Macaco IV

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Macaco sind die Vorreiter der spanischen Mestizo-Szene Barcelonas. Was vor zehn Jahren in einem besetzten Hostal in der Innenstadt begann, hat sich heute zu einer Erfolgsstory gemausert, die durch die goldene Schallplatte letztes Jahr gekrönt wurde. Das letzte Album „Ingravitto“ von Macaco geht zwar eher in die elektronisch-poppige Richtung und wendet sich vom typischen Strassensound Barcelonas ab, begeistert jedoch gleichwohl immer mehr Menschen auf der ganzen Welt. Grund genug also, endlich einmal mit dem Macher des Projekts - Dani El Mono Loco - zu sprechen.

1. 1997 ging die Mestizo-Bewegung in den Strassen Barcelonas los, im Zuge dessen sich auch Bands wie Ojos de Brujo und Macaco gegründet haben. Wie war das damals und was ist passiert?
Ich hab damals JuanLu, el Canijo, kennen gelernt, der ein bisschen wie mein kleiner Bruder ist. Er war der Gründer von Ojos de Brujo und hatte die Idee verschiedene Musikstile zu mischen. Mit ihm habe ich ein einem kleinen besetzten Haus gewohnt, zusammen mit Carlos Rivolta von Dusminguet (der in Mexiko gestorben ist). Ausserdem waren dort auch Carlos Caramillo aus Kolumbien, Tontechniker von ODB und der Troba Kung Fu; Kiko aus Brasilien, der Sänger und Gründer von Mesmalua; Danilo, ein Schlagzeuger aus L.A. und Mexiko und Muñeco, der Kubaner, eine super Person und ein grandioser Musiker. Es war halt wie eine kleines illegales Hostal, das wir nach und nach besetzt haben.

2. Ward ihr die einzigen Musiker, die zu der Zeit angefangen haben spanische und lateinamerikanische Musik zu mischen?
Naja, in Barcelona gibt es ja schon immer die Tradition der Rumba Katalana, mit Gato Perez und Peret. Die haben damals schon spanische und lateinamerikanische Stile gemischt. Das sind so etwas wie unsere Grossväter und für mich auf jeden Fall grosse Lehrmeister. Die einzige Art um Geld zu verdienen zu dieser Zeit, war für uns dann, auf der Strasse zu spielen. So haben uns viele Leute gesehen und nach und nach Macaco immer öfter gebucht. Wir hatten ja kein Geld, um ein eigenes Label zu gründen oder um unsere Alben zu produzieren.

3. Welche Musik hat dich am meisten beeinflusst als du jünger warst?
Ich komme aus einer Musikerfamilie. Meine Mutter war Sängerin und meine Vater Jazzschlagzeuger. Bei uns zu Hause gab es also jede Menge Platten. Ich hatte auch das Glück viele Platten mit verschiedenen Stilen zu haben, wie Flamenco, Rumba Katalana, Reggae und Jazz. Mein Vater mochte gern Miles Davis, obwohl diese Platten zur Zeit meiner Eltern verboten waren. Meine Eltern mussten also immer erst über die Grenze, um neue zu kaufen. Später hörst du dann mehr die Musik von ausserhalb und danach kommst du wieder auf deine Wurzeln zurück. Was mich viel beeinflusst hat bei meiner Art zu singen, oder was zumindest gesagt wird ist, dass ich eine Mischung aus einem Rumba- und Reggaesänger bin.

4. Stimmt es, dass du in Soundsystems angefangen hast zu singen?
Wir sind viel auf die Kanaren gefahren, nach Formentera, und haben mit einem DJ zusammen gespielt, der die Beats gemacht hat – Latino- und Reggaebeats. Dazu haben die Musiker dann gesungen, einige mehr melodisch andere mehr Hip Hop, manchmal hat auch einer Trompete gespielt. Wir haben da viel an Stränden, im Wald und auf der Strasse gespielt, um uns unseren Lebensunterhalt zu verdienen. Wir musste viel improvisieren dabei, aber das war natürlich eine gute Schule.

