Wild At Heart

Sie sind hier

Wie in unserer aktuellen Printausgabe angekündigt, kommt hier jetzt das komplette Interview mit Lea (Wild At Heart). Aus Platzgründen konnten wir nicht alles ins Heft packen, aber das Interview ist auch einfach zu interessant um einen Teil einfach wegfallen zu lassen. Deshalb hier und jetzt die Vollversion.

Das Wild at Heart in Berlin ist für mich ein ganz besonderer Club. Nicht nur, dass es dort, wie ich hier sicher schon oft erwähnt habe, den besten Frozen Margherita der Welt gibt. Nein, es ist mehr. Wenn mich jemand fragen würde, was es ist, könnte ich das nicht mal mit genauer Sicherheit sagen. In den 5 Jahren, wo ich bis jetzt den Club kennen und lieben gelernt habe, hat man einfach so viel erlebt - seien es jetzt besuchte Konzerte, selbst gespielte Konzerte oder einfach auch „nur“ Besuche, dass man dies einfach nicht an einer Sache fest machen kann. Genauso schnell habe ich mich an das benachbarte, vor ziemlich genau einem Jahr eröffnete, Tiki Heart gewöhnt, von dem ich steif und fest behaupten würde, dass es das auch schon seit Ewigkeiten gibt.
Man hat sich einfach mal kennen gelernt und findet, wenn man nicht ganz menschenscheu ist, sofort Zugang zu Lea, Uli und Volker, den Besitzern der beiden Läden und als ich vor etwas über einem Jahr und Anfang diesen Jahres mal bei der Promotion der beiden ‚Wild at Heart' Compilations behilflich war, hatte ich nicht das Gefühl, irgendeinen Job zu erledigen, sondern einfach nut Teil einer Gemeinschaft zu sein, die voneinander lebt, sich gegenseitig unterstützt und zusammen feiert. Im Mai wird der Club, der nicht nur über die Grenzen Berlins sondern gar Deutschlands und Europas bekannt ist 10 Jahre alt. Zeit also, den Club mal etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Und außerdem passt das auch noch hervorragend in unsere Serie, wo wir über Berliner Clubs berichten. Das Gespräch führte ich mit Lea in lockerer Atmosphäre im angesprochenen Tiki Heart. Und wenn Ihr mal in Berlin seid, dann schaut dort unbedingt mal vorbei. Denn dieser Club ist eine lebende Legende…

Hey Lea! Sag mal Ihr werdet dieses Jahr 10 Jahre alt. Habt Ihr denn mitbekommen, wie schnell die Zeit verfliegt?
Gute Frage. Kann ich gar nicht mal so sagen. Am Anfang ist sie langsam verflogen. Superlangsam. Und dann nach dem 7. Jahr war irgendwie so ein Knick und schon waren's zehn. Die ersten sieben Jahre… Ich find auch immer, dass sich sieben Jahre mehr anhören als zehn. Weil zehn so'ne runde Geschichte ist und Du denkst, die sind schon mal schnell vergangen…

Wie hat denn alles angefangen? Wessen Idee war das? Aus welcher Motivation habt Ihr beschlossen, den Club oder die „Kneipe“ aufzumachen? Eigentlich gibt es ja „normale“ Kneipen genug hier in dieser Gegend und überhaupt…
Früher nicht. Nicht vor 10 Jahren. Da gab es gar nichts dergleichen. Da gab es eigentlich nur das SO. Und das Trash war eher, na sag ich mal so im Umkippen. Und sonst gab es nichts. Es war halt so, ich hatte mal das ‚Madonna' nebenan, war da mit dran beteiligt und bin dann damals ausgestiegen und wollte eigentlich nicht unbedingt etwas Anderes machen. Aber ich hatte mich schon immer in diesen Laden hier verliebt. Das war so ein kleines Kino, das FSK - die gibt es ja immer noch, und ich kannte die Besitzer. Und das war auch eigentlich der Grund, warum es geklappt hat. Die haben mich irgendwann mal angesprochen, weil ich immer das Spreewaldplatzfest organisiert habe, mit anderen natürlich und unter anderem auch mit denen. Die haben meistens irgendwelche Projektionen gemacht oder irgendwas. Da haben sie mich jedenfalls angesprochen, dass sie bald raus gehen, weil sie jetzt endlich ein großes Kino gefunden hätten. Weil das war ein ganz kleines Kino für die Leute damals mit, lass mich nicht lügen, 30 Sitzplätzen… Weil die Hälfte des Raumes war Projektionsraum, da war die Hälfte des Wild at Hearts schon mal dicht… Dann hatten die so Kinobänke drin. Ein Independentkino halt.

