Roy Ellis

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I want all you skinheads to get up on your feet,
Put your braces together and your boots on your feet,
And give me some of that oooooooooooold moon stompin’!

Wer kennt sie nicht, die berühmteste Lyrik der Skinhead-Szene. Kein Ska- und Reggae-Niter, auf dem dieses Lied fehlen würde. Und was wäre auch heute noch ein echter Skinhead, der den Song nicht auswendig in allen Einzelheiten wiedergeben könnte!
Das war doch im Jahr 1969, als die damaligen, die authentischen Skinheads in England auf dem Höhepunkt ihres Kultes waren. Sie stompten mit ihren Boots den Rhythmus des Reggae, der Musik, die der Szene ihre Farbe gab. Und ja, es war eben so, dass schwarze Musik und schwarze, weil jamaikanische Kultur in die Skinhead-Bewegung einfloss. Und richtig, die Band damals hieß Symarip. Die Jungs von der Karibikinsel machten die großen Hits, die auch heute noch jeder richtige Skinhead gerne hört und gerne tanzt und die Zeugnis abgeben für die Vielfalt in der Szene. Ich habe jedenfalls bei den Partys in Berlin noch nicht erlebt, dass ein Punk oder ein Normalo hinausgegangen wäre, weil die Skinhead-Hits von damals nicht sein Ding wären.

Nun gut, die Band war damals und die Hits sind unsterblich, aber was ist eigentlich aus den Bandmitgliedern geworden?
Da gab es doch auch denjenigen, der die berühmten Worte ausgesprochen hatte – „gerappt“ hatte, würde man heute sagen. Lange Zeit hat man da nichts konkretes gehört und auch nicht wirklich was gewusst. Doch plötzlich tauchte der Name Roy Ellis in der Szene auf und Termine für seine Gigs wurden bekannt. Als Mr. Symarip soll er doch tatsächlich und leibhaftig der Vater des Skinhead Moonstomp sein, der diese Hymne seinem alten und neuen Publikum so wie damals zu Gehör bringt!
Nachdem sich nun also Roy Ellis im Jahr zuvor in Potsdam beim Ska-Festival seinen Fans präsentiert hatte, gab es am 5. November 2005 eine neue Gelegenheit im Kato in Berlin, „Caleb“, den Boss Skinhead, hautnah zu erleben. Wobei man „hautnah“ ja schon ganz wörtlich sehen darf, denn Roy Ellis lässt es sich nicht nehmen, zum Skinhead Moonstomp seine kurzhaarigen Fans auf die Bühne zu bitten. Da wo andere Urgesteine des Offbeats sich durch die Security abschirmen lassen, da nimmt der Boss Skinhead ein Bad in seinem Publikum so wie in den alten Tagen.
Auch hinter den Kulissen präsentierte sich Roy Ellis an diesem Abend sehr unkompliziert und sympatisch. Nach getaner Arbeit beim Soundcheck meinte er, dass es ihm jetzt nicht sonderlich viel Spaß machen würde, bis zu seinem Auftritt im Hotel vor dem Fernseher zu sitzen. Er würde doch viel lieber gleich hier bleiben, um bei der Musik und bei den Musikern zu sein. So schafften wir schnell aus dem Cafébereich ein Sofa herbei, um es im Nebenraum vom Backstage aufzustellen. Ein bedrohlich aufgetürmter Stapel von Stühlen wurde unter tatkräftiger Beteiligung des Meisters weggeräumt und so gab es auf dem Sofa schon gleich einmal einen wunderbar familiären Rahmen für das Interview.

Roy Ellis – der Vater des legendären „Skinhead Moonstomp“, der Hymne der Skinhead-Bewegung von 1969. Herzlich willkommen in Berlin!
Thank you very much! Ich bin nun schon zum 5. Mal in Berlin. Allerdings zum ersten Mal, um ein Reggae-Konzert zu geben. Ich freue mich schon darauf, denn es gibt hier in Deutschland viele Fans von mir, die mich noch nie gesehen haben. Vor 2 Jahren war ich schon mal in Potsdam und ich hatte dort viel Spaß. So hoffe ich, dass wir uns heute Abend alle wieder sehen.

