1989 war das Jahr, was in die Geschichte einging. Nein, falsch, hier geht es natürlich nicht um die deutsche Wiedervereinigung oder den Zusammenbruch des Ostblocks, sondern um das europäische Ska-Revival Ende der 80er Jahre. Die englische Plattenfirma Unicorn brachte den legendären „Skankin´ Around The World“-Sampler heraus. Auf dem jungen, deutschen Skalabel Pork Pie begann die „Skandal“-Samplerreihe. Die spärlichen Reste der SPECIALS und von THE BEAT gründeten „SPECIAL BEAT“, um noch einmal schnell ein paar Pfund mit ihren alten Hits zu verdienen. Die BUSTERS und NO SPORTS wurden langsam zu internationalen (Ska-)Markennamen. In dieser Zeit gründeten sich auch die RIFFS aus England. Ihr Sound war klassischer 2Tone-Ska-Pop. Wenig später lösten sie sich frustriert auf. Vom Label betrogen, von britischen Konzertveranstaltern größtenteils abgezockt und von einigen Bandkollegen genervt. Doch plötzlich treten sie 2003 wieder regelmäßig auf. Es dauert nicht lange, und sie sind auch in Österreich und Deutschland für einzelne Shows wieder zu sehen. Warum bloß? Lest das Interview vor der Show in Dortmund! Hier erfahrt ihr alle schonungslosen Details über die fünf verrückten, chaotischen Briten...
WARNUNG: Es dürfte dem Leser, -aber auch dem Autor hier- sehr schwer fallen, dieses Gespräch in seiner gänzlichen Tiefe nachvollziehen zu können. Die RIFFS sind echte Chaoten, die sehr selten an einem ernsten Gespräch interessiert sind, sondern lieber wie Zirkusaffen durch den ganzen Raum turnen und durcheinander reden. Unbeschreiblich, wie Mark plötzlich aufsprang und wie ein Elefant trompetend durch den Raum stapfte, um uns eine Posaune zu verdeutlichen. Dabei fiel der Rest der RIFFS fast vor Lachen von den Stühlen. Und auch meine Freundin und ich grinsten über beide Backen.... Bitte nehmt nicht jede Aussage der RIFFS für wahre Münze, sie haben einen unglaublichen, ironisch-britischen Humor!!!
Als ich den Flyer für euer nächstes Konzert gelesen habe, stand, dass ihr jetzt einen Reggae-Funky Groove spielt. Ich habe euch als 2Tone-Style-Band auf Unicorn Records in Erinnerung!?
Andy (Trompete, Percussion): Wir haben immer noch viel davon im Programm. Doch wir wollen keine reine Skinhead-Band mehr sein. Wir wollen auch für Hippies und Raver spielen. (Die Band grölt vor Lachen im Hintergrund)
Etwas irritiert: Wie kam es denn dazu?
Andy: Es sind mittlerweile elf, zwölf Jahre vergangen. Die Zeiten haben sich gewandelt. Wir waren nie wirklich harte Skinheads. Es war mehr ein natürlicher Prozess.
Mark (Drums): In Deutschland ist das alles etwas anders. Hier gibt es für alles noch Nischen. Hier kann man noch so bleiben, wie man möchte. Ihr habt den reinen Ska, den Punky-Ska und den Reggae-Ska. Aber in anderen Ländern ist der Ska am Boden. In England z.B. INTENSIFIED. Die sind mehr eine Studioband als eine Liveband, weil es in Großbritannien immer weniger Auftrittsmöglichkeiten gibt. Deshalb bleiben Bands auch schnell stehen. (Mark dreht sich zu seiner Band:) Hey, was hat uns in den letzten fünf Jahren am meisten beeinflusst?
Spencer (Gitarre): Oh, du meinst meine TOP 5 der einflussreichsten Bands?! Meine persönliche TOP 5? Jimmy Hendrix, der hat zwar nichts mit Ska zu tun, aber... Wir haben alle in der Band einen unterschiedlichen Musikgeschmack. Was uns verbindet, ist, dass wir alle gerne Ska hören. Durch Jimmy Hendrix habe ich angefangen Gitarre zu spielen. Andere Leute fangen an Posaune zu lernen, weil sie Rico Rodriguez sehen. Zurück zu meinen Einflüssen: Definitiv das Geschrei meiner Tochter.
- Allgemeines Gelächter-
Duane (Bass): Du solltest dir mal die Kelly Family anhören.
Mark: Oder geh mal im Internet auf diese Seite von „Gefangen nach der Hochzeit“.