5. Du benutzt in allen Alben dieselben Strophen oder zumindest dieselben Inhalte. In „Ingravitto“, deinem letzten Album sind deine Texte weitaus klarer und definierter. Wie bist dorthin gekommen?
Mh, anfangs improvisierst du halt mehr. Meine Texte waren mehr von der Strasse und bestanden hauptsächlich aus Reimen. Als wir dann mit der Band angefangen haben mehr live zu spielen, war mir die Musik weniger wichtig. Mir war es wichtiger Lieder zu schreiben. Ich habe mal einen sehr guten Satz von John Lennon gehört, der auf die Frage „Was die nächste Revolution in der Musik wäre“ meinte: „Ein guter Song“. Und das glaube ich auch. Es gibt viele Musiker die denken, je mehr Noten desto besser. Ich glaube aber weniger ist mehr. Dass man versucht mehr in weniger Worten zu sagen. Weniger, dafür aber in guten Strofen. Die Pausen sind wichtig. Das einzige was mir wichtig ist, ist Lieder zu schreiben, die nicht zu populär und nicht zu barok sind, dafür einfach aber nicht simpel. Das ist ein wenig der Weg, den ich gerade einschlage.

6. Deine Musiker haben öfters gewechselt. Siehst du dich eher als Solokünstler mit Band oder als Leader einer Band, die sich ständig ändert?
Also, ich sehe mich mehr als Regisseur eines Films. Macaco ist mein Projekt. Ich war vorher in vielen Kollektiven und ganz ehrlich, ich halte nichts von der Idee eines Kollektivs und alle machen alles. Das ist eine grosse Lüge. Es ist doch so, wie wenn du in einem Boot bist und einer muss halt führen, ein anderer kontrolliert. Die Aufgaben werden verteilt damit die Sache funktioniert. Wie bei einem Fussballteam. Das hat mir mein Leben so gezeigt. Es gefällt mir auch mit anderen Leuten zu kollaborieren, wo jemand anderes der Regisseur ist. So dass ich fragen kann: Wo willst du, dass ich hinlaufe? Und er sagt: Na da hin, oder dort hin.

7. Gefällt es dir mehr zu dirigieren oder dirigiert zu werden?
Mir gefällt beides. Es gefällt mir absolut, wenn ich dirigiert werde, wirklich. Aber nur wenn die andere Person, weiss was sie will. Was mir nicht gefällt sind falsche Wahrheiten. Leute, die sagen sie wären eine Kollektiv und dann ist es doch eine grosse Lüge. Ich hab das oft gesehen, und ich glaube das nicht. Weisst du, ich komme aus einer Familie die viel im Krieg gekämpft hat, die waren Kommunisten. Sie haben die Extreme gesehen. Mir gefallen die Extreme, mir gefallen die Sachen die ausgesprochen werden, die Sachen die geteilt werden. Dass die Leute sagen, ich mach das, ich mach das. Aber einer muss die Entscheidungen treffen. Zu viele Farben in einem Song verwandeln ihn in ein Bild ohne Sinn. Das ist wie eine Essensteller, der wenige Zutaten hat, die dafür aber viel Qualität haben.

8. Muss man viel im Leben mitmachen, um solch definierte Texte zu schreiben?
Auf jeden Fall. Im Leben machst du viel durch und ich hab viele Wunden, körperlich und im Herzen. Ich bin Musiker seit ich sechzehn Jahre alt bin, ich komm aus einer musischen Familie, die es sehr schwer hatte mit der Musik und die mir immer gesagt haben, dass ich nicht von der Musik leben könnte, dass ich mir nichts zu essen kaufen könnte. Ich hab mich aber trotzdem dafür entschieden frei zu sein und wenn ich nur eine Teller mit Bohnen jeden Tag essen würde. Dafür kann ich die Sachen so machen wie ich möchte. Und im Moment kann ich davon leben. Macaco ist eine Band, die stark gewachsen ist und die sehr bekannt ist. Ich trage halt viel Verantwortung jetzt. Früher habe ich auch viele sehr schlechte Jahre erlebt, dafür fange ich jetzt an es zu geniessen.

9. Ab wann konntest du von der Musik leben?
Vorher habe ich auch davon gelebt, aber schlecht. Ich musste zu Labels gehen und ihnen meine Songs für sehr wenig im Tausch geben. Mit „Entre raizes y antenas” habe ich angefangen zu verdienen. Quasi auf dem halben Weg.