Also eigentlich schon ein Club mit Tradition…
Ja, aber für die war es überhaupt nicht machbar. Weil, die Mieten waren damals schon ziemlich hoch hier in der Gegend und wenn Du da 30 Leute hast, wovon dann wahrscheinlich am Abend 10 kommen, kann auch so ein kleines Kino nicht existieren. Und die sind ja dann richtig groß geworden. Die sind an den Oranienplatz gezogen und haben da so einen Neubau bezogen und haben sich halt vergrößert und wollten halt einen Nachmieter. Da habe ich mir dann echt überlegt, ist ja nun genau hier in meinem Kiez, wo ich auch wohne, wo ich immer gearbeitet habe, mensch - der Laden ist eigentlich toll. So von der Räumlichkeit hat der mir immer gefallen, ich mag ja solche Schläuche. Da habe ich mir gedacht, mensch, das ist eine gute Idee, hab dann auch noch Volker gefragt, der wollte gerne mitmachen und eine Freundin, aber die ist relativ schnell wieder ausgestiegen, weil, die Arbeit doch relativ groß war. Weil am Anfang stand erstmal eine komplette Sanierung, ein kompletter Umbau an. Das Kino war da auch vorher schon 7 Jahre drin und hat nie was gemacht. Die sind auch eingezogen, nachdem da jemand wahrscheinlich 50 Jahre drin war. Und wir mussten halt komplett sanieren. Aber ich schweife ab, die Frage war ja, wie ich dazu gekommen bin… Ich wollte jedenfalls schon immer was mit Livemusik machen. Im ‚Madonna' haben wir ja auch einmal die Woche was gemacht. Das machen die ja jetzt traditionell immer noch weiter, obwohl jetzt schon mittlerweile der 4. andere Besitzer drin ist, einmal oder zweimal die Woche ein Livekonzert zu machen, was da natürlich nur bedingt möglich ist. Aber das war schon immer mein Ding, wo ich was professioneller machen kann, als ‚Unplugged' oder nur einmal die Woche…

Das Wild at Heart und die Filmbranche haben ja noch etwas gemeinsam. Was hat denn David Lynch's gleichnamiger Film mit dem kleinen Club in Berlin gemeinsam. Inwiefern hat der Film bei der Namensgebung des Clubs eine Rolle gespielt?
Den Film hatte ich natürlich gesehen und ich liebe ihn sehr. Ohne das mich aber der filmische Inhalt inspirierte, sondern eher die Aussage des Titels: „WILD AT HEART“, zu deutsch ‚Wild im Herzen'. Das wollte ich somit als Lebensmotto geltend machen.

Habt Ihr am Anfang auch die Bar noch selbst geschmissen oder habt Ihr schon immer „Helfer“ gehabt…?
Nee, das schaffst Du nicht allein. Weil Du brauchst ja schon immer von vornherein 5 Leute, die am Abend tätig sind. Du bist nur eine Person. Wie willst Du das machen? Du brauchst ein Security, Du brauchst Leute, die irgendwie räumen… Weil, die Wege sind zu lang. Das ist so ein Schlauch, der Keller ist weit weg und das würdest Du nicht schaffen. Nee, wir haben immer gearbeitet und machen auch immer noch Schichten. Wenn gute Konzerte waren und es auch voll ist, dann haben wir natürlich auch mehr Leute gebraucht. Wir arbeiten bis heute immer noch. Uli macht immer noch den Sound, Volker macht immer noch den Tresen, ich hab immer noch mal ne Frühschicht. Das wird auch nie aufhören. Das kannst Du in dem Bereich, was wir da machen, knicken. Das ist eigentlich immer mehr Arbeit als das, was dabei raus springt…

Und Ihr 3 seid die drei, die seit Anfang an dabei sind?
Nee, Uli kam erst später. Uli kam kurz nachdem meine Freundin ausgestiegen ist, aber zwangsläufig, weil wir natürlich geheiratet haben, ist der praktisch in die Familie mit eingezogen sozusagen. Er hatte damals schon ab und zu den Sound gemacht, wenn Frank mal nicht konnte. Ja, er ist dann irgendwie mit reingeschlittert. Ist aber jetzt auch schon 8-9 Jahre her. Also so gesehen…

Und was habt Ihr vorher (beruflich) gemacht? Uli ist ja nicht aus Berlin und Du?
Ja Uli hat Stagehand gemacht. Und ist halt Berufsmusiker. Volker hatte auch eine Kneipe. Also er natürlich was Anderes gelernt. Aber ich weiß nicht, wie lange er das ausgeübt hat. Ich glaube, er hat irgendwas in der Industrie in Sachen Textilverarbeitung oder so gemacht. Und ich hab auch was gelernt. Ich hab studiert. Was man nicht braucht. Pädagogik oder so'n Schnickschnack (lacht). Und hab dann eigentlich auch nur noch Kneipe gemacht.

