Athena

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Athena ist schon ein ganz eigenes Phänomen. Zunächst ist die Band, die bis heute einzige erfolgreiche Skaband aus der Türkei. Und dafür, dass es diese Musik offenbar bisher sehr schwer hatte am Bosporus, räumen die sympatischen Jungs um die Brüder Gökhan (Gesang) und Hakan Özoguz (Guitars) dermaßen ab, dass man fast versucht ist, eine vierte Welle einzuläuten, aber halt. Wollen wir die eh schon genug umstrittene Wellentheorie mal beiseite lassen. Jedenfalls ist diese Band mittlerweile unumstritten die Speerspitze der international eigentlich überhaupt nicht wahrgenommenen türkischen Punk und Ska Bewegung. Sie haben es geschafft, sich dort bei Jung und Alt in die Herzen zu spielen. Und es gibt in der Türkei wohl niemanden mehr, der die Single „12 dev adam“, die Athena als Auftragsarbeit für den nationalen Basketballverband schrieben, nicht mitsingen könnte. Außerdem hatte die Band immerhin die (etwas zweifelhafte) Ehre, ihr Land auf dem 2004 stattfindenden European Song Contest (ehemals Grand Prix d'eurovision de la Chanson) zu vertreten und den sagenhaften vierten Platz zu erringen.

Und das bei einem Wettbewerb, der traditionell im besten Falle dem Pop Musik Milieu anzurechen ist, wenn nicht schlimmer. Betrachtet man all dies, so könnte man annehmen, dass Athena, mittlerweile folgerichtig auf einem Majorlabel (Universal) unter Vertrag, die aktuell wahrscheinlich erfolgreichste Skaband der Welt ist. Ja und diese Senkrechtstarter kommen nicht etwa aus Jamaika, auch nicht aus England oder den USA, sondern eben aus der Türkei. Eine grandiose Sache und schon fast eine Verpflichtung dazu, ein Interview mit der Band zu führen.

Ein Majorlabel bringt auch Majoraufwand auf den Spielplan, zwar ist man bei Universal sehr hilfsbereit und bemüht, den Termin einzuhalten (Vielen Dank noch mal an dieser Stelle) aber wie die Rockgeschichte uns lehrt, wachsen eben mit dem Bekanntheitsgrad einer Band auch die Komplikationen im Umgang mit ihr. Der erste Gesprächstermin im Hotel (!) wird kurzfristig abgesagt, die Band verspätet sich auf dem Weg zum Konzert im Berliner SO36. Also wird das Interview auf die Zeit nach der Show verlegt. Und gerade dann heißt es, geduldig zu warten, bis die hungrigen Fans und glühenden Verehrerinnen der Band ihre Streicheleinheiten von den Gebrüdern Özoguz ausgiebig genossen haben. Das ist schon ein seltsamer Anblick, Ska Musiker bei der Autogrammstunde mit Teenagern, die nicht so aussehen, als dürften sie um die Uhrzeit noch auf Berlins Strassen wandeln.

Und auch das möchte ich nicht unterschlagen: Das Konzert ist großartig! Eine echte Liveband diese Jungs, mit allen Schikanen, die man sich eben so wünscht. Außer vielleicht das Publikum. Die ersten zehn Reihen werden nämlich eingenommen, von dauerkreischenden Kampfzicken, die noch nicht einmal für den offiziell vom Veranstalter organisierten Kameramann Platz machen, mit der Begründung, als Erste(r) da gewesen zu sein. Ja, wo eigentlich? Auf dem säuberlich nummerierten Stehplatz? Auf einem eigens markierten Parkplatz? Mann, das kann einem schon die Laune verderben. Nie hätte ich gedacht, dass sich auf einem Skapunk Konzert einmal Leute Gedanken machen würden, ob denn in den Toiletten genügend Spiegel vorhanden wären, um notfalls noch einmal die zentimeterdicke Pampe über der pickeligen Haut auffrischen zu können. Und bevor mich die Rage völlig davonträgt, möchte ich schnell wieder darauf zu sprechen kommen, dass es dennoch auch coole Gäste gibt. Ebenfalls Gesichter, die man üblicherweise nicht auf solchen Veranstaltungen trifft, die aber trotzdem lieber miteinander feiern und sich darüber freuen, dass sie auf die gleiche Musik stehen und die nicht einzig und allein gekommen sind, um die Band anzuschmachten.
Jedenfalls klappt es am Ende doch noch. Im heimeligen Backstagebereich bekomme ich mein Gespräch, gerade noch rechtzeitig bevor das SO36 die Bude räumt. Die Beiden wirken sehr sympatisch und es wird ein nettes Gespräch, auch wenn an einigen Stellen doch kleinere Schwierigkeiten aufgrund der beiderseitigen Englischkenntnisse entstehen.