10. In der Pressemitteilung zu “Ingravitto” steht, “dass du bereits etwas gefunden hast, was andere noch suchen”. Was ist das?
Mh, ich weiss nicht. Das einzige was ich weiss ist, dass es viele Bands in Spanien und Lateinamerika gibt, die Macaco stark beeinflusst hat. Und als ich “Ingravitto” heraus gebracht habe, war das irgendwie konfliktiv. Viele Mestizo-Band benutzen viele Virtuozismen, viele Arrangements. Und ich hab mich genau in die andere Richtung entwickelt. Ich hab etwas sehr einfaches gemacht, was sehr schwer für mich war. Deswegen haben mich auch viele Leute kritisiert. Danach kamen aber viele wieder an und haben gesagt: Hey Mann, ich fahr voll auf dein Album ab! Das hat mich natürlich geehrt. Mein Ziel war immerhin, gute Lieder zu schreiben.

11. Und auf deinen ersten Alben sind es keine guten Lieder?
Häh? – Ah, doch, aber die waren halt völlig übersättigt. Das beste Beispiel dafür ist ein Lied, dass ich liebe und auch immer noch viel spiele, Laveraveraboom. Der Song ist auf dem ersten Album, JuanLu hat ihn geschrieben. Meine Mutter singt auch darin – man hört sie aber nicht. Das Lied ist sehr rund und hat viele schöne Arrangements und Strophen. Aber es ist so dermassen überproduziert, weil ich so viele Klänge reinpacken wollte, dass der Songs gänzlich überlappt wird.

12. Vielen Leuten gefallen die ersten zwei Alben viel besser als die letzten zwei ...
Natürlich, und das versteh ich auch. Aber das ist ja Geschmackssache. Ich mache die Alben ja zu allererst für mich, weil sie mir gefallen müssen. Später verteidige ich sie dann vor den Leuten. Und schau mal, das populärste Album war bis jetzt „Ingravitto”, und das will nicht kommerzial heissen. Das erste Album war auch nach meinem Geschmack, es ist eins meiner Alben und ich mag es sehr. Du musst das wie mit dem Essensteller sehn. Wie Spaghetti – ich ess gern Nudeln ud koche mir fast jeden Tag welche. Das Beste an der Pasta ist ja, wenn sie al dente ist. Dann gibst du eine bisschen Olivenöl dazu, eine geschnittene Knoblauchzehe und vier Dinge mehr und das wars. Im Gegensatz dazu war das erste Album wie ein Teller mit Spagghetti, die zu lange gekocht wurden und der noch dazu zu voll war, mit Süssem, mit Pfeffer etc...

13. Ok, kommen wir jetzt vom Essen mal wieder zurück zu den Liedern. Du beziehst dich viel auf Brasilien, singst auf Portugiesisch und benutzt brasilianische Elemente in der Musik. Warum gerade Brasilien?
Na weil ich jahrelang brasilianische Musik gehört habe. Es gibt dort wirklich grossartige Komponisten, die sich auf ihre Wurzeln beziehen aber gleichzeitig offen für Dinge von aussen sind. Das sind Künstler wie Chico Science, Lenine oder Marisa Monte. Hast du die Alben von Marisa Monte? Das letzte Album der Tribalistas mit ihr ist absolut klar, mit einer Einfachheit, die mir total gefallen hat. Es ist eins der Alben welches ich am meisten höre. Ich denke das hat etwas mit Reife zu tun, das heraus zu werfen, was du nicht mehr brauchst. Weniger ist mehr. Abgesehen davon, dass ich viele brasilianische Freunde habe, mit denen ich oft zusammen esse und ausgehe. Die Brasilianer gefallen mir wegen ihrer Lebensfreude, ihrem Charakter und weil sie keine Komplexe haben. Ich mag die Lebensweise absolut. Ausserdem war ich ja selbst schon viel dort.

14. Es kommen öfters die Nummer 3 und Worte wie Revolution oder Rebellion in deine Texten vor. Hat das etwas zu bedeuten?
Ach echt? Mh, also “33 revoluciones” zum Beispiel bezieht sich auf die alten Schallplatten die mit 33 Umdrehungen gingen. Das ist ein Wortspiel, so als ob du in der Zeit zurück gehst. Der Song ist auch den alten Sängern gewidmet, die mir persönlich viel gegeben haben. Ausserdem versuche ich nicht pamfletisch in meinen Texten zu sein. Und ich will Revolution oder Freiheit nicht im eigentlichen Sinne verwenden. Mir gefallen eher die persönlichen Evolutionen. Dass ich in den Spiegel schaue und mir sage: Wow, also das gefällt mir und das nicht. Ich versuche mich jeden Tag zu verbessern, also wenigstens versuche ich es. Das sind für mich die kleinen Revolutionen.