Uli kommt ja nicht aus Berlin. Wo habt Ihr Euch denn kennengelernt?
Hier in Berlin. Aber er lebt ja auch schon ewig hier. Hat auch hier Stagehand gemacht. Er hat ganz lange diese großen Konzerte - STONES und weiß der Kuckuck was betreut. Er hatte mit seiner Band ja auch schon existiert (CHURCH OF CONFIDENCE - Anm. d. T.). Die haben dann auch schon mal im Wild at Heart gespielt gehabt…

Wie erklärst Du Dir, dass sowohl der Club, als auch das Tiki Heart mittlerweile, ja so eine Art Kultstatus erlangt hat. Was macht Ihr besser als andere Läden? Ist es die Ehrlichkeit, die dahinter steht, was die Leute merken? Oder die Liebe zum Detail beim Kitsch?
Ich glaube, das einfache Rezept ist, dass Du immer da sein musst. Du musst die Bezugsperson sein und Dich für alles verantworten können. Rede und Antwort zu stehen ist immer das Wichtigste bei solchen Läden. Weil, wenn die Leute irgendwas zu Maulen haben oder auch wenn sie was gut finden… - die brauchen eine Bezugsperson. Und wenn die immer wechselt oder nie da ist, hat der Laden kein Gesicht. Das Gesicht eines Ladens ist nicht nur wie er aussieht, sondern auch wer da drin was macht. Und wir waren immer da. Die meisten Leute kennen wir halt persönlich. Volker ist bis 9 Uhr morgens bei seinen Schichten da, ich bin bis Nachts um 3 da, mach die Bandabrechnung Uli macht den Sound. Das ist halt immer noch so ein Familiending. Guck mal, wir fahren auf Tour, die Leute in England kennen uns, die sagen - o.k., Ihr seid das Wild at Heart. Aber wie gesagt, wenn es was gibt, dann sprechen mich die Leute immer noch direkt an. Weil wir das auch zulassen. Ich denke, das ist das Rezept. Wir waren immer da und haben immer das Gesicht gewahrt. Abgesehen natürlich auch davon, was man für Konzerte macht. Ob man Gute oder Schlechte macht. Das gehört natürlich auch dazu. Wenn wir trotzdem Asis wären, wäre der Laden vielleicht doch nicht so beliebt. Da haben wir, ohne uns jetzt hochzuspielen, relativ gute Arbeit geleistet. Haben viel gemacht, dass hier viele Bands spielen konnten. Das ist schon klar. Was wir auch anders und mit Sicherheit auch besser gemacht haben als Andere ist, weil das eben so ein Familienbetrieb ist, oftmals auch umsonst gearbeitet haben. Das heißt, wenn Bands hier spielen und die haben ihre 20 Leute, dann kannst Du weder Löhne zahlen noch könntest Du den Bands Geld geben oder irgendwas machen. Also heißt es dann an dem Abend, kriegt Volker keins, kriegt Uli keins und wir nehmen noch was aus der Kasse. Das kannst Du nur machen, wenn Du a) eine Leidenschaft dafür hast und b) eine Fairness und c) den Willen dazu hast, auch mal zu verzichten. Wir haben auch nie vergessen wie es ist, kein Geld zu bekommen, wenn Du irgendwo bist. Uli kennt das auch eigener Erfahrung. Das ist halt so. Ich glaub, das ist ein Unterschied zu dem, wenn Du rein kommst und die Leute wissen nicht, mit wem sie reden sollen. Und keiner drückt man mal ein Auge zu und man sagt - Scheiße, ist doof gelaufen, aber trotzdem… geht das…? - Das ist immer wichtig.

Elvis Pummel hat Euch schon mal in einem seiner Songs erwähnt. Wisst Ihr noch von anderen Hommagen?
Ja, kürzlich gab uns die Band 69 EYES ihr neues Album. Dort werden wir in ihrem Titel über Berlin auch erwähnt, sind schon mehrmals bei uns abgestürzt.