- Wieder großes Gelächter-
Spencer: Nein, wir haben keine „Star-Einflüsse“. Wir sind sehr mit Punk und Reggae verbunden. Wir sind immer selbst überrascht, was bei uns am Ende so herauskommt. Wir werden wohl nie eine alte, traditionelle Skaband werden. Das dürfte für uns viel zu schwierig sein.
Ihr habt ja auch kurze Bandabschnitte gehabt...
Mark: Wir haben uns 1989 gegründet, 1991 aufgelöst und 1993 waren wir wieder zusammen bis jetzt.
Spencer: Dieses Line-Up hier heute Abend gibt es seit zehn Minuten und für zwei Stunden. Das ist Bosky, sonst bei den blöden HOTKNIVES Keyboarder, nun bei den grandiosen RIFFS. Dave hat uns kurz vorher im Stich gelassen, da haben wir einfach Bosky eingeladen, der wusste nicht, was er mit dem Samstagabend machen soll...
Bosky (von der genau anderen Seite eines 6m-Tischs): Glaub den kein Wort, Vogel, die haben mich gekidnappt.
Mark: Ach, Quatsch, Bosky gehört eigentlich uns. Wir verleihen ihn nur manchmal, denn wir sind in Wahrheit eine Keyboarder-Verleihagentur. - Okay, Spaß beiseite, wir sind seit über zehn Jahren schon mit den HOTKNIVES befreundet. Äh, was war jetzt noch einmal die Frage?
Spencer: Unsere Bandgeschichte.
Mark: Du meinst, von dieser Band, die einmal eine Bandgeschichte hatte...
Warum spielt ihr eigentlich so selten in Deutschland, wenn hier die Skaszene angeblich so gut ist?
Spencer: Weniger ist mehr.
Mark: Wir haben einfach irgendwann aufgehört in Deutschland zu spielen. Warum genau weiß ich auch nicht mehr. Klar, große Szene, fabelhafter Ruf...
Andy: Das Hauptproblem war, dass, wenn wir Samstag irgendwo gespielt haben, wir es sonntags nicht mehr pünktlich zur Kirche in unserem Dorf geschafft haben. Das fällt in kleinen Gemeinden leider sehr auf.
Spencer: Wir haben wirklich eine ganz schöne Weile nicht mehr in Deutschland gespielt. Erst 2004 wieder.
Wie habt ihr eigentlich den Ska für euch entdeckt?
Mark: Ja, damals war die Skinhead-Bewegung sehr stark, alles war sehr 2Tone-lastig, sehr modebewusst. Du konntest einfach in einen kleinen Club gehen, um Jugendliche zu Punkmusik tanzen zu sehen. Die ganze Szene hat sich gewandelt. Früher gab es THE SPECIALS, BAD MANNERS, MADNESS. Alle waren in den Pop-Charts. Die Jugendlichen interessierten sich für Ska, gründeten neue Bands und lebten das Ganze. Wir sind mit den ganzen TwoTone-Gruppen aufgewachsen. Jetzt ist das alles abgestorben. Die Szene ist am Boden. Es hat sich alles aufgespalten. Die Weißen, die Schwarzen, die Punks, die Reggae-Fans - jeder hört etwas Anderes. Ska verbindet nicht mehr so wie damals.
Doch was ist dann eure Motivation heute noch aufzutreten? Reich werdet ihr ja durch die RIFFS bestimmt nicht mehr?!
Mark: Liebe. Die Liebe zur Musik. Es macht tierischen Spaß Musik zu spielen und live aufzutreten.
Brian: Es ist wirklich so ein wenig, dieses Gefühl kreativ sein zu können. Live zu spielen, etwas einzuproben, etwas aufzunehmen, einfach alles. Es bereitet uns immer noch große Freude. Als wir in Berlin gespielt haben, waren wir Popstars. Man hat uns fürstlich behandelt.
Spencer: Ja, es war wie bei „Top Of The Pops“. Und im Vorprogramm trat BRITNEY SPEARS auf. Hey, Jungs, welche Sängerinnen sind eure TOP 5, die uns einmal supporten sollten?
Mark: BRITNEY SPEARS wäre schon nicht schlecht.
Spencer: KYLIE MINOGUE wäre auch klasse.
Andy: Kylie ist besser.
Sehr amüsiert: Was meint ihr? Kylie mag eure Musik? Oder ihr mögt Kylie?
Andy: Ach, das klappt schon. Das funktioniert.
Mark: Es dürfte für sie ein ganz neues Gefühl sein, vor so vielen Skinheads aufzutreten. Ein ganz neues Publikum für sie.
