Ja, Reggae ist ein verdammt dreckiges Geschäft und nur wenige wissen die schroffen Offbeatklippen richtig zu nehmen. Auch wenn nach wie vor hartnäckige Klischees von Sonnenschein, Liebe, Freude, Jux, Dallerei und der zweitausendsten Coverversion des permanent falsch verstandenen No Woman no Cry diese arg gebeutelte Musik überschatten, ich sage euch Kinder - und ich lehne mich an dieser Stelle dramatisch weit in meinem Lehnstuhl zurück - für Schweinereggae nach Woggle-Gusto lasse ich jedes Werthers Echte locker links liegen, im Staub, in den es gehört.
Dr. Woggle & the Radio sind gerade erst frisch aus dem Studio gekommen und man sieht ihnen das Ringen mit dem Löwen noch deutlich an. Gewohnt elegant zeigen die sieben Weinheimer stolz ihre Blessuren, die nur ansatzweiße von den neuen Anzügen verdeckt werden. Aber scheiß auf den neuen Fummel und gräme dich nicht angesichts der aufgeplatzten Lippen und den großen Mengen an vergossenem Schweiß und Blut. Wenn das Ergebnis so gut ist, dann war es jeden Liter wert. Das neue Album Rockers! jedenfalls hievt den Rock and Roll einmal mehr in Sphären, in die er (auch) gehört: nach Jamaika. In dreizehn Einheiten zaubern die Woggles ihre Kampferprobten mehrstimmigen Harmonien zwischen all Jamaican Style Ska, Rocksteady und Reggae und einem Hauch Jazzanspruch. Die neue Platte, die über das Münsteraner Label Skycap Records auch auf Vinyl erhältlich ist, perfektioniert dabei weiter die Richtung, in die sich die Band schon auf „Bigger is Tough“ entwickelte. Dort ist keinerlei Gaspedal mehr nötig, um hochentzündlich swingende und vor allem rockende Sounds zu schreinern. Von den Livequalitäten einiger der neuen Songs konnte man sich ja schon seit einiger Zeit überzeugen, wobei der Erfolg auf der Bühne bei der Rampensau am Mikrophon ja eigentlich keiner Betonung mehr bedurft hätte. Trotzdem sollten wir uns alle freuen, das neue Kind hoffentlich bald auf einer Tour gemeinsam begießen zu dürfen. Bis dahin bleibt uns als Wegzehrung beruhigender Weise dieses fast unanständig gewaltige Steak von einem Album. Und weil mir die Jungs so verdammt sympathisch sind, verzeihe ich ihnen auch mit einem lasziv großzügigen Schulterzucken den 80er Sythie-Bass Effekt in „Solution“ und das Griffbrettwichsen in „Run and Hide“.