Welche Erwartungen hattet Ihr so, als Ihr mit dem Club angefangen habt?
Genau die eigentlich, die sich erfüllt haben. Genau das. Also wir haben immer gesagt, mal gucken, mal sehen, ob es klappt. Also da war nie der Gedanke da, dass wir uns davon bald mal einen Rolls Royce kaufen können oder so. Wir alle drei wollten immer nicht nur irgendwo arbeiten, da wären wir auch nicht weiter gekommen. Es war zwar schwer, sich was Eigenes aufzubauen, also auch viel Verzicht und so, haben vielleicht auch weniger gekriegt, als wir vielleicht woanders bekommen hätten, im Nachhinein gesehen. Aber auf jeden Fall konnten wir uns unsere Zeit frei einteilen. Und konnten eben so ein bisschen Träume verwirklichen. Also Leute und Bands, die wir gern gesehen haben oder hätten, die haben wir versucht uns mal zu holen… Es war eigentlich schon die richtige Entscheidung. Aber die Erwartungen waren nie so groß. Manchmal waren wir echt verblüffter, als wir dachten. Wer da alles so kam. Wer da noch mal kam und wer sich dann bedankt hat. Wenn es dann irgendwo in der Welt Leute gibt, die dann sagen - ich war in New York und hab da einen mit einem Wild at Heart T-Shirt gesehen. Und ich hatte auch gerade eins an… - Also wenn Dir Leute so was erzählen, freust Du Dir natürlich ein weites Loch in' Arsch. Das ist doch wunderschön.

Mittlerweile bringst Du nicht mehr so viel „Kitsch“ in den Laden rein, sondern die Gäste bringen Dir das Meiste mit. Habe ich mal gehört. Stimmt das soweit?
Hehe. Ja das stimmt. Aber ich stell immer noch alles auf, was mir die Leute mitbringen.

Es gibt doch bestimmt ein paar Geschichten, die Euch immer in Erinnerung bleiben werden. Schöne wie schlechte. Erzähl doch davon mal jeweils eine.
Ach du Schande. Das ist immer so. Wenn man das abrupt abrufen soll, dann acht das Hirn nicht sofort auf. Klar, Bandgeschichten gibt es ganz viele. Aber abrufen kann ich die gerade nicht. Oder vielleicht doch. Lemmy (MOTÖRHEAD) war zweimal auf der Tour noch im WAH und hat gefeiert. Und immer rief mich der Tourleiter an, dass er kommen würde und jedes mal war ich selbst mit COC auf Tour ... Und das bei mir, wo ich so großer Motörheadfan bin..................... Ein Desaster !!!!!

Gab es mal einen Wendepunkt für Euch oder irgendeinen Knacks?
Ja, das fragt man uns oft. Wir sind ja mal abgebrannt. Gleich nach anderthalb Jahren. Das war nicht mal unsere Schuld. Das war auch Gott sei dank nicht während des Betriebs, sondern tagsüber. Das war so ein Schwelbrand, der im Haus über die elektrischen Leitungen ging und unten bei uns halt raus kam. Das Problem war nur, dass die Feuerwehr den nicht löschen konnte, weil der Brand erst ausbrennen musste. Weil durch die Sauerstoffzufuhr durch die offene Tür ist das Ding komplett durchgebrannt. Und das war natürlich, sagen wir mal so, ist ja niemand zu Schaden gekommen, für uns ein totaler Rückschlag. Wir hatten gerade eine Komplettsanierung gemacht. Wenn es vielleicht ein altes Stück Holz gewesen wäre, wäre es egal gewesen. Aber wir hatten gerade saniert. Das heißt, nicht nur das Geld - auch die ganze Arbeit… Und dann hattest Du den Druck. Wusstest nicht, ob Du genug Geld von der Versicherung bekommst, alles noch mal zu machen… Das war schon schlimm. Ich mein, wir haben Geld von der Versicherung gekriegt, natürlich nicht, was wir alles an Arbeit reingesteckt haben und haben dann noch mal gebaut. Das war die Hölle. Alles noch mal. Der einzige Vorteil bei der Geschichte war, dass wir schon in anderthalb Jahren wussten, was wir nicht unbedingt noch mal so bauen. Haben ein paar Veränderungen in Richtung Akustik und Schallschutz gemacht. Wir haben von ein paar Geräten, die wir ersetzt gekriegt hatten, wie Kaffeemaschine und Popcornmaschine, einfach das Geld genommen und haben es in Betonestrich gesteckt, der uns halt ein paar db-Zahlen für den hinteren Raum mehr gebracht hat. Das war in dem Fall doch sehr sinnvoll, praktisch noch mal was Anderes zu machen.

Ja wie sieht es denn mit den Bewohnern im Umfeld aus? Gab es schon oft Beschwerden?
Naja, wir mussten ja eine richtige Abnahme machen. Ob die Anwohner damit klar kommen oder nicht - Du hast eine Abnahme. Da gibt es eben Richtlinien. Und nur so laut kannst Du halt machen. Ich kann hier auch nicht Lärm wie in einer Grubehalle machen, aber ich hab ne bestimmte db-Zahl, die ist lauter als in einer Kneipe, logischerweise, und soviel haben wir an Bauteilen reingesteckt. Und damit kommen wir ganz gut klar. Das muss man natürlich einhalten. Ich kann genauso gut auffahren, dass die Bude auseinander platzt. Aber was wir da an Hardcore bringen, da hat sich noch niemand beschwert.