16 . Worum geht es eigentlich in in dem Song “La Mano Levanta” (Mit ausgestreckter Hand)?
Das ist ein Song in dem die Beats, das Schlagzeug und die Percussion typisch für den Hip Hop sind. Die Texte sind wie kleine Fotos, die dir mitteilen, dass du nicht in der Vergangeheit verweilen sollst, sondern dass du die Zukunft vom Jetzt aus konstruierst. Ich glaube es ist ein einfacher aber tiefgehender Song. Die Melodie ist typisch für die katalanische Rumba. Und der Refrain ist wie Reggae und Rumba gemischt...

17. Und was bedeutet „Estoy tocando el cielo” (Ich berühre den Himmel)?
Die Träume berühren. Die Freiheit seine Träume zu ergreifen. Ich versuche einen Verbindung herzustellen zwischen der Erde, deinen Leuten, und all den Problemen und den Freuden, und dass du dich über die Fantasiewelt flüchten kannst. Du verbindest dich um zu träumen, zu fliessen, um die Dinge, die täglich umsonst sind zu schätzen, wie die Sonne, der Strand, mit dem Fahrrad zu fahren – was mir zum Beispiel gut gefällt. Davon handelt es.

18. Auf dem neuen Album gibt es auch den Song “Mama Tierra” (Mutter Erde), der von der Umweltproblematik unseres Planeten handelt. Warum auf einmal solch ein Song? Viele Leute fragen sich warum du plötzlich so ökologisch geworden bist.
Na klar, das war schon in den letzten Alben so. Es hat sich nur je nach meinem Lebensmoment geändert. In Rumbo Submarino spricht “S.O.S.” davon und in Entre raizes y antenas “Emitiendo por toda la galaxia”. Als wenn die Mutter Erde in Singular sprechen würde “esta es la historia de un viejo planeta, esta es mi version” (das ist die Geschichte eines alten Planeten, das ist meine Version). „Mama Tierra” ist sehr bekannt geworden und viele Leute haben das Lied nach hunderten und hunderten von Konzerten gehört. Oft kommt dann natürlich jemand an, um dich zu kritisieren. Das ist wie wenn sie von Politikern reden, die sie nicht kennen und sagen: Boah, das macht er jetzt nur, um Stimmen zu gewinnen und zu Hause trennt er bestimmt nicht seinen Müll. Aber das ist mir absolut egal! Dann sollen sie eben nicht Macaco hören und nicht auf meine Konzerte kommen. Die will ich dort nicht haben und sie sind mir auch egal. Ich bin nämlich zufrieden mit mir selbst, wenn ich in den Spiegel schaue. Ausserdem trenne ich meinen Müll zu Hause und ich mach auch immer das Licht aus, wenn es noch brennt. Das ist eben meine Lebenseinstellung. Ich fahr gern mit dem Fahrrad, auch wenn ich mir ein Motorrad gekauft habe, weil mir Motorräder seit ich klein bin gefallen. Und trotzdem fahre zu 100% Fahrrad. Andererseits, wenn mich jetzt jemand auf der Strasse mit meinem Motorrad sieht, sagt er sicherlich: Boah, Macaco ist ja total Scheisse, der verschmutzt die Umwelt. Wenn mich dann widerum andere Leute auf dem Fahrrad sehen, heisst es wieder ich wäre total authentisch. Ich bin weder das eine noch das andere. Ich bin auch nur eine ganz normale Person.

19. Es ist aber auch normal, dass sich die Leute ein Bild von dir machen, wenn du in der Öffentlichkeit stehst...
Na klar, und ich verstehe das auch. Aber das Image gehört dir eben nicht mehr. Jeder nimmt sich einen Teil davon. Und jeder kann von dir denken was er will. Einer sagt du wärst der Tollste und der andere sagt du wärst der totale Idiot. Aber mir ist das egal, total egal. Ich mach die Sachen auf meine Art und ich bin zufrieden mit mir selbst. Es kann ja jeder machen was er will. Ausserdem habe ich mit „Mama Tierra” viel erreicht. Ich kann dir das jetzt hier zwar nicht sagen aber wir haben wirklich viel erreicht, auf dem Papier.

20. Was zum Beispiel?
Also z.B. bei einigen Konzerten auf den Kanaren, in der Region wo viel Raubbau betrieben wurde, wurde aufgehört zu bauen. Die Gemeinde hat das Gebiet wieder zurück genommen.