Im Jahr 1969 war das große Jahr der Mondlandung und das große Jahr der Skinheads. Was hast Du damals in England für Eindrücke gehabt?
Als wir 1969 den Skinhead Moonstomp produzierten, waren die Skinheads ja schon da. Aber jetzt war der Höhepunkt der Skinhead-Bewegung. Ein großer Eindruck für uns war, dass wir viel Spaß mit denen hatten, aber dass die Skinheads andererseits die Pakistani schlugen. Wir auf der Bühne waren ja alle schwarz und die Skinheads feierten uns. Also der größte Eindruck für uns war, dass die Skinheads einerseits die Pakistani schlugen und andererseits zu Reggae und Ska tanzten. Die Mod- und Skinhead-Bewegung war fasziniert von Symarip.

Wir nahmen die Ska-, Rocksteady- und Reggae-Musik und experimentierten damit. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir noch nicht, was wir damit in Bewegung brachten. Heraus kam etwas, was man dann 10 Jahre später „2-tone“ und „One-Drop“ nannte. Aber wir fingen damit an. Unseren letzten Auftritt hatten wir 1970 im Wembley Stadion. Wir verließen dann England, um den Reggae in Deutschland, Österreich, Schweiz, Italien, usw. einzuführen. Dort waren ja die Leute mit dieser Musik noch nicht vertraut. Wir hatten damals nicht vor, wieder nach England zu gehen. Wir heirateten und veränderten unseren Stil. Wir mischten Tanzmusik mit Reggae. Das ging so bis vor 3 Jahren.

Ich lebe ja schon seit Langem in der Schweiz. Und vor 3 Jahren kam plötzlich eine Horde Skinheads an mein Haus und klingelte. Ich erschrak, da ich nicht wusste, was die im Schilde führten. Sie waren in voller Montur, Glatze, Boots, ... Ich dachte mir Scheisse, was wollen die und ging nach oben, um meine Machete zu holen. Mit der Machete in der Hand ging ich zur Haustür, öffnete und sagte in sehr scharfem Ton: „Was wollt Ihr Typen hier?“ Weißt Du was sie sagten? „Wir wollen nur ein Autogramm. Wir erfuhren, dass der Boss Skinhead seit 25 Jahren bei uns in der Schweiz lebt und jetzt haben wir Deine Adresse herausgefunden.“ Alle waren begeistert, dass sie mich hier sehen konnten. Sie sagten, dass ich unbedingt wieder auftreten müsste. Sie hatten mich ja noch nie auf einem Konzert gesehen. Und so kam es, dass ich wieder hier bin. Die Band war schon 1988 auseinandergegangen. Aber nachdem ich seinerzeit alle Songs selber geschrieben hatte – ich war ja der Sänger – entschied ich mich dazu, nunmehr alleine aufzutreten.

In dem Augenblick, als die Schweizer Skinheads zu Deinem Haus kamen – war das der Moment, wo Du Dir gesagt hast, jetzt mach’ ich’s wieder?
So kann man es sagen. Sie hatten mich ja schier gezwungen, wieder anzufangen. Ich hatte ja zwischenzeitlich mein musikalisches Schaffen völlig umgestellt. Wie ihr wisst, bin ich in der Schweiz ein sehr berühmter Gospelsänger. Nun ist „Symarip“ auf der Welt ein sehr berühmter Name. Andererseits ist „Roy Ellis“ in der Schweiz ein sehr berühmter Name. So entschied ich, beides gleichzeitig zu tun. Im November und Dezember bin ich mit meinem Gospelchor unterwegs und gleichzeitig trete ich eben auch mit Ska-Bands auf. Es ist ein wunderbarer Zustand. Weißt du, es ist wichtig, flexibel zu sein.

Wenn wir jetzt nochmal auf den Skinhead Moonstomp zurückkommen: Wie habt Ihr den damals eigentlich produziert? War das mehr eine Improvisation in einem Club oder habt Ihr den so richtig studiomäßig eingeübt. Die Skinheads, die man im Hintergrund hört ... ?
Es ist so: Bevor der Skinhead Moonstomp erschien, haben wir schon als „The Pyramids“ gespielt. Wir haben mit „Train To The Rainbow City“ auch schon einen Hit gehabt. Und die Skinheads waren ja schon da und da hat jemand von einer Plattenfirma zu uns gesagt, bei dem wir LP-Aufnahmen hatten: Ihr habt schon so viele Hits, aber Ihr habt doch so viele Skinhead-Fans. Warum schreibt Ihr nicht was über die Skinheads? Und gerade zu der Zeit sind ja die Menschen auf dem Mond gelandet und Derrick Morgan ist mit dem „Moon Hop“ herausgekommen. Und da hat Graham Goodhall – ein sehr Bekannter in der Musikszene – zu uns gesagt: „Nehmt den Rhythmus vom ‚Moon Hop’ und Roy schreibt gute Texte, schreib etwas über die Skinheads ...“ Und so ist es zum Skinhead Moonstomp gekommen.