Wie hat Euch das Konzert heute gefallen?
Hakan (H): Fantastisch!

Gökhan (G): Das ist die Energie von Berlin. Wir genießen das.

H: Und es war wundervoll.

Weil ihr gerade davon sprecht: Berlin ist die Stadt mit der weltweit drittgrößten türkischen Bevölkerung. Bekommt ihr hier ein besonderes Feedback?
H: Naja, im Allgemeinen haben wir schon so etwas gespürt aber speziell heute Abend war das Publikum in etwa ausgewogen. 50/50, so mögen wir es am liebsten. Naja und die meisten Türken hören offenbar lieber kulturelle Musik. Oft mögen sie traditionelle Türkische Musik oder sie stehen einfach auf Pop…

G: Von der neuen Generation der Türken werden wir weitestgehend akzeptiert und sie hört auch mehr und mehr unsere Musik, Underground Zeug eben. Das sind also die Leute, die ein Gefühl für unsere Musik entwickeln, die darauf abfahren und zu denen haben wir auch einen sehr guten Kontakt.

Und wie ist die Situation in der Türkei. Ich schätze, dass Ska dort immer noch sehr ungewöhnlich ist? (H: Ja.) Inwiefern wird eure Musik dort von den Leuten akzeptiert?
G: Sie wissen zwar vielleicht nichts über die kulturellen Wurzeln der Musik in den 60ern und so, aber sie spüren einfach die Musik. Und das ist schließlich das Wichtigste. Und sie versuchen es zu verstehen, mehr darüber herauszufinden. Wir haben eine große Crew dort, die immer zu unseren Konzerten kommt, und die dann erst beginnt, sich zu fragen: Woher kommt diese Musik eigentlich? Was steckt dahinter? Was ist das für eine Band? Wenn ich mich an 1994 zurückerinnere, als wir noch in kleinen Clubs auftraten, da spielten wir Songs von Bands wie The Exploited, The Business, The Butlers, No Sports, Skaos und diese Sachen und natürlich Klassiker wie The Specials, Madness usw.

H: Die neue Generation der türkischen Leute kennt uns, also lernen sie gleichzeitig auch Ska kennen… oder manchmal vielleicht sogar durch uns.

Wie erklärt ihr euch selbst diesen Erfolg in der Türkei?
H: Tja, ich denke einfach dadurch, dass wir so sind, wie wir sind, dass wir genau das machen, was wir fühlen, indem wir „real“ sind, und indem wir unsere eigene Musik machen. Mehr kann ich dir auch nicht dazu sagen. Einfach dadurch, dass wir tun, was wir fühlen. Die Leute verstehen das. Ich meine, niemand ist ein Idiot.

Denkt ihr, dass sich durch Euren unglaublichen Erfolg dort, bereits ein Effekt auf die türkische Musikszene erkennen lässt?
H: In welchem Sinne?

Na zum Beispiel, dass mehr Leute die Musik mögen und versuchen das mitzutragen oder zu übernehmen…
G: Ja…

H: Klar, zuerst kannte niemand diese Musik und niemand wusste darüber Bescheid, und in jedem Interview, dass wir gaben, erzählten wir, dass wir alles wissen… äh… ich meinte, wir erzählten alles, was wir wissen.(lacht) Und so lernten viele Leute mehr über die Szene, die meisten jungen Leute, 20th century kids, die wissen jetzt, was Ska bedeutet, weil wir das Wissen über die Wurzeln beim Reggae, Bob Marley und den Skatalites verbreiteten.

G: Wir haben sogar schon richtige türkische Rude Boys getroffen und waren so erstaunt darüber. Das war umwerfend.

