlich nur sehr wenige Platten in Europa verkauft worden waren, die Slackers jedoch wollen nicht so recht daran glauben. Denn wie ließe sich beispielsweise erklären, dass Fans in Europa all die Songs der ersten Platte immerhin so gut kannten, dass sie auf Konzerten fröhlich mitsingen konnten. Die Band entschied sich damals aber dagegen, mit einer Plattenfirma als Gegner vor Gericht zu ziehen und so wurden die Probleme nie geklärt. Stattdessen wechselten die Slackers für Ihr nächstes Album „Redlight“ zu Tim Armstrongs Label Hellcat Records. Sie waren dabei übrigens nicht die einzigen: Zum Beispiel gingen die Pietasters damals den gleichen Weg. Moon Ska Records musste nach weiteren Komplikationen die Pforten dicht machen. Aus Buckets Sicht stellt sich die Sache allerdings etwas anders dar. Wie auch in unserem Toasters Interview angeklungen, war Moon Ska ursprünglich als eine Art Künstlerkooperation gedacht. Kleine, noch unbekannte Bands sollten gefördert werden, um dann, wenn sie erfolgreich geworden waren, etwas in den Topf zurückzuzahlen, was freilich nie geschah. Nach Buckets Aussagen, gab es damals eine Anzahl Bands, die zwar nicht mit Namen benannt wurden, die aber zumindest von einiger Bedeutung gewesen sein müssen. Diese kamen mit Geldforderungen für angeblich verkaufte CDs, die dem Verkaufsgewinn von mehr Platten entsprochen hätten, als jemals davon gepresst worden waren. So weit der Konflikt damals, der zwar nie ganz aufgedeckt wurde, über den aber jetzt, zehn Jahre danach, anscheinend genügend Gras gewachsen zu sein scheint, um einen Neuanfang zu wagen: Nachdem Mr. Hingley mit seinem neuen Label Megalith Records an den Start ging, trugen die Slackers immerhin mit einem Song zum Still Standing Sampler, der erste Veröffentlichung der jungen Plattenfirma, bei. Außerdem steht King Django, Sänger der Band the Stubborn Allstars sowohl in engem Kontakt zu Megalith, als auch zu den Slackers. Er zeichnet nämlich verantwortlich für die Produktion von „close my eyes“. Es scheint endlich ein stilles Einverständnis darüber getroffen worden zu sein, die gemeinsamen Konflikte zu begraben.

Weiterhin interessierte mich, das Verhältnis zwischen den beiden Bands, die als zwei Größen des Ska in der gleichen Stadt beheimatet sind und sich daher logischerweise immer wieder über den Weg laufen müssten.

In Interviews nanntet Ihr eine ganze Menge Bands die Ihr mögt und mit denen Ihr schon zusammen gespielt habt, aber die Toasters waren nie dabei. Darum habe ich mich gefragt, wie wohl die Beziehungen zwischen den beiden New Yorker Bands sind.

TJ: Als wir anfingen, wollten wir nicht unbedingt mit Ihnen spielen. Wir wollten unser eigenes Ding machen.

Marcus: Die sind schon in Ordnung, aber sie sind eben nicht die Skatalites. Unsere Verehrung galt immer schon den Skatalites, vielleicht noch den Specials. Das war ungefähr die Haltung, mit der wir an die Sache rangingen. Es hat nie irgendwas gegen die Toasters gegeben. Das ist eine großartige Band, sie haben großartige Musiker. Aber das war einfach nicht unsere Szene, es war einfach nicht unser Ding.

TJ: Wir wollten zwar als New Yorker Band bekannt sein, aber eben nicht als eine weitere Band aus der Toasters Szene, verstehst Du, wir wollten darüber hinauswachsen, wir wollten mehr als das, wir wollten anders sein. Es war also eine bewusste Entscheidung der Band, sich zu distanzieren. Letztendlich klingen wir auch nicht wie sie. Nicht einmal damals klangen wir so...obwohl wir damals vielleicht noch am ehesten Ähnlichkeiten hatten, wie eben alle Moon Ska Bands...

Auch nach dem Interview betonten die Beiden in einem ernst gemeinten Gespräch immer wieder, dass sie zwar mittlerweile so weit waren, dass sie von den Toasters und Bucket unabhängig seien, andererseits aber keinen Groll oder übertriebenes Konkurrenzdenken ihnen gegenüber empfänden. Im Gegenteil, sie wünschten ihnen tolle Konzerte und viel Erfolg und unterstrichen erneut, das die Konflikte der Vergangenheit keinerlei Auswirkungen auf die Beziehung zwischen den Bands heute hätten.

Auf der nächsten Seite folgt nun der Rest des Interviews, in dem es um das neue Album „close my eyes“ und die politische Einstellung der Slackers geht.