Und stellt Euch mal vor: In England sind die neuen Platten immer am Freitag herausgekommen. Wir waren unterwegs zu einem Gastspiel in Birmingham, als wir an einer Ampel warten mussten. Und neben der Ampel war ein Musikgeschäft. Wir standen also an der Ampel und hörten plötzlich aus dem Laden heraus „Yeh, Yeh, Yeh, Yeeeeh, Yeh!“. Wir dachten: „Das kann nicht sein, die Platte ist gerade vor ein paar Tagen herausgekommen.“ Wir sind also extra in den Laden hineingegangen, ich habe extra einen Kaffee gekauft und der Mann hinter dem Tresen – der uns nicht erkannte – hat gesagt: „Die Platte geht weg wie die warmen Semmeln!“ Der Song kam dann blitzschnell in die Hitparade. Er ist allerdings nicht so weit nach oben gegangen, denn die regulären Radiostationen haben ihn nicht gespielt. Nur die Piratensender „Radio Caroline“, „Radio Luxemburg“, „Radio London“ und so weiter. Die Skinheads waren ja so berüchtigt für ihre Aggressionen gegen die Pakistani. Deshalb bekam der Song keine große Promotion. Aber trotzdem – es ist ein Hit. Vom Skinhead Moonstomp wurden zwischen 1969 und 2003 nicht weniger als 7 Millionen Exemplare verkauft. Sowohl als Single als auch auf Compilations. Der Song war dreimal ein Hit. Zweimal mit uns und einmal mit den Specials. Nun ... und da bin ich wieder!

Jetzt doch noch mal die Frage, wie habt Ihr das konkret produziert? Hast Du da so eine Gruppe von Skinheads gehabt und gesagt „Hört mal zu, wir machen das und das Arrangement“?
Also, mit der Aufnahme hatten die Skinheads nichts zu tun, die waren unsere Fans. Wir haben das ganz alleine als Symarips gemacht. Und für die Skinheads war der Song dann eine Überraschung.

Roy, was hat Dich damals eigentlich besonders an den Skinheads fasziniert?
So der Military-Typ. Ich war damals jung und so ein Military-Kopf. Und die Skinheads waren von der Erscheinung her so wie die amerikanische Navy: Stiefel, kurze Haare, ... Was mich noch mehr faszinierte, war das auf den Konzerten. Wenn die schwarzen Menschen Musik genießen – schön, aber nicht so wie die Skinhead-Fans. Sie haben die ganze Musik verinnerlicht. Sie singen jedes Stück, jede Platte, sie können die ganzen Texte auswendig und wir auf der Bühne sind für sie wie Gott. Und beim Tanzen klatschen sie. Die schwarzen Menschen klatschen nicht so viel. Und bei den Skinheads – Roy auf der Bühne – und sie springen herum, das ist das Faszinierende.

Beim letzten Konzert 1970 im Wembley Stadion war ein Teil vom Stadion ausschließlich mit Skinheads besetzt, die Typen waren von ganz England hergekommen. Wir haben viele Stücke gespielt und sie saßen ganz brav herum. Doch als wir mit dem Skinhead Moonstomp begannen – „I want all you Skinheads to get up on your feet ...“ – man konnte meinen, es wäre ein Fußballtor gefallen, alle sprangen sofort auf – „... put your braces together and your boots on your feet ...“ – also, da war dann das ganze Stadion zertrampelt, so viele Leute kamen über den Rasen daher. Danach konnten wir keine Location in England mehr finden, denn alle Veranstalter haben abgesagt. Wir haben zwar immer hunderte und tausende Skinheads als Gäste herangebracht, aber die Veranstalter mussten immer so viel Geld ausgeben für die Reparatur. Immer wenn unsere Skinhead-Fans da waren, waren nachher die Stühle kaputt, waren die Gläser kaputt, nicht wegen einer Schlägerei, sondern immer wenn der Skinhead Moonstomp kam, haben sie so stark gestompt ...