Andy: Oh ja, ihre Motivation wäre sehr hoch. Das ist einmal Abwechslung.
Mark: Ich denke auch, dass sie topmotiviert wäre.
Andy: Man müsste das Publikum darauf nur schonend vorbereiten, nicht dass es mit der Situation überfordert ist...
Mark: Da gebe ich dir Recht, man müsste es in einen langsamen Prozess einbinden.
Andy: Oh ja, in einen „kontinuierlichen Prozess“ könnte das klappen...
Spielt ihr eigentlich alle nur bei den RIFFS oder geht ihr auch in anderen Bands den Leuten auf die Nerven, ihr Chaoten?
Mark: Hm, ich halte wohl lieber meinen Mund, weil immer, wenn ich etwas sage, lachen immer alle...
Spencer: In England gibt es eine Schwulen-Combo, da spielt er mit...
Mark: Oh ja, sie heißen THE RIFFS oder so ähnlich...
Spencer: Ich spiele in einer Punkband namens NEWS BOYS.
Duane: Ich bin nebenbei noch bei KING KURT.
Mark: Bosky spielt bei Gelegenheit bei den HOTKNIVES.
-Grosses Gelächter-
Spencer: Ich war früher auch bei BAD MANNERS und habe in vielen anderen Punkbands gespielt. Ich habe mir sozusagen die Inspiration bei den aggressiven Bands geholt, um wieder die Qualitäten des Skas zu erkennen. Ska ist die ideale Musik für ein gewisses Alter als Gitarrist.
Ich habe den Eindruck, dass es bei euch auf der Insel immer weniger typische Skabands wie 2Tone, Jamaica oder Rocksteady-Bands gibt, aber vielmehr schnelle Skapunk-Gruppen, die einen starken Punk-Hintergrund haben.
Spencer: Ja, das ist aber nur oberflächlich so. SMOKE LIKE A FISH ist eine sehr empfehlenswerte, britische Skaband. Wir haben erst letztens wieder mit ihnen zusammengespielt. Oder dann gab es dieses Konzert, wo KING DJANGO aus den USA mit INTENSIFIED aufgetreten ist. INTENSIFIED sind auch sehr gut. Und natürlich die HOTKNIVES.
Seid ihr eigentlich alle auf der Insel sehr eng befreundet miteinander: HOTKNIVES, RIFFS, BAD MANNERS und vielleicht INTENSIFIED?
Mark: Also RIFFS und HOTKNIVES sind es.
Andy: BAD MANNERS?! Wir kennen sie sehr gut. Buster Bloodvessel (Bad Manners-Sänger) mag uns. Die Musiker auch...
Buster hat ja auch ständig andere Bandmitglieder bei BAD MANNERS...
Mark: Oh ja.
Andy: Wir spielen aus Spaß. Bei ihm ist das mehr aus anderen Beweggründen.
Spencer: Wir arbeiten alle. Musik ist unser Hobby. Gut, bei Bosky weiß ich das nicht. Er ist ja sowieso etwas anders als wir.
Bosky: Was soll das denn wieder heißen? Ihr habt mir versprochen, dass ihr mich ernstnehmt, wenn ich bei euch für den Gig mitspiele....
Mark: Die HOTKNIVES und RIFFS sind Freunde, weil sie Spaß an der Skabewegung haben. Es gibt nicht wirkliche eine britische Gemeinschaft von Musikern.
Spencer: Nein, ich würde mich nie um dich kümmern. Ich sehe dich heute zum ersten Mal...
Mark: Ich würde dir immer den Hintern abputzen, wenn du mich fragen würdest.
-Allgemeines Gelächter-
Mark: Ja, verletz nur meine Gefühle!
Andy: Könnt ihr das bitte zu Hause klären?! Wir geben hier ein Interview und wollen doch einen guten Eindruck hinterlassen. Entschuldigung an alle Leser und unsere Fans. Mark hat manchmal Aussetzer.
Spencer: Wenn irgendwer einen neuen Keyboarder, Gitarrist oder etwas Ähnliches sucht, muss er sich nur bei den anderen Bands umsehen. Er wird kein Problem sein jemand zu finden - auch ohne Geld.
-Allgemeines Gelächter-
Bosky: Ich weiß gar nicht, wie sie mich überredet haben...
Andy: Ich denke, er war ganz froh, dass er einmal ein paar anständige Gigs spielen darf...
Spencer: ...danach aber nie wieder.
Ich habe gelesen, dass ihr eine neue Scheibe plant.
Spencer: Ahhhhhhhh, weniger ist mehr.