21. Schreibt ihr das auch auf eure Webseite, damit die Leute darüber Bescheid wissen?
Nein, das wird einfach gemacht und damit ist gut.

22. Du sagst selbst oft von dir, dass du eine Mission hast. Wie siehst du dich als Musiker?
Gut, die Mission die ich vorschlage ist halt Kommunikation, das sage ich auch so in „Sideral“. Das ist doch das schönste was man sagen kann, oder? Im Dialog geht es darum sich hinzusetzen und zu reden. Es heisst, dass der Dialog ein Austausch zwischen zwei intelligenten Personen ist. Ich sage auch immer Dialog – ja - aber nur mit viel Liebe, ohne den anderen anzugreifen. Wenn du attackiert wirst, dann fängst du ja sofort an dich zu verteidigen. Das passiert uns allen. Das heisst, dass du wissen musst wie du dich unterhälst, um eine Übereinstimmung zu finden. Ich sehe mich als Kommunizierer, noch vor dem Musiker. Ich könnte morgen also auch vierzehn Liebeslieder schreiben, wenn ich verliebt wäre. Mir gefällt es ja von Album zu Album zu wechseln, um mich nicht zu wiederholen. Es gibt halt immer Leute die dich kritisieren und du verlierst auch immer Publikum. Aber Inspiration ist eben was es ist und man muss halt über die Dinge, die einen inspirieren, reden.

23. Aber wie schlägst du denn Kommunikation vor, wenn du auf der Bühne singst? Du redest doch eigentlich nicht direkt mit den Leuten, ausser in Interviews, und davon gibt es wenige...
Ja, aber sicher doch! Das ist doch ein total klarer Dialog. Ein Konzert plus Dialog. Zu erst einmal antworten dir die Leute doch, mit ihrer Stille oder mit ihrem Applaus. Das ist doch viel direkter als auf CD. Ein total klarer Dialog. Das ist der direkteste Weg überhaupt und mit den wenigsten Worten. Wir lernen alle Sprachen, sowie die nichtexistenten. Das ist ein Satz von Lec und für mich ist der echt umwerfend. Ich benutze gern Aforismen, weil sie viel Ausdruckskraft haben. Mich haut der Satz immer wieder um. Ich rede doch mit den Leuten, wenn ich auf die Bühne komme und sage: Hört mal, wollt ihr mehr oder sollen wir gehen? Und die Leute antworten: Ja oder nein. Ich muss sie doch überzeugen oder sie mich, absolut klar und direkt!

24. Früher gab es Apostel, Missionare und Profeten. Glaubst du, dass so etwas heute noch existiert, nur in anderer Form?
Nein, wenn ich mich auf Mission beziehe, solltest du das nicht auf diese Art und Weise interpretieren. Ich sehe mich nicht als Guru oder Profet oder Politiker. Ich sage was ich sage, und breite mich damit aus. Sprich, wenn ich demnächst vierzehn Liebeslieder machen möchte, dann soll mir keiner kommen und etwas dagegen sagen. Das ist meine Sichtweise und mir ist egal was die anderen sagen. Wenn sie mich kritisieren ist mir das egal. Ich lese auch keine Zeitschriften mit den Interviews, nur meine Bücher...

25. Inspirierst du dich viel durch Bücher?
Mh, ja, ich weiss nicht ob es mich beeinflusst aber ich lese viel. Zur Zeit lese ich gerade wieder Llorca, der mir sehr gut gefällt. Ich finde das ist ein grandioser Autor, weil er jede Menge Symbolismen verwendet. Sie wollten ihm das Etikett des Politikers verpassen, er hat aber gesagt: Nein, ich bin Schriftsteller. Mir gefällt das Theater und die Poesie und ich vermische gern beides.