Gibt es Bands in all den Jahren, wo Ihr sagen würdet - Um Gottes Willen, die kommen hier bloß nicht wieder her?
Ja klar, so was gibt es. Aber das verdränge ich immer. Vielleicht gibt es da 2 - 3, die halt irgendwie zickig waren, weil sie halt von einer Firma gebucht worden sind, von einer großen Agentur, die dann, weil sie woanders keinen Platz gekriegt haben, sie zu uns reingesteckt haben. Und gesagt haben - macht die mal - und die waren dann absolut unglücklich darüber in so einem kleinen Laden zu spielen und haben sich dann auch dementsprechend benommen. Waren extrem arrogant und da hatte ich 2 - 3 Bands, aber ich will auch keinen schlecht machen, aber das war dann auch ein Fehler von der Agentur vielleicht, so was zu tun. Andererseits finde ich aber auch so ein Benehmen immer ganz abscheulich. Aber solche Bands kommen von alleine nicht wieder. Da braucht man sich überhaupt keine Gedanken machen. Die fanden es vom ersten Tag an Scheiße, also werden die einem auch nicht noch mal über den Weg laufen…

Überhaupt - kannst Du in etwa zusammenrechnen, wie viel Bands in all den Jahren so bei Euch aufgetreten sind?
Volker hat mal was von über 5.000 erzählt. Ich hab's nicht mal ausgerechnet. Ich werde es dieses Jahr vielleicht mal machen, aber Volker hat eben mal letztens irgendwas von 5.000 erzählt. Hat er sich mal die Mühe gemacht, irgendwie ne Hochrechnung zu machen. Naja, wenn Du so einen Durchschnitt nimmst von 5 Tage die Woche Konzert… Dann hast Du halt mal mehr, mal weniger. Aber bei 12 Monate im Jahr, da kann das hinkommen. Vielleicht sind es sogar ein paar mehr. Viele haben natürlich auch doppelt gespielt in den Jahren, aber es ist schon viel. Aber das ist so gesehen auch nur möglich gewesen, weil Du auch an solchen Tagen aufgemacht hast und Bands hast spielen lassen, die nicht so beliebt sind für die Leute. Der richtige Geschäftsmann oder Leute im Wessiland, die machen eben nur Freitag, Sonnabend, Sonntag Konzerte, weil alles andere da nicht läuft. Da kommen da eben nur 5 Leute und da kann keine Band spielen. Dafür lohnt es sich nicht, den Laden aufzuschließen.

Seit Neuestem habt Ihr ja auch das Label ‚Wild at Heart Berlin - Records', auf dem Ihr jetzt jährlich immer eine Compilation mit Bands rausbringt, die bei Euch gespielt haben. Da kann man sich ja fast ärgern, warum man damit nicht früher angefangen hat, oder? Wer macht das Label? Wo kann man die CDs kaufen und können sich Bands für dieses Label „bewerben“? Oder machen das gar schon welche?
Das Label betreiben wir selbst, aber auch mit der Hilfe eines gewissen Mieschka Mayonaise, der zum Beispiel freundlicherweise die Promo übernimmt. Klar hätte man damit früher anfangen sollen, aber damals waren die technischen Bedingungen dafür noch nicht geschaffen und wir haben uns gesagt, lieber spät als nie. Gott sei dank sind ja viele Bands immer noch aktiv und spielen auch noch bei uns. Darüber hinaus gibt es genügend neue bzw. auch junge Bands die es wert sind aufgenommmen zu werden. Die CD`s gibt's im Wild At Heart, im Tiki Heart, bei VoPo, Coretex und bei Groove Records. Für Auswärtige besteht die Möglichkeit, direkt über unseren Online-Shop ( www.wildatheartberlin.de ) oder bei diversen Mailordern zu bestellen.

Das mit jedem Tag in der Woche aufmachen, kann man ja auch fast nur in Berlin machen, oder? Was bedeutet Berlin für Dich? Hängst Du an der Stadt?
Ich lebte mal eine Zeit in Los Angeles, da habe ich Berlin vermisst. Das morbide, den Punk und das ‚Oldstyle' und die Tragik und den Schmutz, die Häuser, die Berliner! Aber jetzt wo ich schon so viel Zeit wieder nur in Berlin lebe, vermisse ich L.A.....
Ich meine, nichts ist so vollkommen, daß ich ganz zufrieden bin. Auch nicht Berlin. Denn Berlin wird von seiner Einzigartigkeit mehr und mehr zum Duplikat einer anderen Großstadt. Aber das mit jeden Tag in Woche aufmachen, liegt glaube ich eigentlich nur an unserer Arbeitswut und der Fülle an Nachfragen der Bands. Wir bleiben eben am Ball.

