Nitrominds

Sie sind hier

Die NITROMINDS kenne ich nun auch schon ein paar Jahre. Vor allem persönlich aber erst, als sie einmal mit den D-SAILORS hier in Berlin gastierten. Sie kommen aus Brasilien und sind für mich ein gutes Beispiel, wie Punkrock funktionieren kann, ja eigentlich sollte. So spielten sie hier ein paar Konzerte und waren im Gegenzug dafür verantwortlich, dass die D-SAILORS, BAMBIX und gar die TERRORGRUPPE ihre Brasilientouren machen konnten. Und genauso verhielt sich das dann auch bei den Plattenveröffentlichungen. Alles ganz easy und auf freundschaftlicher Basis. Umso glücklicher bin ich, dass wir ihre diesjährige Deutschlandtour präsentieren können. Sie haben auch ein neues Album am Start. Nach jahrelanger Liaison mit VITAMINEPILLEN kommt dieses (“Start your own revolution”) nun auf „Rocktypen“, dem Label von SCHROTTGRENZE-Timo heraus. Alles eben auf Kumpelbasis. Besucht die Band unbedingt, wenn sie in Eurer Stadt gastiert. Es lohnt sich. Versprochen. Zur Veröffentlichung der neuen Platte im Mai stellte ich Sänger und Gitarrist, Labelmacher und Vollblutpunkrocker André ein paar Fragen…

Hey André! Stell Dich und Deine Band doch mal vor. Wann habt Ihr angefangen Musik zu machen. Gab es Besetzungswechsel, Bands zuvor, Veröffentlichungen…
Yeah, hallo, ich bin André, Sänger und Gitarrist der NITROMINDS. Wir kommen aus São Paulo und uns gibt es seit 1994 und wir spielen schnellen, melodischen Punkrock. Ursprünglich waren wir zu viert. Aber leider verließ und nach dem ersten Album unser damaliger Sänger und wir haben beschlossen, zu dritt weiter zu machen. Wir sind gar nicht mal mehr so jung. Ich bin 32, genau wie die restlichen Mitglieder. Wir haben alle auch noch andere Bands gehabt. Ich spiele, seitdem ich 12 bin, also schon 20 Jahre lang. Hehe. Wir haben bisher folgend Sachen veröffentlicht:

Nitrominds ‘97, Gunshot - EP '99, Time to know '00, Multilateral '01, Something to believe '02, Live Album '04, Start your own revolution '04, Manche dieser Platten wurden auch in Spanien, den USA und Deutschland veröffentlicht.

Was war für Euch der Grund, die Band zu gründen. Nur aus Spaß? Geld verdienen, Rockstars werden oder war es nur eine Antwort auf die Lebensumstände in Brasilien?
Wir haben niemals daran gedacht, mit der Musik Geld zu verdienen, als wir die Band gründeten. Wir wollen einfach nur Punkrock spielen und uns zu verschiedenen Dingen äußern. Nach über 11 Jahren sind wir aber mittlerweile etwas bekannter geworden und haben auch damit angefangen, etwas Geld damit zu verdienen. Musik zu machen, ist das was wir wollen. Momentan passt es ganz gut, dass wir von dem (über)leben können, was uns Spaß macht.

Kannst Du uns ein bisschen mehr über Brasilien erzählen? Viele Leute wissen ja nur, dass von dort ein paar gute Fußballspiele herkommen…
Wir kommen aus São Paulo, einer der größten Städte der Welt. Es gibt hier große Unterschiede zwischen Arm und Reich. Man muss eine Menge arbeiten, um etwas Geld zu bekommen. Um allein zu leben, ein Auto zu haben oder auch um rumzuhängen und ein paar Bier trinken zu können. Der größte Teil der Bevölkerung hat wenig Geld. Man muss gleichzeitig studieren und nebenher arbeiten. Momentan haben wir „Lula“ an der Macht. Er kommt aus der Arbeiterklasse. Ich denke, er kann durchaus was für Brasilien tun. Unsere Währung ist sehr schwach. Ein Euro entspricht etwa 4 Reais. Die Vereinigten Staaten kontrollieren die Steuern und Preise und was generell Lateinamerika zu tun und zu lassen, zu kaufen oder zu produzieren hat. Das ist richtig schlimm…