26. Ihr spielt ja auch auf der Frankfurter Buchmesse, wo Katalonien dieses Jahr Gastland ist. Und obwohl Macaco viele verschiedene Sprachen mischt, gibt es trotzdem keinen Song in Katalan. Warum nicht?
Ich bin Txarnego, wie sie das hier in Katalonien nennen. Das war viele Jahre lang ein verpöntes Wort. Es ist eine Bezeichnung für die Leute deren Eltern von ausserhalb kamen. Es wurde gesagt, dass sie einen schlechten Akzent hatten, weil sie viele spanische Wörter untermischten. Meine Mutter ist Amaya und mein Vater Katalane. Aber meine Vorfahren waren Andalusier. Mir gefällt Katalan auch total, und ich respektiere es. Aber Macaco ist sehr international und wir reisen viel. Ich rede halt von den Sachen, die ich kenne und deswegen mache ich das auch auf Spanisch. Unsere Reisen waren immerhin eine Konsequenz dessen. Ich werfe auch immer ein Wort auf Katalan dazwischen, das musst du dann finden, aber ich habe nie einen Song auf Katalan geschrieben, weil ich zuviel Respekt davor habe. Vielleicht weil es mir so nahe steht. Die anderen Sprachen sind mir mehr egal. Nichtsdestotrotz habe ich aber ein Album mit einer katalonischen Band aufgenommen. Das war eine grosse Ehre für mich.

34. La Cosa Nostra?
Mh, ich will jetzt keine Namen nennen, aber das sind die Grossväter der Rumba Katalana. Sie haben mich angerufen und gefragt ob ich kollaborieren wollte. Für mich war das natürlich eine Ehre. Die sind aus Gracia, wo immer noch viele Gitanos leben, spanische Juden, die auch den selben Nachnamen haben wie ich – Carbonell.

36. Du hast dieses Jahr auch einen Song deiner Kindheit für ein Yoga-Zentrum in Barcelona aufgenommen. Was für ein Lied war das?
Ah, woher weisst du das denn?

37. Neuigkeiten kommen immer an...
Ja, aber das ist sehr ...Also gut, das war für eine Freundin, die etwas esotherisch ist und die mit sehr vielen Lueten Yoga macht und schon vielen bei ihren Problemen geholfen hat. Die hatte die Idee eine CD heraus zu bringen und ich habe daran teilgenommen. Ich habe zwar nur wenig Zeit, aber wenn ich kann, dann schreibe ich gern Songs für andere Projekte. Ich hab auch gerade einen Remix für Ari, die Hip Hop Sängerin, gemacht...

38. Ja, aber welchen Song hast du für das Yoga-Zentrum ausgewählt?
Das hat eigentlich nichts mit dem Yoga zu tun, weil das Thema ja ein Song deiner Kindheit war. Ich habe einen Text darüber geschrieben, welche Kraft die Erinnerung und der Geruch an deine Kindheit haben. Ich habe auch meine Mutter zum Singen eingeladen und meine Neffen und die Kinder von Freunden. Viele meiner Freunde haben jetzt nämlich Kinder. Lieder haben halt die Kraft dich an Sachen zu erinnern. Ich komme aus einer Familie, die lange Zeit kaputt war und sich erst später wieder zusammen gefunden hat. Und die Musik war immer eine Mittel des Zusammenfindens. Wenn es Musik zu Hause gab war alles gut, wenn nicht, dann war alles schlecht...

39. Schlagen wir mal den Bogen vom Yoga zu dir selbst. Du redest immer davon, dass die Schnelligkeit einen umbringt („La Prisa Mata“). Andererseits bist du selbst sehr schnell. Du hast in den letzten zehn Jahren vier Alben veröffentlicht, andere Bands produziert, Remixe gemacht und viel kollaboriert. Wie behälst du die Balance zwischen der Fülle an Produktionen und der Ruhe, die Dinge gut zu machen?
Mh, da hast du natürlich Recht. Ich versuche immer die Dinge gut zu machen, wenn es um etwas künstlerisches geht, weil ich viel Zeit darauf verwende. Manchmal verbleibt aber gar keine Zeit mehr für mich dabei. Ich geh gern schwimmen, ich bin der totale Meerliebhaber und ich bin gern mit meinen Leuten zusammen. Lange Zeit habe ich aber gar nicht daran gedacht, weil ich mich immer mehr um die Musik gekümmert habe, auf Tour zu sein etc. Deswegen sage ich die Dinge, über die ich singe, auch immer zuerst zu mir selbst. Ich bin kein Weiser, sondern einen Schüler des Lebens. Und das mit „La Prisa Mata“, was das gleiche ist wie “Fast Lane“, ist eine grosse Wahrheit. Genau nachdem ich „Fast Lane” beendet hatte sind schon wieder die Manager gekommen und wollten wissen, wann ich das nächste Album veröffentlichen würde. In dem Moment habe ich dann die krasseste Entscheidung meines Lebens gefällt. Seitdem ich sechzehn bin, spiele ich nun in Bands und die Wahrheit ist, dass ich nie wirklich eine Pause gemacht habe. Manchmal war ich raus, weil ich Drogenprobleme hatte. Ich war halt voll auf Drogen, als ich jünger war. Und wegen Problemen konnte ich eben manchmal nicht da sein, wo ich sein sollte. Später dann, als wir immer auf Tour waren habe ich nie eine Pause gemacht. Immer wenn die Tour vorbei war, habe ich das nächste Album produziert, dann hat die Promo angefangen, die Proben und ich bin wieder auf Tour gegangen. Das war jetzt zehn Jahre so. Die „Ingravitto“-Tour hört jetzt im Oktober auf, danach werde ich ein Jahr lang nicht mehr auf Tour gehen. Ich nehm dann ein Album auf, in unserem kleinen Studio dem Murmullo. Und das wird das Album, was ich am meisten geniessen werde und was mir am meisten Spass machen wird. Ich werde nicht touren und die Promo wird erst anfangen, wenn das Album schon draussen ist. Llen. Aber diesmal widme ich das Album mir selbst.