Andy: Unser Sänger Aiden hat uns verlassen. Deshalb mussten wir erst einmal umbesetzen, uns im Proberaum einschließen und proben. Nun schreiben wir jedoch neues Material und beginnen dies aufzunehmen. Das wird noch eine ganze Weile dauern, weil ins Studio gehen für uns, alte Säcke, nicht mehr einfach und billig ist. Wir haben jetzt zwei Songs fertig. Einer wird auf Mad Butcher aus Deutschland auf einem Sampler herauskommen (Skannibal Vol.4 - schon erschienen!) und der Andere auf Jamdown Records.
Mark: Wir wollen wirklich gerne neues Material aufnehmen. Wir haben keine Lust mehr, nur noch herumzusitzen.
Spencer: Er ist es immer, der sich bei unseren Proben Bratkartoffeln brutzelt, während wir schuften...
Mark: Ihr treibt mich noch in ein Soloprojekt...
Spencer: Ja, zu einer Knabenband...
Mark: Ich muss mich hier einmal für meine Band entschuldigen. Wir sind ein versauter Haufen, der nur saufen, derbe Späße reißen und über Politik reden kann. Wir mögen alle Mitternachtskonzerte, weil bis zu unserem Auftritt sind wir alle immer betrunken.
Bosky (sehr skeptisch lachend): Ich weiß nicht, warum ich mir das antue...
Spencer: Bosky war unserem Keyboarder Dave „The Fish“ noch etwas schuldig...
Andy: Ja, so ist das mit den RIFFS unterwegs zu sein: Ein lustiges Leben eben.
Duane: Wir sind wohl eine sehr faule Band.
Spencer: Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.
Andy: Ja, um so einen Mist wie hier in Dortmund zu verzapfen, müssen wir erst einmal zu Hause wochenlang arbeiten, weil wir von der Musik einfach nicht leben können - von dem Geld, was wir für die Gigs bekommen. Deshalb versuchen wir so viel Spaß wie nur irgendwie möglich bei unseren Konzerten zu haben.
Ihr seid ja eine sehr heitere Band. Was hat euren Humor beeinflusst? Monty Phyton? High Fidelity?
Mark: Monty Phyton ist ganz gewiss ein großer Einfluss für uns. Jeder kennt wohl „Die Ritter der Kokosnuss“ und hat den Film Hunderte von Mal gesehen. Wir lachen allgemein gerne. Und zu „High Fidelity“: Es ist einfach cool, immer zu allem eine TOP 5 aufzustellen. Das muss sein.
Leider war es dann für die RIFFS kurz nach Mitternacht im Dortmunder Langen August auch Zeit aufzutreten. Wir mussten das sehr heitere Interview abbrechen. Was ich an den Briten übrigens besonders genial finde: Die Bandmitglieder haben zwar ein geregeltes Berufs- und Familienleben, brechen aber an Wochenenden komplett dort heraus, um eine zünftige Ska-Party zu feiern. So eine Einstellung wünsche ich mir von so vielen Bands, die daran scheitern, Anspruch und Realität als Offbeatcombo zu vereinen. Nach dem Studium / der Schule / den wilden Jahren als Zwanzigjährige haben viele Skagruppen einen Koller, dass sie nicht weltberühmt geworden sind sowie von der Musik nicht leben können und lösen sich völlig frustriert auf, damit die einzelnen Bandmitglieder ein bürgerliches Leben mit Familie, festem Job und Wochenend-Heimwerker-Hobby annehmen können. Wie viele mittlerweile aufgelöste Skacombos vermissen wir deshalb, weil sie nach zehn Jahren Bandgeschichte einfach keine Zeit mehr für die Musik hatten?! Viel zu viele. Die RIFFS zeigen, dass es auch anders geht. Dies finde ich großartig. Also schaut euch diese Gruppe an, wenn sie bei euch in der Nähe auftreten: Sie sind nicht nur eine Top-Party-Skaband, sondern auch unglaublich sympathische Ska-Verrückte. Sie haben es echt verdient!!!
Zusatz für Ska-Experten: RIFFS??? Andy??? Den Namen habe ich doch letztens erst wieder gelesen? Richtig, Andy Gillard ist Herausgeber des Scootering Magazine und verfasst zahlreiche Liner-Notes für Ska-Alben, z.B. für das Soloalbum „The Rude Boy Returns“ vom SPECIALS-Sänger Neville Staple. Außerdem waren die RIFFS vor Kurzem die Begleitband von DAVE BARKER, WINSTON FRANCIS, BOB ANDY und DENNIS ALCAPONE bei der LAUREL AITKEN-Show am 8. Januar 2005 in London!!!
Autor: Vogel