Wie lief die Tour bis jetzt, waren genug Leute auf den Konzerten?

TJ: Die Tour läuft wirklich gut. Gerade wenn man jeden Tag ein Konzert hat, sind diese Shows oft hart, aber es bisher macht es großen Spaß.

Am 9. September 2003 brachtet Ihr Euer neues Studioalbum “close my eyes” heraus. Der Titel steckt auch in einem Zitat von Jack Kerouac das auf der Innenseite der Cd abgedruckt ist. Wer hatte diese Idee?

TJ: Jack Kerouac. marcus lacht

Eigentlich wollte ich wissen, wie Ihr auf die Idee gekommen seid.

TJ: Nachdem wir den Song “close my eyes” geschrieben hatten, dachten wir darüber nach, das Album ebenfalls so oder so ähnlich zu nennen. Dann brachte uns Vic dieses Buch von Jack Kerouac mit. Wir leisen es zufällig aufklappen und auf der offen Seite fanden wir dieses Zitat. Das ist die ganze Geschichte wenn du daran glauben willst. Und es ist einen gute Geschichte.

Habt Ihr bereits Reaktionen auf das neue Album bekommen?

TJ: Ja, es scheint den Leuten wirklich zu gefallen und sie scheinen sich mit unseren Ideen identifizieren zu können. Zum Beispiel mit unserem Bemühen um einen „alten“ Sound. Wir wollen so klingen, weil die Platten die wir mögen so klingen und weil wir davon überzeugt sind, damit einen organischen und natürlichen Sound zu produzieren.

Und gibt es auch kritische Äußerungen?

TJ: Ich habe eigentlich nichts wirklich schlimmes über die platte gehört.

Marcus: Naja, wir wurden als kunstgerecht und kompetent beschimpft, aber das waren wirklich die schlimmsten Kritiken.

Na dann habe ich ein Zitat für Euch, das ich irgendwo im Internet gefunden habe. Es geht um einen Eurer neuen Songs: “Real War” (der wirkliche Krieg) ist offensichtlich die Reaktion der Band auf den 11ten September und viele andere, sowohl weltweite, als auch Amerika-spezifische Ungerechtigkeiten. Aber an Statt ein steht-endlich-auf-und-rührt-Euch-Gefühl (im Original: Get Up Stand Up) zu erwecken, gehen die Slackers eher den Leg-dich-hin-und-rauch-ein-wenig-Pott-Weg. (sinngemäße Übersetzung! Das Zitat war im Original auf englisch abgefasst)

TJ: Die haben wohl noch nicht viel Dub gehört. Ich meine, das ist einer der besten Rhythmen auf der Platte. es ist wirklich ein großartiger, starker Rhythmus.

Marcus: Ich verstehe nicht ganz, wie der Schreiber auf diese Kritik kommt. Geht es ihm darum, dass es sich um einen Dub Song handelt oder bemängelt er einfach nur, dass der Song so langsam ist?

Tja, das hab ich auch nicht ganz verstanden. genaueres sagt er eigentlich nicht. Was er allerdings meiner Meinung nach ganz richtig erkannt hat, ist die Tatsache, dass Ihr Euch tatsächlich mit dem Thema des 11ten September herumschlagt. Ich denke da zum Beispiel an das Titelblatt der Zeitung auf dem Tisch oder die Szene auf dem Fernsehbildschirm, welche auf dem Cover von „close my eyes“ zu sehen sind. Wie denkt Ihr über diesen Tag? An was erinnert ihr Euch?

TJ: Wir waren an diesem Tag in Lübeck im Norden von Deutschland. Das war alles unglaublich verwirrend und bedrückend. Unsere Familien leben dort, also hatten wir natürlich große Angst. Wir wollen einfach dort sein um irgendetwas tun zu können, einfach nur irgend etwas.

Was haltet Ihr von den Konsequenzen, die sich aus diesem Tag ergeben haben? Hat sich seitdem etwas für Euch verändert?

TJ: Naja, vielleicht hat man Familie und Freunde wieder bewusster zu schätzen gelernt und man sucht mehr nach den wirklich wichtigen Dingen des Lebens.

Habt Ihr irgendeinen Einfluss auf die Ska bzw. die Musikszene allgemein bemerkt?

TJ: Ich glaube eigentlich nicht, dass sich da was verändert hat. Die Welt der Pop Musik scheint einfach nicht damit in Berührung zu stehen. Vor kurzem wurden wir gefragt, ob die Slackers jetzt politischer geworden seien. Es hat aber immer schon politische Slackers Songs gegeben. Die Zeiten in denen wir leben sind es, die mehr politisiert sind. Dadurch ist die Aufmerksamkeit der Leute in dieser Hinsicht einfach geschärft.