Es tut sich also was in der Szene dort…
H: Ja, Ja, Ja. Eine Menge Bands, zum Beispiel High School Bands, spielen jetzt Ska, Madness, The Butlers und so weiter. Wir erfahren davon, weil die Leute zu unseren Konzerten kommen und uns davon erzählen. Und wir sind sehr glücklich, das zu hören.

G: Es gibt mittlerweile eine Menge Punkrock Kids und SHARP Skins und Rude Boys und Rastas…

Inwiefern identifiziert Ihr Euch mit der internationalen Ska Szene (wenn ich sie mal eben so nennen darf)? Oder ist das für Euch eine eigene Geschichte? Wo ihr doch in einer kulturellen Umgebung angefangen habt, die diese Musik davor nicht kannte, so dass ihr völlig neu von vorne anfangen konntet.
G: Wie wir bereits sagten, spielten wir einfach das, was wir fühlten und wir machen eben Ska… Wir haben schon 1993 damit angefangen und sind seitdem dabei.

H: Einige Ska Fans kennen uns möglicherweise bereits, weil wir auf einigen Compilations mit dabei waren. Z.B. auf dem Asian Ska Foundation Sampler oder dem Pork Pie Sampler [United Colours of Ska Vol 3, Anmkg. d. Red.] Dadurch kennen uns viele Menschen auf der ganzen Welt.

G: Bald wird unser englisches Album erscheinen. Und das wird dann so eine Art Neuanfang für uns sein. Bisher hatten wir unsere Szene in der Türkei, und jetzt setzen wir Kurs auf ganz Europa.

War diese Szene bisher eher konzentriert auf die größeren Städte, oder habt ihr auch die eher abgelegenen Teile des Landes erreicht?
H: Ja. Ich meine, zu der Zeit als wir unser erstes Album rausbrachten vielleicht noch nicht, aber spätestens seit dem vierten Album sind wir auch dort bekannt. Auf diesem vierten Album waren einige sehr bekannte Songs. Einer davon war beispielsweise fast eine nationale Hymne. Es hieß „Zwölf große Männer“ und wir schrieben ihn als Hymne für die Basketballnationalmannschaft.

G: Aber zuvor kam „holigan“, das wir für unseren Football Club spielten. Und alles begann an dieser Stelle.

H: Vielleicht war das der Grund, warum wir so bekannt wurden.

Wie kamt ihr selbst zum ersten Mal in Kontakt mit Ska? Konnte man das einfach im Radio hören?
G: Also, wir spielten Punkrock und alles Mögliche an Hardcore und Trash Metal usw. Und wir suchten ständig nach einem Sound, der uns entsprach. Vom Ska hörten wir über Freunde. Wir hatten überall auf der Welt Freunde, die uns musikalische Alternativen lieferten. So probierten wir Ska und liebten die Musik. Wir hatten die gleiche Ideologie. Wir hatten die passende Einstellung, die Art zu denken gefiel uns… Kurz: wir hatten das Herz dazu.

H: Wenn es nach uns geht, sollte Ska und Punk vereint sein, dass kann so eine gute Mischung sein, wenn du sie „ehrlich“ bringst und… lebendig!

G: Heute unterstützen wir die SHARP Skins und es gibt immer wieder Happenings in Istanbul.

Einige eurer Songs (z.B. “I Love Mud on my face”) klingen, als wären sie von einer dieser Klassiker-Bands wie Madness, The Clash oder sogar The Sex Pistols. Woher kommt dieser geniale British accent?
H: Das kommt einfach daher, dass wir all diese Songs die wir lieben spielten.

G: Ja, und außerdem war ich eine Zeit in London, konnte also von dort lernen. Ich versuchte einfach so zu singen und lernte es dort. Ich lernte es sozusagen von der Straße.

H: Wir traten insgesamt sechs Jahre in Bars auf und spielten viele Cover Songs, oft von britischen Bands. Einige davon spielen wir sogar heute noch.

