Es ist Zeit. Es ist sogar höchste Zeit. Höchste Zeit, um über ein Album und eine Band zu sprechen, die Berlin in den letzten zwei Sommern den Atem geraubt haben. Mit "Love & Hate & Politricks" brachte The Magic Touch nämlich im August 2010 endlich das lang erwartete Debüt auf die Plattenteller dieser Stadt.
Dass dieses Monster von einem Album übrigens erst jetzt von mir besprochen wird, liegt allein daran, dass mir die eisernen Klauen der Pflichterfüllung die bitter nötigen ein, zwei freien Atemzüge nicht früher erlaubten. Aber: Kein Mitleid, ich bitte Sie! Ich hatte doch Hilfe. Denn über diese harte Zeit hat mich die Musik von The Magic Touch stets treu und tröstend begleitet. Danke, Jungs!
Was vor einigen Jahren als Projektband in Kellerbars zu gären begann, entwickelte sich spätestens seit dem Eintritt von Ex Court Jester’s Crew Sänger Magic Roger zu einer festen Größe in der alternativen Szene der Hauptstadt. Einige schweißtreibende und frenetisch gefeierte Konzerte später war es eigentlich überhaupt nicht mehr zu verstehen, ja, war es geradezu unanständig, dass diese Band ihren Fans, die immer zahlreicher wurden, noch immer kein Album als Erinnerung an die großartigen Abende anzubieten hatte. Die fünf Musiker von The Magic Touch selbst sahen dabei ihre Rolle ganz bescheiden, gaben sich immer eher sympathisch zurückhaltend... bis sie im Sommer dieses Jahres endlich mit ihrem Baby herausrückten. Die Fans dagegen, nun mit einer Platte zum „Mitrumtragen“ versorgt, häufen inzwischen einen Superlativ über den andern. Und wenn jemanden meine Meinung interessiert, die meisten davon zu recht.
Auf einem proppevoll gepackten Album vereint die Band arschtretenden Dirty Reggae, Rum-Bar Shake-a-leg Soul und einen Rocksteady, so süß, dass man damit Kuchen backen könnte. Wer übrigens immer noch meint, der Offbeatrhythmus käme in der Regel recht einsilbig daher, der spüle sich vor dem Genuss dieser Scheibe einmal gehörig die Lauscher durch. Die immer wieder durchdrückende meterdicke Orgel, ein punktgenauer Bass und geniale Schlagzeugtiraden wie bei „Gimme Some More“ beweisen im Vinylumdrehen das Gegenteil. Kurzum, diese Scheibe ist von ganzem Herzen zu empfehlen.
Wir befinden uns dabei deutlich diesseits der stahlbetonglatten Produktion eines Major Labels. Sicher, das lässt einige raue Stellen offen; Momente an denen man sich beim Tanzen seine Knie schon aufschlagen könnte, einen Hauch Wildnis und den zitternden Odem musikalischen Abenteuers. Aber, und diese Folgerung ist eigentlich hinfällig, hinter den Thermoglasfassaden von Berlin Mitte hat Dirty Reggae sowieso nichts zu suchen. Nein, dieses Album ist schon ganz richtig, so wie es ist. Einzig der abschließende Ausflug zum Dub der letzten beiden Tracks ist vielleicht etwas zu viel des Guten. Nicht, dass The Magic Touch dieses Genre nicht beherrschten, ganz im Gegenteil, aber "Love & Hate & Politricks" kommt ohnehin schon sehr vielseitig daher und läuft ab und zu Gefahr, mit einem Quäntchen zu viel Fracht, das „Durchhören-am-Stück“ der Scheibe zu erschweren. Ein Wehrmutstropfen, aber ein klitzekleiner. Das wird aber niemanden vom Kauf der Scheibe abhalten. Hoffentlich auch nicht das, zumindest im Vergleich zum hochglanzglitzernden Werbe-Sticker, etwas unscheinbar geratene Cover. Denn das wäre eine klassische, gerade zu Wong Kar-Wei’sche verpasste Gelegenheit und außerdem zutiefst tragisch!