Punkrock ausm Osten, politischer deutschsprachiger Punk ausm Osten, da wurde ich hellhörig und musste mir 100 Kilo Herz unbedingt mal geben und Suprise Suprise: Saxophon und Trompete sind auch am Start. Die perfekte Mischung, die das Herz begehrt. Das zweite Werk der Leipziger erweckt einige Erwartungen.
Der Opener „Drei Jahre ausgebrannt“ gibt schon mal klar die inhaltliche Richtung des Albums vor: Kritik an der Gesellschaft und deren widerlichen Alltagsrassismen und -sexismen, die immer wieder als Scherze oder Missverständnisse entschuldigt werden. Typen, wie der widerliche Sohn aus Mannheim und der furchtbar wirre Til Schweiger bekommen im Laufe des Albums eins vor den Latz geknallt, sehr gut.
Rechter Terror, Ausgrenzungen, Utopien von einer besseren Welt, Beziehungen, Liebe, Gedanken über den Tod und den Sinn des Lebens, Alkohol- und Drogenmissbrauch in der Musikwelt und der Punkszene… an Inhalten und Kritik mangelt es nicht. Auch der Albumtitel kommt nicht zu kurz, Fluchtgedanken, das Verlassen der Provinz in die Großstadt auf der Suche nach Perspektive. Nach 30 Jahren Wende immer noch ein brandaktuelles Thema.
Alles in allem ist „Stadt Land Flucht“ ein sehr gelungenes Album mit druckvollen Bläsereinsätzen als eigenes Stilmittel, astreinen Punkrock und Texte, die inhaltlich ordentlich progressiv sind und dabei den rauen Charme des Underground beibehalten.
Das Album wurde im Winter 2019/2020 aufgenommen. Spannend dürfte sein wie die Band auf die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen seit der Corona Pandemie blickt, da dürfte auch der Braune Soße und Smoothie Kocher sein Fett wegbekommen.