Stimmt. So habt ihr heute Abend z.B. “One Step Beyond” und “Should I stay or Should I go” gespielt.
G: Das ist der große Kick. (grinst über das ganze Gesicht) One Step beyond und Should I stay, die Songs sind von den beiden Bands, die für uns einmalig sind und den größten Respekt verdienen. Das ist auch der Grund, warum wir es lieben, diese Songs auf unseren Shows zu spielen. Außerdem spielten wir meistens noch “My Girl” von Madness und natürlich meinen Favoriten “Nightboat to Kairo”. Das ist ein cooler Song. Ah - „Baggy Trousers“! Wir haben alle diese Songs in den Bars gespielt.

Worauf bezieht sich euer Name?
H: Der Name kommt aus der griechischen Mythologie. [Pallas Athena, die Beschützerin des zivilisierten Lebens, der Kunst und des Ackerbaus, außerdem Göttin der Weisheit, Vernunft und Reinheit. In Homers „Illias“ wird sie als Kriegsgöttin dargestellt. Anmkg. d. Red.]

Hat das auch eine politische Bedeutung?
H: Nein, nein. Das ist nicht politisch gemeint.

G: “You know: Being political means non-political shit.” Es hat nichts damit zu tun. Wenn du „politisch“ bist, wenn du versuchst, etwas auf politische Weise zu zeigen, heißt das gerade, dass du nicht politisch bist. Wir nennen uns „Athena“, weil sie eine gute Ikone ist. Sie ist mutig und sie kämpft gegen „the evil mentality“.

H: Für den Fall, dass du darauf anspielst, dass sie Griechin ist, das ist uns nicht wichtig. Sie könnte Afrikanerin sein, sie könnte englisch sein, sie kann griechisch sein. Alle Menschen sind gleich. Es sollte da keine Vorurteile geben.

Ok. Aber ihr habt einen Song gegen den Irakkrieg geschrieben. Also seid ihr doch politisch.
H: Naja, so ähnlich.

G: Ah,… Es ist nicht in erster Linie eine politische Sache. Es bedeutet einfach nur: Hört auf zu kämpfen! Hört auf zu töten! Und das ist nicht wirklich eine politische Angelegenheit. Jeder sollte das sagen: Hört auf zu töten.

H: Es ist einfach eine Art die Welt zu sehen.

Ich habe gehört, dass euch die Regierung vor dem European Song Contest gebeten hat, euer Land zu repräsentieren. Was habt ihr davon gehalten?
H: Wir waren schockiert. Wir wussten nichts von diesen Plänen und wir hätten sie auch nie erraten. Man muss wissen, dass die meisten Teilnehmer an dem Wettbewerb Pop Musiker sind, und wir natürlich nicht. Also waren wir überrascht. Sie sagten uns, dass sie uns eine Weile beobachtet hätten, was wir in unseren Alben und Interviews machten und sie sagten: “Das ist für uns in Ordnung und wenn ihr wollt, könnt ihr den Auftritt machen.” Also akzeptierten wir das Angebot.

G: Ich kann das eigentlich immer noch nicht fassen.

H: Wir unterschieden uns so sehr von den anderen Bands in dem Contest, ich meine, es hat dort noch nie eine Ska Band gegeben.

G: Und wir waren alle so stolz auf diese Sache. Wir haben auf der Straße angefangen und jetzt repräsentieren wir unser Land. Das war eine große Ehre. Eine riesen Ehre. Und das, dank der Regierung. (lacht)

So ganz verstehe ich das immer noch nicht. Ihr habt diesen Song gegen den Irakkrieg und trotzdem bietet euch die türkische Regierung an, das Land auf einer international bedeutenden Veranstaltung zu vertreten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieser Song der Einstellung der Regierung zu dem Konflikt entspricht. Wie passt das also zusammen?
G: Ich glaube, das interessiert die einfach nicht. Für sie sind wir einfach ein…eine Stimme.

H: Die wollen einfach jemanden erfolgreiches. Und was unsere Einstellung angeht, haben sie sich vielleicht gefragt, was unsere Gedanken sind. Nun ja, wir sagen alles in unseren Texten. Selbst in diesem speziellen Song. Wir wollen einfach Frieden. Wir wollen keine Gewalt.

G: Keine toten Menschen mehr im Irak nur für verficktes Geld.

H: Wofür soll das gut sein? Warum all das Schlachten? Jeder weiß bescheid.