Was hat sich denn im Umfeld der Wiener Strasse seit Mitte der 90'er, als Ihr begonnen habt, geändert?
Naja, ich leb ja hier nun schon weitaus länger. Also die Wiener Strasse war ja mal so eine, muss ich ja mal ehrlich sagen, richtig tolle Strasse mit lauter kleinen Krämerläden und ganz viel „Tante Emma“-Sachen und so weiter. Da waren ganz alte Leute natürlich und die sind natürlich mittlerweile alle verschwunden. Keine Nachfolger, nichts. Dann hatte ich immer Angst, dass es kippt, dass es so eine reine Kebapecke wird. Das hat sich dann aber peu á peu ergeben. Also es gab ja noch das ‚Wiener Blut', das ‚Morena' ist noch rein, dann sind wir gekommen... Das hat sich durch die Kneipenmeile, dadurch sind ja dann doch noch 3-4 Läden gekommen - das Café Marx zum Beispiel - ein bisschen durchsetzt. Das hat dann auch das Umfeld, unsere Gäste, ein bisschen ausgeglichen. Da haben sich dann auch andere Leute wieder getraut, sich anzusiedeln. Anfang der 90´er, nach der Maueröffnung, war die Ecke hier ja tot. Da ist für die Gastronomen hier nicht viel Hoffnung gewesen. Nur noch die alten haben überlebt und der Rest war ein ständig wechselnder Prozess. Aber Ende der 90´er, Anfang 2000, wurde es langsam wieder besser. Wir waren, bestimmt wie ein paar andere Läden auch, z.B. das ‚Wiener Blut', immer da. Also ein gewisser Kreis ist auch mit uns immer da geblieben. Das war natürlich ganz wichtig. Wenn wir jetzt auch noch gewechselt hätten, wäre das bestimmt nicht so schnell wieder gekommen. Jetzt in den letzten 3-4 Jahren haben sich viele neue Sachen hier angesiedelt und Du merkst, die Leute kommen auch wieder zurück, um sich Kreuzberg ab und zu mal anzugucken. Und das war ja früher hier schon gar nicht mehr möglich. Du konntest hier ja niemanden mehr reinlocken, weil die Leute ja Angst hatten. Und in den letzten 3 Jahren, sagen wir mal, ist das wieder richtig so eine bunte Strasse geworden. Also ich freu mich darüber. Ganz doll.

Wovor hatten die Leute Angst?
Also erstmal - wie gesagt - das alte Dogma - Kreuzberg wäre ein Kebapbezirk. Die Leute hatten Angst. Es gab auch in den letzten 10 Jahren wirklich tierisch viele Meldungen über Überfälle, Schießereien… Das hat sich ja bis zum ‚Travolta' in den letzten 2 Jahren, wo noch was passiert ist, hingezogen. Das war schon nicht gerade wegzureden. Klar ist die Zeitungspropaganda immer ein bisschen übertrieben. Aber es war wirklich nicht unbedingt für einen Außenstehenden so witzig, hier die Nebenstrassen zu belaufen. Und es ist jetzt auf jeden Fall wieder ein bisschen aufgelöster geworden.

Eine lustige Geschichte hast Du mir mal erzählt - die hat jetzt weniger mit dem Club zu tun - Du warst mit Uli in der Jack Daniels Destillerie. Und da arbeiten wirklich die zwei Typen, die hier auch in der Fernsehwerbung zu sehen waren?
(lacht) Ja wirklich. Ich mein, die Werbung läuft ja jetzt nicht mehr. Aber wir sind da mal gewesen, als die noch lief und die Opas, die da immer auf ihren Wagen gesprungen sind und drinnen die Jungs, die da interviewt worden sind…genau die beiden, die da am häufigsten zu sehen sind, die waren dann auch da. Aber das wir die kennen, die Deutschen, und auch alle Japaner, liegt daran, dass dieser Werbespot nur in Japan und in Deutschland ausgestrahlt wurde. Die Amis kennen den Werbespot gar nicht. Demzufolge ist das für die Amis, die dort gewesen sind überhaupt nicht aufregend, dass die da saßen und ganz normal vor sich hingearbeitet haben. Das war wirklich witzig.