Du bist sehr aktiv in der brasilianischen Punkrockszene. Du hast zum Beispiel deutsche Bands wie die D-SAILORS, TERRORGRUPPE,… nach Brasilien geholt. Was machen Du und Deine Bandmitglieder sonst so?
Ja, ich habe ein Label namens Nitroala Records. Ich hatte davor einen Metal- und Hardcorevertrieb. Ich hab dann irgendwann die D-SAILORS getroffen und fand, dass sie super für eine erste Veröffentlichung passen würden. Genauso war es dann mit der TERRORGRUPPE, was dann meine zweite Veröffentlichung war. Viele deutsche Bands senden mir CDs und Tapes zu und ich tu was ich machen kann. Viele Bands sind Freunde geworden, wenn wir mit ihnen auf Tour waren. Wir tauschen auch Touren. Ein paar Leute organisieren für uns Konzerte in Deutschland und wir machen es umgekehrt hier. Ich mag es, so was zu organisieren und ich bin darin, glaube ich, auch ganz gut. Das ist wohl der Grund, warum so viele deutsche Bands es mögen hier herzukommen. Coole Shows zu spielen und auch in TV-Sendungen aufzutreten.
Lalo macht irgendwas mit Waagen und Edu hat einen Coffeshop. Wir sind alle frei, um zu touren, weil wir alle unsere eigenen Geschäftsführer sind.

Ihr könnt also davon leben…
Es ist großartig! Weißt Du, es ist nicht viel. Aber ich kann meine Rechnungen bezahlen und in meiner Karre abhängen. Das reicht mir. Ich mach das, was mir Spaß macht. Ich muss nicht in aller Frühe aufstehen und arbeiten gehen. Sicher, ich kann das nicht ewig so machen. Aber wenn wir irgendwann mit der Band aufhören, werde ich wohl weiter was mit Musik machen.

Punkrock ist auch für Dich mehr als “nur” die Musik?
Ja natürlich. Beides gehört natürlich zusammen. Aber Punkrock ist keine Mode, sondern eine Lebenseinstellung.

Erzähl doch mal ein bisschen was über das neue Album von Euch. “Start your own revolution” klingt schon sehr progressiv.
Ach, es ist einfach das Beste, was wir je gemacht haben. Wir hatten die Chance mit einem wirklich großartigen Produzenten zusammen zu arbeiten und waren einfach bereit dafür. Die „Revolution Songs” sind eher gegen die USA gerichtet. Und gegen all die Regeln, die irgendjemand erfunden hat, um einen zu folgen, dumme Sachen zu machen oder sinnloses Zeug zu tun. Wir können da einfach nicht nur dumm rumsitzen und auf jemanden warten, der uns sagt, was wir zu tun hätten. Ich mag alle Songs auf der Platte. Nebenbei sind sie für unser Leben momentan sehr wichtig.

Auf dem neuen Album, habe ich gelesen, geht es auch in einem Song, “ Minha América”, um den Film „Bowling for Columbine“ und das Schulmassaker. Gerade ist wieder so was passiert. Was denkt man da, wenn man das einerseits sieht und dann den Song von der Platte hört?
Ja, “The enemy lives by your side”… Es gibt so unglaublich dummer Menschen. Sie müssen immer und überall ihre Stärke zeigen, wie im Irak. Bomben fallen auf Schulen und Krankenhäuser. Und wofür? Sollten wir nicht in Frieden leben? Überall hassen sich die Menschen. Jeder denkt, daß er was Besseres ist. Diese Welt ist verrückt.