Zurück zur Frage. Ich habe für die den Skinhead Moonstomp und die anderen Stücke geschrieben. Das ist jetzt 35 Jahre her und ich hätte nie gedacht, dass es sich bis heute so halten würde. Das hat mich stolz gemacht. Es war eine wunderbare Zeit. Es war natürlich eine ziemlich grobe Sache, aber wir haben Glück gehabt, wir waren die Künstler auf der Bühne. Und die Skinheads hatten vielleicht am Tag vorher 20 Pakistani verprügelt, aber am nächsten Tag kamen sie zu uns auf’s Konzert. Bis heute kann sich niemand erklären, was sie gegen die Pakistani und Inder hatten. Sie demolierten die Geschäfte der Pakistani, aber wir hatten auf der Straße nie Probleme mit den Skinheads. Auf der Bühne hat nie jemand versucht, uns anzugreifen. Auf der Bühne war Symarip für die wie Gott. Denn sonst hat damals niemand Musik für diese Leute gemacht. Wir haben eine ganze LP für die gemacht: „Skinhead Moonstomp“, „Skinhead Jamboree“, „Skinhead Girl“, usw. Nicht nur ich, auch mein Partner Monty Montgomery bzw. Monty Neysmith, wie er damals hieß.

Auch heute noch sind wir in England für die Skinheads wie ein Gott auf der Bühne. Vor ein paar Wochen waren wir beim Club Ska in London. Und der letzte Song war der Skinhead Moonstomp und ich musste von der Bühne fliehen. Denn sie haben uns ja seit 35 Jahren nicht mehr gesehen. Man sah auf der Bühne lauter Glatzköpfe, aber keinen Roy Ellis mehr. Damals war ich ja immer mit Boots und Braces auf der Bühne und jetzt in London wieder. Sie waren so fröhlich und haben mich in die Luft gehalten zu „These Boots Are Made For Stompin“. Nach dem Konzert war das ganze Lokal alles voll Glas. Sie sind auf den Biergläsern getrampelt, man konnte das nachher sieben, so fein waren die Scherben. Es war ein wunderbares Gefühl nach so langer Zeit. Und viele alte Skinheads waren da. Ich wusste nicht, dass es so alte Skinheads gibt – bis 70 Jahre alt! Ich dachte immer, das wäre was für junge Leute. Aber jemand hat mir erklärt „Nein, Skinhead Movement ist dasselbe wie wenn ein Rock’n’Roll Star kommt oder ein Country Star oder Rolling Stones oder Mick Jagger. Es gibt da immer die Fans im selben Alter, nicht nur die jungen Leute.“ Man muss sich vorstellen: 70 Jahre alte Skinheads, immer noch in Stiefeln, keine Zähne mehr, usw. Das ist ein ganz super Gefühl. Und sie sagen: „Ich habe Dich vor 35 Jahren gesehen und da war ich 35 Jahre alt! Und das ist übrigens mein Sohn, der ist auch ein Skinhead.“ Das ist wirklich ein schönes Gefühl. Ich finde es wunderbar.

Du hast es vorhin schon angesprochen, Dein Hauptschaffen ist jetzt als Gospelsänger ...
Ja schon, aber ich würde sagen, im Moment ist es zur Hälfte Gospel und zur Hälfte „on the road“ mit verschiedenen Bands. Es kommen so viele Anfragen. Ich komme im Dezember wieder in Leipzig mit Soulfood International. Im Januar geht es nach Spanien.

Mein Comeback und die Gospels sind jetzt fast 50:50. Im Sommer habe ich keine Gospel-Aufführungen. Die Gospels mit meinem Chor sind hauptsächlich im November und Dezember, in der Adventszeit, da verlangen die Leute diese Musik. Im Sommer bin ich auf vielen Hochzeiten aufgetreten. Die Leute, die meine Gospel-Aufführungen besuchen sagen: „Das war super, das will ich für meine Hochzeit!“ Also das mach ich seit 20 Jahren auch. Bevor ich mit dem Ska und Reggae wieder begonnen hatte, habe ich im Sommer Soul gemacht so zwischendurch für Firmen, aber eigentlich keine Gospel-Konzerte.

Wir verbinden mit Gospel sehr tiefen religiösen Ausdruck. Was bedeutet Religion für Dich?
Das ist eine gute Frage. Wenn man in einer Religion aufgewachsen ist, ist das sehr schwer zu formulieren. Ich weiß, dass es Gott gibt. Ich bin bei den Schwarzen in Amerika, auf Jamaika aufgewachsen. Dort ist es ein Muss, in die Kirche zu gehen. Ich bin einfach so programmiert, dass Religion für uns sehr wichtig ist, es gibt einen Gott, man muss beten und in die Kirche gehen. Du bist katholisch – also weißt Du, dass das so ist. Ich bin mit der Religion aufgewachsen, ich musste Gospels singen, das heißt, ich habe meine Karriere als Sänger in der Kirche begonnen. Die besten Sänger in Amerika und Jamaika haben diese Biographie. Sie haben alle in der Kirche mit dem Gesang angefangen. Später teilt sich das dann in Blues und Soul und Gospel und Funk auf. Aber egal was einer singt, jeder Schwarze hat die Gospel Roots in seiner Stimme.

