Musikalisch bleiben sich No Life Lost aus Hamburg auch auf ihrem inzwischen fünften Studioalbum treu: Schweißtreibender Uptempo 2tone-Punkrock mit musikalisch versierten Kurztrips in verschiedenste Randgebiete von Pop bis Heavy Metal, aber alles gut gewürzt und auf straßentauglich gebürstet. Was mich allerdings schwer irritiert, sind die Texte der Leute aus St. Pauli.
Klar, nach wie vor geht es viel um Fußball, immer tauchen am Rande die üblichen Seitenhiebe auf Sex- und Fleischisten auf, die beim irgendwie links-politischen Rundumschlag nicht fehlen dürfen. Einige der witzigen Einfälle in diesem Zusammenhang gefallen mir sogar ganz gut. Aber dann gibt es Songs wie „Respekt an mich“, bei denen ich nur hoffen kann, dass mein auf Ironie gesetzter Wetteinsatz nicht hoffnungslos verloren ist. Alles Andere traue ich dieser Band auch eigentlich nicht zu; einer Band, die vom Derby-Rivalen The Skatoons ins Hauslabel geholt wurde, und die uns in der Vergangenheit so viele Ska-Punk Hymnen geschenkt hat. Andererseits, meine Herren Musiker: Wo kommt eigentlich plötzlich der ganze Hass und die Haudrauf-Mentalität der Songtexte her? Vielleicht deutlich „zu viel Kopfball“?
Im Ernst: Was No Life Lost auf dem aktuellen Album so alles gegen den Strich geht und was deshalb brachial-kategorisch mit Ablehnung überschüttet wird, das geht mir nicht nur auf die Nerven, davon möchte ich mich in aller Deutlichkeit distanzieren!!!
Ich gebe zu, ich verstehe sie auch nicht, die Radio-Pop Hörer, die schon seit Jahrzehnten auf Abenteuerland, Life ist Life und Wolfang Petri stehen. Wenn es aber nach No Life Lost ginge, würden diese einfachen Gemüter des Musikkonsums mit zertretenen Brillen aus der Halle geprügelt werden. Egal, mit welch humoristischem Grundgedanken solche Zeilen formuliert wurden, bei mir erzeugen sie heftigen Brechreiz. So etwas kann man eigentlich nur hinnehmen, wenn man der Band im Vorfeld schon eine ganze Menge Vorschuss-Kredit in Sachen politisch korrekter Einstellung einräumt - was ich im Grunde auch tue. Dennoch: Die Zeilen für sich genommen, zählen zur finstersten Sorte.
Was der Band noch alles nicht passt: altmodische DJs, Rockfans mit billigen Dave Grohl Haarschnitten, Metallicafans, eBay-Nerds, Menschen mit schlechtem Humor, plumpen Sprüchen und arrogantem Auftreten und was weiß ich noch alles. Mag sein, vielleicht kann man über viele der kritisierten Phänomene nachdenken. Sicher schadet ein gut gesetzter Scherz über so manchen eingebildeten Zeitgenossen nicht. Da geh ich voll mit. Und ich steh auch auf schwarzen Humor, keine Frage. Was No Life Lost hier aber textlich als Gesamtbild abliefern, die miese Laune und die Lust an roher Gewalt, die aus ihren Zeilen sprechen, das alles ist zeitweilig so garstig, dass mir das Grausen kommt. Wie kann man sich aufregen über die Arroganz der Mainstreamer, die ihren Geschmack zum Maßstab der Gesellschaft erheben und auf dem gleichen Album einem DJ den Verkehrsunfall an den Hals wünschen, weil sein Musikgeschmack nicht genug hergibt. Nein Danke! Das ist kein Punkrock, das sind intolerante Stoffwechselprodukte! Den Song „Einfach mal die Fresse halten“ hätten sich No Life Lost besser selber zu Herzen genommen. Argumentativ feinsinniger als die von ihnen angegriffene Klientel gehen sie selbst jedenfalls auch nicht vor.