Es ist jetzt nicht das erste Mal, daß Ihr nach Deutschland kommt. Wo wart Ihr sonst noch? Welche Unterschiede gibt es so in den Ländern. Egal ob von den Fans oder von de Mentalität her?
Es ist jetzt das 5. Mal, daß wir nach Deutschland kommen. Wir waren überall dort. Im Norden, im Süden, im Osten und im Westen. Es ist wie hier in Brasilien. Brasilien ist ein wirklich großes Land. Du fährst 6 Stunden mit dem Bus und bist auf einmal in einem völlig anderen Kulturkreis. Zum Beispiel Rio de Janeiro und São Paulo. Wenn Du in Deutschland, Österreich oder Holland spielst, ist es genau dasselbe. Du lernst eine Menge, verschiedene Kulturen, verschiedene Ansichten über Dinge und so weiter. Ich mag Deutschland sehr. Sie haben uns dort sehr geholfen. Was man dort als Catering serviert bekommt, haben wir hier in Brasilien lange nicht. Genauso wenig in Argentinien oder Kanada. Als wir nach der Deutschlandtour nach Kanada fuhren, haben wir Unmengen an Hamburger uns sonstigem Junkfood verdrückt. Und einige Venues dort… Es war schrecklich. Aber wir sind Musiker. Wenn wir in Bier in unseren Händen halten, ist alles o.k. Manchmal liegen die Unterschiede beim Essen, manchmal beim Bier, mal in der Backline und dem Equipment, was man nutzt, die Menschen…

Ich könnte mir vorstellen, daß die brasilianischen Kids etwas offener für Neues, nicht so übersättigt sind….
Die Punkrockszene hier hat sich ein bisschen verändert. Es gibt mehr Emopunk und das Publikum wird auch immer jünger. Es ist teilweise eher eine Mode geworden. Sie kaufen mehr T-Shirts als CDs zum Beispiel. Natürlich haben sie ja Internet und können sie sich selbst herunterladen. Das entspricht nicht unbedingt meinem Punkrockideal. Aber Du hast Recht, sie sind wirklich offener als manche Orte, die ich sonst gesehen habe. Ob da nun eine Band aus Deutschland kommt, kümmert sie eigentlich nicht wirklich. Aber wenn sie die dann live gesehen haben, dann drehen sie durch. Kaufen T-Shirts, wollen Autogramme, schreiben eMails… Einfach sehr herzliche Leute. Sie würden dann alles für Dich tun. Gehen in Dein Haus, rufen Deine Eltern an, um Dich zu sehen… Echt verrückt.

Ihr hattet bislang eigentlich immer einen Deal mit VITAMINEPILLEN für Eure Platten. Jetzt habt Ihr die neue Platte bei Timo und Uli, also ‘Rocktypen' veröffentlicht. Warum nicht mehr beim Ralf? War diese Veröffentlichung hier eher ein Ding der Freundschaft?
Mmhh, ich hatte die Platte VITAMINEPILLEN angeboten. Aber sie haben es abgelehnt. Timo und Uli sind beides meine Freunde. Sie haben mir einen netten Deal auf ihrem neu gegründeten Label angeboten. Ich denke, sie können wirklich eine Menge für uns tun und arbeiten dafür auch hart. Also was Konzerte, Promokram und so weiter angeht. Sie können uns vielleicht auf ein anderes Level pushen. Beide haben hervorragende Connections und darüber sind wir sehr glücklich. Wir lieben VITAMINEPILLEN. Aber wir können jetzt nicht aufhören, in Deutschland zu touren und Platten zu veröffentlichen.

Ja, was können denn die deutschen Fans auf der demnächst anstehenden Tour von Euch erwarten?
Wir sind momentan in der Besten Verfassung. Es wird viele Songs von der neuen Platte geben. Aber natürlich auch ein paar ältere. Einfach eine Menge Energie und Spaß. Mit Sicherheit.

Und habt Ihr auch schon fleißig Deutsch gelernt?
Oh, Deutsch ist für uns echt schwer zu lernen. Solche Sachen wie Fick Dich, Scheiße, Halts Maul, Gib mir ein Bier, Gib mir eine Zigarette, Arsch, Schwanz, … also nur Schweinkram. Das können wir. Ein paar andere Sachen auch noch, aber da weiß ich jetzt nicht, wie man die schreibt.

O.k., André. Das war es soweit. Ich denke mal, wir sehen uns in Berlin. Irgendwelche letzten Worte?
Oh ja, Berlin. Eine wirklich geile Stadt. Ich hoffe, wir sehen unsere ganzen Freunde dort. Wir lieben Deutschland und ich hoffe, den Leuten gefällt auch unser neues Album und kommen zu unseren Konzerten. Danke für das Interview. Wir sehen uns.