Von George Marshall, dem Biographen der Skinhead-Bewegung („The Spirit Of ’69 – A Skinhead Bible“) stammt der folgende Satz: „Und am Tage des Jüngsten Gerichts werden unzählige Kids in Boots und Hosenträgern die heilige Pforte überqueren. Wartet's nur ab!" – Kannst Du dem zustimmen?
Na, das ist schon richtig, das könnte vielleicht so kommen. Es ist halt schade, dass es auch Skinheads gibt, die nicht in Ordnung sind. Es wäre schön wenn man das ändern könnte. Manchmal würde ich mir wünschen, es käme eine gute Fee, die das – bing – ändert. Aber sonst, es wäre super, wenn das klappen würde, ich wäre sehr dafür. Dann würde im Himmel gestompt werden. Ich habe gerade eine neue LP aufgenommen, mit den Liquidators, die kommt nächstes Jahr heraus. Ich habe auf der LP ein Lied „I’ve got boots, you’ve got boots, all of the Skins got their boots. When we stomp into the rocket we gonna crossing and stomp all over the moon …”. Also ich weiß nicht, ich habe immer viele Lieder geschrieben mit dem Mond und dem Himmel und den Sternen, ich weiß nicht warum. Vielleicht gibt es irgendwann im Himmel nur Skinheads. Vielleicht hat dann sogar der heilige Petrus an der Himmelspforte Stiefel und Hosenträger an!

Naja, das sind natürlich Phantasie-Sachen. Aber es ist schön, sich so was vorzustellen. Man muss sich manchmal einfach Bilder machen. Denn viele Sachen in der Bibel waren nicht so, da wurde ja immer wieder umgeschrieben. Vieles in der Bibel ist Philosophie. Vieles was da geschrieben steht, muss man nicht wörtlich übernehmen. Es sind Beispiele und man muss einfach Phantasie haben.

Wenn wir jetzt schon so ein bisschen beim Phantasieren sind, noch eine Frage: „Skinhead“ und „Reggae“ sind ja in den öffentlichen Klischees ein totaler Widerspruch. Skinheads, das sind die, die schlagen – Reggae, das ist Bob Marley, Religion, Befreiung. Aber es gibt ja Skinhead Reggae und das ist gute Musik, die Ihr damals gemacht habt und die Ihr wieder macht. Würdest Du Dir wünschen, dass in den Radiostationen öfter mal Skinhead Reggae kommt?
Es ist schade, ich denke das jedes Mal. Es gibt so viele Skinheads überall auf der Welt, aber fast keine Skinheadmusik im Radio. Schade, es ist genauso wie in England 1969. Der Skinhead Moonstomp wurde im nationalen Radio nicht gespielt – nur bei den Piratensendern. Aber es ist trotzdem ein Hit geworden. 10 Jahre später – Specials, Madness, die wurden alle in den Radios gespielt. Wir haben es also geschafft, aber erst 1980. Als der Skinhead Moonstomp von den Specials herauskam, wurde er Nr. 1 in der Hitparade. Zu meiner Zeit wäre das nicht möglich gewesen. Wir hatten eben kein Glück. Unser Skinhead Moonstomp ist damals zwar in die Hitparade gegangen, aber nicht so hoch wie dann bei den Specials. Spielt keine Rolle, die Urheberrechte liegen so und so bei uns. Aber schade, es hätte damals ein Nr. 1 Hit werden können. Trotz allem, es war dreimal ein Hit. 1969 und dann zweimal 1980. Die Version von den Specials auf Platz 1 und unsere Version remixed auf Platz 44.

Aber ... vielleicht kommt das irgendwann. Es gibt eine Sendung in Spanien auf Radio Madrid jeden Mittwoch, da spielen sie viel Skinhead Reggae. Die ist von einem guten Freund von mir von den Liquidators, die meine neue Platte eingespielt haben. Es gibt dann noch eine Sendung in Hannover von dem Siggi Seidel, die heißt „Bluebeat In My Soul“. Er spielt viel Skinhead Reggae. Also eine Woche Skinhead Reggae, eine Woche alten Reggae und Northern Soul, eine Woche nur Ska, eine Woche Dub. Aber auf Viva oder MTV gibt es keinen Skinhead Reggae die ganze Zeit über. Ich finde das schade. Das Skinhead Movement, der Ska und der Skinhead Reggae, das ist doch eine ganz große Marke. Meine neue CD, die würde überall so gut gehen. Aber es heißt überall, Skinhead Musik spielen wir nicht. Ich finde, es ist diskriminierend. Die öffentlichen Stationen spielen immer dasselbe, das ist doch eigentlich monoton.