G: Aber niemand wagt es, es zuzugeben.

Vielleicht wegen des Öls?
H: Tja, wie gesagt, jeder weiß etwas darüber. (lacht)

Aber ihr habt keine Probleme mit Restriktionen von Seiten der Regierung…
G: Nein.

…oder verbotenen Texten?
G: Naja, wir haben das vielleicht im Ansatz. Wir dürfen z.B. keine “bösen” Wörter benutzen. Wir dürfen nicht „fuck“ oder so was sagen. Auf der Platte dürften wir nicht „shit“ sagen.

H: Aber, das ist nicht so schlimm, denn wir sagen sowas einfach auf den Konzerten. (lacht)

OK. Für den Song Contest habt ihr den Text auf Englisch geschrieben. Was denkt ihr darüber, ihr habt das doch vorher nie gemacht.
H: Also ganz am Anfang der Band haben wir ein paar englische Songs gemacht, aber die waren sehr hart. Metal und Hardcore und so. Das war damals einfach etwas sehr anderes. Aber wir haben es in Englisch versucht. Jetzt ist die Situation natürlich völlig anders. Wir haben mittlerweile vier Alben draußen und alle in türkischer Sprache. Und… mh… wie kann ich das ausdrücken? Es ist etwas ungewöhnlich für uns so zu spielen. Aber es gibt da etwas in unseren Wurzeln. Wir können alle ein bisschen Englisch, also dachten wir, wir könnten das schaffen. Und so schrieben wir, was wir dachten und baten ein paar Freunde, die Englisch unterrichteten, uns zu helfen.

Ihr hattet also nicht einfach eine Auflage bekommen…
H: Nein, das war unsere Entscheidung. Die Regierung überließ das uns, wir hatten die Möglichkeit auf Englisch oder auf Türkisch zu singen. Wir konnten uns frei entscheiden. Aber wir dachten, es wäre besser, die Sache auf Englisch zu machen, denn es war uns wichtig, dass die Leute unsere Texte verstehen, und Englisch ist natürlich eine viel weiter verbreitete Sprache als Türkisch. Auf diese Weise konnten wir mehr Leuten die Möglichkeit geben, die Lyrics zu verstehen, also taten wir es.

G: Yeah. (lacht)

Und das nächste Album wird komplett in Englisch sein?
G: Ja. Unsere Single wird demnächst erscheinen. Sie wird auf Universal rauskommen und … es ist gut, gut, gut für uns.
Ist das für euch so eine “Zurück zu den Wurzeln” Sache?

G: Yeah! Immer. Immer, ja.

H: Du sagst es. Musik bleibt Musik, aber auf Englisch zu singen bringt eine andere “Harmonie” hinein. Das ist OK für uns.

G: Ja. Und wichtig ist schließlich, überhaupt Musik zu machen. Wie auch immer. Wir lieben es trotzdem, auf Türkisch zu spielen.

H: Wir haben ein paar Schreiber - schreibende Hörer sozusagen - auf unserer Homepage, die z.B. aus Norwegen und Schweden, aus Russland oder aus was auch immer für einem Land kommen, und sie alle schreiben: “Wir verstehen zwar eure Texte nicht, aber wir lieben euren Sound. Wir mögen eure Musik.” Wie man sieht, kennt Musik keine Grenzen. Wir wissen also, dass sie unsere Musik mögen, aber um es ihnen zu ermöglichen, alles daran zu verstehen, haben wir uns entschlossen, in einer eher üblichen Sprache wie z.B. Englisch zu singen.

Habt ihr keine Angst, durch das Singen auf Englisch ein wenig an Individualität zu verlieren?
G: Wegen des Publikums, wegen der türkischen Fans?

Nein, einfach nur, weil es eben so üblich ist, auf Englisch zu singen, während es etwas Besonderes ist, Ska Musik mit türkischen Texten zu machen.
G: Dazu möchte ich zunächst noch einmal wiederholen, dass wir schon früher auf Englisch gesungen haben. Wir haben nicht mit türkischen Texten angefangen. Und englische Songs sind uns so vertraut. Wir wollen einfach Spaß haben und den werden wir uns holen.