Habt Ihr Euch mit dem Club einen Traum erfüllt? Und könnt Ihr dadurch auch Eure anderen Träume leben? Reisen zum Beispiel? Was willst Du noch mal unbedingt machen.
Naja. Das ist ein bisschen schwierig. Wirklich. Sagen wir mal so, mit dem zweiten Laden haben wir uns hier ein bisschen in einer finanziell schlechten Zeit ´ne ganz schöne Last ans Bein gezogen. Da ist es jetzt natürlich noch weniger drin als früher. Mit vielen Reisen und so. Wir werden uns immer so viel Luft halten, dass Uli und seine Band auf Tour gehen können. Aber mit großen Reisen ist momentan sonst nichts… Ist auch o.k. so. Wir leben jetzt nicht unbedingt ein Leben, dass wir jetzt sagen, wir müssen jetzt unbedingt 8 Wochen Urlaub machen. Das Leben leben wir ja gar nicht. Ich mein wir sind vielleicht körperlich und natürlich auch geistig manchmal ein bisschen gestresst, aber wir leben kein Leben, wovon wir uns jetzt wirklich extrem erholen müssten. Weil wir machen das ja relativ gerne, was wir da machen. Klar, ich würde auch gern mal wieder ein bisschen schwimmen gehen und dieses und jenes. Aber das kommt zu seiner Zeit. Da muss man ja auch Ruhe für haben. Das jetzt übers Bein zu brechen und irgendwo hinzufahren und dann keine Ruhe zu haben, dann kann ich mir das auch gerade schenken…
Aber die Touren sind immer ganz gut. Ich fahr, wenn ich Zeit habe, ja immer mit. Mach meinen Merchandise und das ist für mich eigentlich schon Erholung genug. Da bin ich so entspannt. Du gehst da in Clubs und brauchst Dich um nichts kümmern. Du fragst, wo Dein Tisch ist, wo man die Klamotten aufhängen kann, dann kommt jemand und holt Dich zum Essen ab. Es geht Dir keiner auf den Sack… Super.

Mal so eine Frauenfrage. Ist es nicht schwierig in einer Beziehung, sich jeden Tag zu sehen. Zusammen zu arbeiten und auch sonst…?
Hmmh, wenn es nicht die Richtigen trifft, ist es vielleicht schwierig. Aber wir sind ja nun keine siamesischen Zwillinge und sehen uns täglich. Naja, vielleicht täglich, aber nicht minütlich. Das heißt, wir sind in unseren Arbeitsbereichen extrem beschäftigt, sag ich jetzt mal. Manche Sachen kreuzen sich und die machen wir auch zusammen. Manche Sachen, da sehen wir uns für Stunden nicht, wie andere Pärchen halt auch, der eine arbeitet im Keller, der andere oben. Im Grunde ist das nichts Anderes. Bloß man hat eben auch ganz oft Begegnungen, wo man sich trifft, da muss man das halt auch wollen. Also wir hatten da nie ein Problem mit. Wir haben immer gut zusammen gearbeitet. Er ist mein Bester Mann, sag ich immer. Also es ist nicht nur mein Ehemann. Wir sind halt ein Team und ich würd's nie tauschen wollen. Ich wüsste nicht, was ich ohne ihn machen soll. Er ist meine größte Stütze und hat immer irgendwie so seine Position und das ist ganz wichtig. Also ohne Uli würde ich es a) nicht geschafft haben und b) würde ich es vielleicht auch gar nicht machen wollen. Weil eben gerade - Du hast keinen Stress. Du musst nicht nach Hause kommen und Dich irgendwie verantworten, warum Du fertig bist, irgendjemanden erklären, warum Du schlechte Laune hast. Klar streiten wir uns auch, wir haben auch unsere Probleme. Aber das Verständnis liegt auf einer anderen Ebene. Das ist gut so. Das macht vieles leichter…