Kommen wir zu Deinen Musikproduktionen zurück. Du bist 1966 nach England gegangen, wenn wir richtig informiert sind ...
... nein, das war schon 1961. Ich war damals 14½ Jahre alt. Ich war der Jüngste.

1961 und in den folgenden Jahren war ja die große Zeit des Jamaikanischen Ska. Hast Du damals eigentlich schon produziert?
Nein, erst mit 17. Da hab ich mein erstes Lied geschrieben. Übrigens, es gibt jetzt eine ganz neue Webseite von Symarip. Dort gibt es eine große Biographie von der Gruppe und von mir. Ich erzähle da, wie ich nach England gekommen bin und wie ich meine erste Platte produziert habe. Ihr könnt das da alles nachlesen. Und immer mal wieder reinschauen, denn das wird dann ständig upgedatet! Also, mit 17 Jahren habe ich meine erste Platte aufgenommen. Folgende Leute waren dabei: Rico Rodriguez auf der Posaune, Georgie Fame war am Keyboard, Tony Washington war am Klavier, Ernest Ranglin, der berühmte Gitarrist aus Jamaika, der war halb schwarz und halb chinesisch. Das machte mich sehr stolz, dass mich auf meiner ersten Platte gleich solche Leute begleiteten. Ich habe das bei meiner neuen CD nochmal aufgenommen.

Das ist jetzt eine komplett neue CD?
Ja. Sie heisst „The Skinheads Are Coming“. Also, das ist der Titel auf englisch. Darüber wird der Titel auf jamaikanisch stehen. Und das Cover, das ist wirklich lustig! Man sieht auf dem Foto eine lange Straße mit etwa 20 Skinheads. Und auf den ersten Blick meint man, sie springen mir nach und ich habe Angst, dass sie mir etwas antun wollen. Aber wenn man genauer hinsieht, dann haben sie CDs vom Album „Skinhead Moonstomp“ und Kugelschreiber in der Hand und sie wollen alle ein Autogramm von mir. Auf der Rückseite sieht man dann, wie ich dasitze und die Autogramme gebe und die Skinheads alle in einer Schlange anstehen. Das ist doch ein schönes Cover mit Phantasie. Wenn da die Skinheads in ein Plattengeschäft gehen, dann werden sie erstaunt sein und das Album in die Hand nehmen und kaufen. Und es ist wirklich schöne Musik drauf. Also, ich habe in England und in Deutschland verschiedenen Leuten die Belegexemplare geschickt und sie meinen, das wird 2006 das beste Ska-Album werden. Also ich bin so glücklich, dass ich wieder da bin.
Ich war schon viel in Amerika, in Las Vegas, aber mit Gospel-Konzerten. Nun sagte neulich ein Typ von den Aggrolites – einer bekannten jungen Band aus L.A., die mich begleiteten: „Wenn Du nach Amerika gehst oder nach Mexiko oder nach Japan, dann wirst Du Dir nicht vorstellen können, wie viele Fans Symarip hat. Symarip sind sehr bekannt, sogar bekannter als die Specials. Ihr habt ja schließlich die Skinhead Moonstomp Szene gegründet. Und wir haben alle anderen gesehen, nur Euch nicht.“ Also, die Leute sind so begeistert. Ich bekomme viele Anrufe und E-Mails aus Amerika, Russland, und so weiter. Die Leute fragen, wann kommst Du zu uns auf Tour? Aber es kommt alles mit der Zeit.

Trittst Du in Zukunft wieder unter dem Namen „Symarip“ auf?
... Mr. Symarip ...

Das heisst, Eure alte Gruppe wird nicht mehr wieder entstehen?
Nein. Aber einer der ehemaligen Partner macht mit. Es ist Monty Montgomery, unser Keyboarder. Er schreibt selber Lieder und er war vor ein paar Wochen auf dem Konzert in London dabei. Ich habe jetzt dann eine große Tournee in Japan und Monty kommt ebenfalls mit. Wir sind beide gute Show-Männer. Er wohnt allerdings in Atlanta. Wenn es sich die Veranstalter leisten können, seine Reise zu bezahlen, dann macht er mit. Aber 90 % mache ich alleine als Mr. Symarip.