Ok. Ich wollte außerdem über eine eurer letzten Singles reden: Öpücük. Im zugehörigen Video sieht man ein Match zwischen zwei Football Teams. Da ist eure Mannschaft, und die andere Mannschaft wird von einer Frau angeführt. Versucht ihr mit diesem Video absichtlich typische Geschlechterrollen zu durchbrechen?
G: Ja, könnte man schon sagen. Wir, äh…

H: Es war nicht direkt unsere Absicht, über dieses Thema zu sprechen, jemandem so eine Ideologie zu vermitteln. Jemanden zu überzeugen, Frauen zu respektieren oder keine Frauen zu schlagen. Daran haben wir eigentlich nicht direkt gedacht, wir haben das einfach gemacht, weil…

G: Es tu gut, eine starke Frau zu sehen. Sie steht das ganze Spiel über souverän da. Das ist gut, so was zu sehen. Darüber hinaus heißt der Titel des Songs “Kuß”.

Wovon handelt der Text?
G: Es geht darum, ein Mädchen zu küssen. In dem Text heißt es: “Darf ich dich küssen?”

H: “Verarsch mich nicht.”

G: “Verarsch mich nicht. Und mach dir keine Sorgen.” Und sie antwortet:“Komm schon, küss mich.” Das ist alles.

Wovon handeln eure anderen Texte?
G: Meistens sprechen wir darüber, wie wir leben, was wir denken, wie wir über das Leben denken, was wir gerne sehen würden. Wir drücken so viele Gedanken aus, über… mache können über Religion sein, manche behandeln das Thema Vorurteile, oder es kann einfach darum gehen, welche unsinnigen Regeln bestehen, die wir brechen wollen. Manchmal geht es um hungernde Menschen, ich weiß nicht. Wir haben so viele Themen.

H: Es ist die Weise, auf die wir das Leben sehen. Manchmal befindet man sich in einer scheinbar ausweglosen Situation, oder manch einer wird depressiv usw., aber es gibt da immer einen Weg, eine Art Fenster, das nicht unbemerkt bleiben darf. Wenn du das nicht sehen willst, wirst du dich nicht befreien können. Das ist unsere Botschaft, irgendwie in der Art: “Hey komm schon. Gib nicht auf! Gib nicht das Leben auf, das du lebst! Und gib dein Bestes.“

Also generell eine positive Botschaft…
H: Ja, könnte man sagen. Positive Vibrations! (lacht)

Was habt ihr in Zukunft vor?
G: Als erstes wollen wir uns eine Europäische Crew erspielen (lacht) Es wird eine Tour geben. Das alles fängt an, wenn unsere Single draußen ist, und das ist zunächst der wichtigste Schritt.

H: Zuerst, wird unsere englische Single erscheinen, die auch auf einem Album vertreten sein wird, das so etwa im Mai veröffentlich wird. Wir versuchen, es bis dahin zu schaffen. Das wird unser erstes komplett in Englischer Sprache verfasstes Album sein, alles neue Songs. Wir werden sehen, wie die Leute auf die Single reagieren. Und wir haben bereits ein paar Konzerte in Europa. Zum Beispiel werden wir in Mazedonien auf einem Festival auftreten. Die Headliner werden, soweit ich weiß, THE STRANGLERS sein. Wir lieben diese Band.

G: Und die FUN LOVIN' CRIMINALS, …

H: Ja, wir haben einige Festivals in der Art, und wir bereiten eine weitere Single für den Sommer vor.

G: Ebenfalls auf Festivals werden wir zusammen mit THE DEAD KENNEDIES, IGGY POP und allen möglichen Bands spielen. Z.B. SUEDE, PULP...

H: THE ROLLING STONES!

G: Yeah, THE ROLLING STONES, wir haben die schon einmal supported. THE CARDIGANS…

Hattet ihr schon Konzerte außerhalb Europas?
G: Ja, hatten wir. Wir hatten ein paar in Rußland.

H: Außerhalb Europas! (lacht)

G: Oh. Stimmt.

H: Wir waren schon in den Staaten. Das war in Indeanapolis wegen unserer Single “Zwölf Riesen Männer” zusammen mit unserer Basketballnationalmannschaft.

Vielen herzlichen Dank
G: Ebenfalls.