Und wie sieht Eure Meinung zur aktuellen US Regierung und der Art und Weise, auf die diese Politik betreibt aus?

TJ: Mhh, ich persönlich stimme absolut nicht mit den meisten Ihrer Entscheidungen überein, beispielsweise bin ich nicht einverstanden, dass sie nicht mit der Welt Gemeinschaft und Europa zusammenarbeiten. Natürlich gibt es offensichtlich ein Terrorismusproblem, aber einfach im Irak einzumarschieren und Jagd auf Saddam zu machen, war sicherlich nicht die beste Lösung.

Denkt Ihr, dass man als Band, die eine ganze Menge Leute erreicht, etwas dagegen tun sollte?

TJ: Ich war nie der Meinung, dass es Aufgabe der Slackers wäre, irgendjemandem Predigten zu halten. Du musst wissen, dass wir verschiedene Songwriter haben, die verschiedene Songs schreiben. Viele unserer Songs handeln von persönlichen Beziehungen, aber unsere Songs spiegeln auch oft die Zeit wider, in der wir leben. Zum Beispiel spricht der Song „Soldier“ darüber, wie New York zu verfallen beginnt, obwohl oder weil immer mehr Polizei auf der Strasse auftaucht. So ähnlich sieht die Gegenwart in der wir uns befinden nun mal aus.

In einem Interview 1991, beschwert Ihr Euch über die Politik und die vielen Reglements in New York. hat sich bis heute irgendwas verändert, nachdem es jetzt dort einen neuen Bürgermeister gibt?

TJ: Durch die Anti-Terror-Maßnahmen hat es sie ein wenig vom Weg abgebracht, aber es gibt immer noch dieses massive Polizeiaufgebot in den Strassen und der neue Bürgermeister hat im Grunde alles beim Alten belassen. Immer noch das gleiche Prinzip: Dem großen Geld wird der Weg geebnet und den Rest lässt man zur Hölle fahren.

Ebenfalls in diesem Interview habt ihr das Problem angesprochen, dass es wegen den strengen Auflagen einfach nicht genug Locations gab, um Konzerte zu veranstalten. Hat sich da was verbessert?

TJ: Nein, da sieht's immer noch übel aus. In New York darf man z. B. in den Clubs und Bars nicht rauchen und

sie sind immer noch dabei der Live Musik den Garaus zu machen. In unserer Nachbarschaft waren einst eine Menge Clubs. Dann zogen Leute in die Gegend, die es plötzlich ruhig und sauber haben wollten. Ich frage mich, warum sie dann ausgerechnet in diese Gegend gezogen sind...

Wie kann sich die Musikszene denn ohne Liveclubs halten?

TJ: Es gibt natürlich immer noch eine Musikszene, aber sie ist nicht mehr das, was sie einmal war. Wir erleben gerade eine Übergangszeit. Clubsounds und DJs sind zwar immer noch beliebt, aber nicht mehr so sehr, wie sie es schon einmal waren. Die Livemusik erobert sich das Feld zurück. Aber man darf nicht vergessen, dass wir eigentlich die meiste Zeit gar nicht in New York sind. Wir sind immer unterwegs, immer auf Tour. Die Leute fragen uns immer über New Yorker Bands und die Szene dort aus, aber... Naja, ich mache das eben jeden Abend. In meiner Freizeit gehe ich eigentlich kaum aus, um mir ein Konzert anzusehen. Das habe ich ja schon auf der Arbeit.

Und zum krönenden Abschluss: Was für Pläne stehen demnächst bei Euch an?

TJ: Wir würden sehr gerne einmal in Japan touren und vielleicht auch gleich versuchen nach Australien zu kommen, wenn man schon mal in der Gegend ist. Wenn man schon in Japan ist, ist ja Australien auch nicht mehr so weit.
Außerdem möchte ich ein Slackers und Dub Projekt starten. Vielleicht bringen wir nur eine Vinyl Platte raus. Einfach nur Wir und Dub und Rhythmus und andere heiße Sachen, verstehst Du, so stelle ich mir Spaß vor. ich mag DJs.
Dann wäre da noch ein weiteres „Slackers and Friends“ Album. Wir versuchen mit noch ein paar Jamaika Stars aus Gegenwart und Vergangenheit zusammenzuarbeiten, ein paar Aufnahmen zu machen und Spaß zu haben. Das war auch immer schon einer der großen Träume der Slackers: Für einen großen Sänger als Support aufzutreten. In New York tummelt sich eine ganze Menge Jamaikaner und über Glen Adams von den Upsetters und ein paar andere Leute in diesem Geschäft haben mittlerweile einige davon kennen gelernt.

Darauf können wir ja gespannt sein. Vielen Dank für das Interview.