Noch eine Frage: Laurel Aitken hat ja damals Lieder für Euch geschrieben ...
Er hat uns entdeckt und wir waren dann die Begleitband von Laurel. Er war ja sozusagen der Großvater des Ska. Als er angefangen hatte, brachte er Boogie Woogie, Shuffle und wie man das nannte. Es war zwar so wie Ska, aber der Begriff war damals noch unbekannt. Als wir ihn begleiteten, war bei ihm noch viel Boogie Woogie und auch immer viel Latin dabei, denn er war ja Kubaner, also Sachen mit Labamba und er hat auch viel spanisch gesungen und so Schmuseszenen und so weiter und so Bluebeat-Sachen wie „Oh, Mary Lee, ...“ (macht den Rhythmus nach). Wir haben auch eine Vorband für Laurel gemacht und hatten damit einen Riesenerfolg in Großbritannien. Und dann hat Laurel gesagt, wir könnten auch Prince Buster begleiten. Er war damals gerade mit „Ten Commandments Of Man“ in der Hitparade und hatte damit einen Riesenerfolg. Aber er suchte eine Begleitband und so haben wir die Riesenchance erhalten durch Laurel. Wir konnten dann auch Desmond Dekker begleiten und Millie Small. Mit Millie haben wir sogar eine LP produziert, auch eine mit Desmond. Wir begleiteten die Ethiopians, Jackie Edwards, Owen Grey, Toots And The Maytals. Und dann hatten wir unseren ersten Hit „Train To The Rainbow City“ unter dem Namen „The Bees“ – noch nicht als Pyramids oder Symarip. Wir sind da mit Eddie Grant in Kontakt gekommen und der hat das Stück für uns produziert. Aber ich muss Laurel sehr dankbar sein, denn er hat uns entdeckt. Ohne ihn würde ich vielleicht jetzt nicht so hier sitzen. Er hat die erste Platte für uns geschrieben – „Jesse James Rides Again“, ein Instrumental und „Because I Love You“ auf der B-Seite.

Laurel und Du – Ihr wart die ganzen Jahre über in Verbindung? Praktisch bis zu seinem Tod jetzt?
Ja, ganz genau. Das Lustige ist, Laurel ist der Godfather of Ska. Aber er ist erst in die Skinhead-Szene gekommen, nachdem wir von England weggegangen waren. Vorher hat er nicht so viel mit Skinheads gemacht. Aber dann haben wir plötzlich Laurel im Radio gehört „Skinhead, Skinhead, ...“ Und im Fernsehen. Da standen plötzlich die Skinhead-Fans um Laurel auf der Bühne herum. Das war ja eigentlich unsere Szene. Aber wir waren selber schuld. Denn wir sind gegangen und da hat Laurel gedacht, jetzt mach ich da eben weiter. Er hat dann auch einen Hit mit den Skinheads gehabt.

Ich hatte ein Konzert in der Schweiz und Laurel dazu eingeladen. Wir haben uns unterhalten und er meinte, es wäre schade, dass wir nicht weitergemacht haben. Aber er würde sich wünschen, dass wenn er stirbt, dass wir dann seinen Platz in der Reggae-Szene übernehmen. Und genauso ist es jetzt gekommen. Wir haben ein ganz schönes Lied für ihn geschrieben „Laurel’s To Laurel“ für die DVD als Tribute to Laurel. Ich sagte zu ihm: „Monty und ich haben ein Lied für Dich geschrieben, das heisst ,Laurel’s To Laurel’.“ Da war er total beleidigt. Er sagte: „Schreib den Produzenten, ich möchte kein Tribute, ich bin noch nicht tot!“ Das war vor zwei Jahren – und jetzt ist er gestorben.

Ich habe seiner Ehefrau Geld geschickt und mit ihr gesprochen. Sie hat gesagt, sie braucht Hilfe. Und deshalb gehe ich jetzt nach Spanien, am 27./28. Januar und mache ein Gratis-Konzert. Der Veranstalter zahlt meine Reise und mein Hotel, aber ich nehme keine Gage. Laurel hat ja kein Geld mehr gehabt, er ist total ausgeblutet. Er war ja als alter Mann immer noch auf der Bühne. Er hat sich nicht geschont, weil er die Gage brauchte. Schade. Und jetzt ist er gestorben und da waren noch so viele Verträge, die er nicht mehr erfüllen konnte. Auf dem Konzert vor ein paar Wochen in London, da sollte er dabei sein als Überraschung für uns und jetzt hat es nicht mehr geklappt.