Ja und zudem gibt es ja auch seit ziemlich genau einem Jahr das Tiki Heart. Das Café zum Club, nebenan. Wie kam es eigentlich dazu? Außerdem befindet sich auch noch ein Klamottenladen mit drin…
Also wir hatten uns eigentlich nicht so sehr darauf eingeschossen, so was mal zu machen. Ehrlich gesagt, hätte hier die nächsten 20 Jahre immer noch der alte ‚Rockers' mit seinen Platten drin sein können. Oder was weiß ich, ‚Sojus' mit seinen Lederklamotten. Das hätte ja alles so bleiben können. Wenn das so geblieben wäre, wäre es schön gewesen. Ich hätte mich über so eine Nachbarschaft gefreut. Bloß das hat sich in den letzten 10 Jahren so verändert, die Vorgänger sind alle raus und danach waren immer wechselnde Mieter drin… Die Wiener Strasse war ja noch nie eine heilige Strasse. War nicht unbedingt schön, irgendwelche Mieter neben sich zu haben, die irgendwie Null Rücksicht auf die Szene oder die Strasse genommen haben. Extrem viel Trouble, Bulleneinsätze, … Und das hat uns immer ein bisschen sehr geärgert. Das hat nicht unbedingt für einen guten Ruf hier gesorgt. Das war nicht gerade toll. Und als uns dann zum 100. Mal wieder angeboten wurde - also der Vermieter hatte uns das immer wieder angeboten - wir wollten es nie machen, weil es schon ein ganz schöner Aufwand ist, die doppelte Miete zu zahlen… Das ist nicht unbedingt witzig. Manche denken vielleicht, man macht einen Laden auf und die Miete kommt rein. Aber die kommt nicht rein, dass muss man sich auch wieder erarbeiten. Und das alles noch mal zu machen. Wir wussten ja, wie schwer das drüben ist, war uns nie so geheuer. Deshalb haben wir es auch nie gemacht. Als er uns aber dann wieder das Ding angeboten hatte - und wir waren vom Vormieter echt schon wieder so genervt - haben wir uns überlegt, ob wir jemanden finden, wir wollten es eigentlich nur pachten und weiterverpachten, von unseren Leuten, der irgendeine Idee hat. So was wie eben früher. Lederjacken, irgendwas, Second Hand, Hastenichgesehen, Merchandise oder eben irgendwas. Aber es hat sich niemand gefunden. O.k., wir hatten nicht viel Zeit. Wir hatten ein halbes Jahr Zeit, uns da irgendwie Gedanken drüber zu machen und am Ende nur noch drei, als der Mieter raus war. Aber es hat sich niemand getraut, weil, Kreuzberg bis jetzt immer noch nichts Ansprechendes für Investoren ist. Jemand, der jetzt wirklich Lust hat, was zu investieren, geht eher nach Friedrichshain, weil da ist der sichere Markt, da ist, was weiß ich, die Szene momentan, da wird viel gepusht… Du hast wirklich nie jemanden gefunden. Also wir haben alles probiert. Armin von ‚Blue Moon', alles… Keiner wollte expandieren, niemand wollte was investieren. Ja und am Ende, um uns das nicht wieder durch die Lappen gehen zu lassen, wieder Ärger zu kriegen, haben wir eben gesagt - O.k., dann machen wir es selber. Haben eben versucht, das intern ein bisschen aufzuteilen. Dass das eben nicht zu einer Doppellast wird. Oben ein kleines Café, was ein bisschen überschaubar bleibt, einigermaßen, und unten eben halt etwas, was dazu passt, so Bandmerchandise, Punkrockklamotten, Schuhe… Und seit Neuestem haben wir noch einen Tätowierer drin. Jetzt sind dann doch eben ein bisschen mehr Leute daran beteiligt, dass die ganze Last eben nicht auf einen Einzelnen liegt. Das ist so die Geschichte. Und eigentlich wollten wir, um es noch mal zu sagen, was Gegenteiliges zum Wild at Heart aufmachen. So dass man auch tagsüber mal den Leuten in die Augen gucken kann und nicht nur in der Nacht…

Wobei das Publikum zum Teil ja auch ein Anderes ist…
Ja, es ist ein Anderes. Aber es schwappt zum Teil schon über. Am Anfang haben wir gedacht, dass es vielleicht, weil wir ja auch eine Küche haben, nur die Leute kommen, die vielleicht gar nichts mehr mit dem Nachtleben zu tun haben. Aber inzwischen ist das eigentlich so vermischt… Auch die Bands, die vielleicht einen Tag länger bleiben, kommen dann hier ´nen Kaffee trinken. Dass wir die ja eh hier abends als Catering versorgen, wissen die wo es ist und die kommen dann eben auch einen Tag später noch mal rein. Da mischt sic das Publikum extrem. Das ist auch gut so.

Jetzt steht aber erstmal die 10-Jahres Geburtstagsfeier an. Wann findet die denn genau statt und wer ist alles mit dabei (an Bands)?

>>>Sa.14.05. “””10 JAHRE WILD AT HEART””””

mit: „Green Monster“ (Psychobilly/Tschechei)

„ Church Of Confidence “ (Punk Rock/Berlin),
“Madlocks” (Punk/Berlin)

“Mobile Freakshow” (Horrorpunk/Sweden),

“Radio Dead Ones” (Punk/Berlin)

So.15.05. mit: “Accidents” (Ex-VOAG, Punk/Schweden)

“Charge 69” (Punk/F), “ Havana Heatclub” (Rock/Berlin)

“Copy Cats” (Punk-Rock/Frankfurt),+Guest

+ Special DJ's &

EINTRITT FREI !!!
(Lineup kann sich zeitlich noch ändern.......................)

Dann ist hier schon die letzte Frage: Macht es nach 10 Jahren immer noch Spaß?
Joa. Es macht immer noch Spaß. Und es macht immer noch Arbeit… (lacht)

Ja, dann würde ich mal sagen - auf die nächsten zehn Jahre und vielen Dank für das Interview.