40. Was für ein Album wird es sein?
Die Formel von weniger ist mehr, habe ich mittlerweile in mein Herz eingraviert. Ich habe mehr Songs als je zuvor. 20 Songs, einige Hefte voll mit Texten und vier Kassetten mit Ideen. Daraus sollen ca. 40 Songs entstehen. Einige werde meine sein, andere mit anderen Musikern zusammen. Ich möchte auch ein neues Projekt mit anderen Musikern anfangen, davon kann ich dir aber noch nichts erzählen, weil es eine Überraschung sein wird. Das nächste Album von Macaco will ich dann nach dem nächsten Sommer heraus bringen. Und danach kommt das Überraschungsalbum, was sicherlich eine sehr grosse Überraschung für die Leute sein wird.

41. Ein Jahr ist aber auch nicht viel Zeit...
Ja, aber ich unterteile die Zeit ab jetzt. Ich produziere das Album in einem Jahr, danach würde die Promo normalerweise noch vor dem Sommer beginnen und danach würde die Tour kommen. Das mache ich diesmal aber nicht so. Da bin ich sehr stolz drauf. Ich werde nicht aufhören zu arbeiten, weil ich Musik liebe. Es ist zwar ein Job aber gleichzeitig ist es auch mein Leben. Ich spiele auch immer Gitarre wenn ich nach Hause komme.

42. Wie ist es so viel Erfolg zu haben, im Vergleich zu vorher?
Mh, für mich hat sich nichts geändert. Ausser, dass ich jetzt mehr Verantwortung trage. Macaco ist halt sehr bekannt geworden. Aber der Prozess war so, so, so, so langsam, Stück für Stück, und so anstrengend, dass es unmöglich ist etwas daran zu ändern. Ein Schritt, eine Treppenstufe, tac. Du kennst dich dann sehr gut und es überrascht dich nichts mehr. Es grüssen mich jetzt mehr Leute auf der Strasse, und naja, es sind halt mehr als letztes Jahr. Und letztes Jahr waren es halt mehr als das Jahr davor. Aber das lief alles über Mund zu Mund Propaganda, eben Schritt für Schritt.

43. Es war auch mal die Rede von anderen Projekten. Eine Reise nach Afrika, ein Film, ein Album „Made in Taiwan“. Wirst du die ebenfalls machen oder eher nicht?
Tja, die Sache ist die, wenn du Projekte mit anderen Personen machst, bist du immer von Ihnen abhängig. Deswegen wollte ich die Freiheit haben, dass Macaco mein Projekt wäre. Damit ich nicht von anderen Personen abhängig bin und die Dinge zu der Zeit machen kann, wann ich will. Das Projekt des Films ist ein Dreimannprojekt mit einem Filmregisseur und einem Kameramann. Die anderen haben aber auch viele Projekte, weswegen wir es wahrscheinlich nicht umsetzen werden. Und die Idee mit der CD “Made in Taiwan” kam auf, weil mir dieses Land so gefällt und ich gern dahin zurück kehren würde. Das wär super so ein Live-Album heraus zu bringen, es ist zwar sehr typisch aber eben auch sehr cool.

Dann wünsche ich dir viel Erfolg mit allen weiteren Projekten und ein erfrolgreiches Jahr. Wir sind gespannt was noch alles kommt.

Autor: Anne