So mache ich jetzt was ich kann. Ich habe ja gesagt, ich bin ein dankbarer Mensch. Ich kann nicht immer nehmen, ich muss auch wieder was geben. Ich bin nicht reich. Vielleicht wenn ich einmal gehe, dass dann die Leute auch ein Benefizkonzert geben, für meine Frau und mich. Man muss einander helfen, wenn es geht.

Zu Laurel und Euch noch eine Frage. Wir haben uns kürzlich über den Song „Skinhead Girl“ unterhalten. Das ist ein großer Hit hier auf unseren Partys. Hat Laurel was zu tun mit dem Song?
Der Song wurde von so vielen Leuten aufgenommen, insgesamt etwa 10 mal. Laurel hat auch ein paar Lieder aus unserem Programm gesungen, aber er hat nichts mit „Skinhead Girl“ zu tun. Aber es ist schön, wenn das alle singen. Bad Manners, Specials, die haben das aufgenommen, viele Leute in Spanien oder Amerika auch. Auch den Skinhead Moonstomp haben viele Leute aufgenommen. „Train To The Rainbow City“ hab ich sogar mal auf Spanisch gehört. Von den Peeping Toms.

Roy, dann können wir uns ja auf viele Veröffentlichungen freuen und wir können uns vielleicht auch auf ein paar Wiederauflagen von alten Aufnahmen freuen – ist da auch was geplant?
Alte Aufnahmen nochmal aktivieren? Vielleicht in der Zukunft, wenn ich ein gutes Angebot bekomme. Aber viele Leute kommen zu mir und wollen einen Remix mit meinen Aufnahmen machen. Viele junge Gruppen kommen auch und wollen ein Stück von mir neu für ihre Platte aufnehmen. Ich habe zwei Lieder für die neue LP von Kalles Kaviar aufgenommen. Eine andere Gruppe hat mich nach einem Lied von Delroy Wilson gefragt, „Better Must Come“. Ich bekomme viele Anfragen, aber ich habe leider nicht so viel Zeit dafür. Vor einem Jahr ist das Album „The Best Of Symarip“ herausgekommen. Da sind viele alte Sachen drauf, die seit 30 Jahren nicht mehr aufgelegt wurden.

Und wir können uns auf viele Konzerte von Dir freuen in Zukunft ...
Nun, ich hoffe es. Ich möchte so lange singen, wie ich kann, aber man kann das Leben ja nicht bestimmen. Du bist heute noch da und morgen bist Du schon weg, ich kann nur hoffen. Ich stelle mir manchmal vor, ich bin ein Botschafter für diese Musik. Wenn ich auf der Bühne stehe, fühle ich mich wie ein Prediger, so wie Bob Marley. Meine Musik ist eine fröhliche Musik für die Skinheads. In meinen Stücken kommt nie etwas in Richtung Gewalt vor. Das ist alles was fröhliches zum Mitsingen und so können die Leute meine Lieder nie vergessen. Auch auf meiner neuen LP ist wieder Skinhead-Musik, die jeder mitsingen kann. Es sind lustige Texte, Sachen zum Lachen. „Back From The Moon“ zum Beispiel (singt eine Passage des Liedes). Das ist die Musik, wo die Skinheads zu uns gesagt haben, wir sind wie Gott für sie. Sie sagen zu mir immer nur „The Boss“. Viele sagen auch „Caleb“ zu mir, wegen dem Skinhead Moonstomp. Ich sage dann, ich heisse nicht Caleb, sondern Roy. Aber sie sagen einfach: „Hello Caleb“.

Bekommen wir „Back From The Moon“ heute Abend zu hören?
Ja, es wird das zweite Stück sein. Das erste Stück wird eines aus meinem Soul-Programm, ich habe das in ein Reggae-Stück umgeschrieben. Ich wurde von der Band gefragt, ob ich das so machen könnte und ich sagte kein Problem! Normalerweise ist mein erstes Stück „Back From The Moon“, das heisst, ich bin „back“. Ich war ja so lange weg, wir sind sozusagen beim Skinhead Moonstomp auf dem Mond gestompt, für 35 Jahre, und jetzt sind wir „back from the moon“.

Nun werden wir also einen wunderschönen Abend mit Roy Ellis genießen. Vielen Dank, dass Du nach Berlin gekommen bist und vielen Dank für das Interview!

Autor: Thomas