Ringo Ska – Betolzkahitoparat

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Wie lange lachen Sie durchschnittlich über einen Kalauer? Wer hätte gedacht, dass man mit einem einzigen Kalauer über eine weit größere Distanz als eine Langspieleinheit Freude bereiten kann? Nicht weniger haben sich die knapp mehr als vier Fantastischen vom Oberrhein vorgenommen. Die Geißel der Wortspielerei ist ja im Übrigen seit Skatalites’ Zeiten gerade bei den Bandbenennungen nie mehr aus der Offbeatszene gewichen. In dieser Hinsicht ist „Ringo Ska“ schon wirklich einer der besseren Versuche, weiß man doch gleich in doppeltem Sinne worum es geht: Um die Beatles, die jeder kennt, und um Ska, diese ominöse karibische Tanzmusik mit den rebellischen Wurzeln...

Immer wieder gerne wird in der Szene die Geschichte erzählt, wie angetan niemand geringerer als Bob Marley von den Melodien der Liverpooler Pilzköpfe war. Allein ihm fehlte der richtige, der einzig wahre Rhythmus: Was hätte aus der Songwritergewalt Lennon/McCarthy kombiniert mit einem mächtigen Offbeat alles werden können, so sinnierte die Ikone des Rastafari Reggae. Und ER muss es ja wissen. Denn was den „No woman no cry“ Liebhabern heute schon viel weniger bekannt ist, ist die Tatsache, dass Mr. Marley mit seinem Gesangstrio The Wailing Wailers und später dann auf Solopfaden von der Ursuppe bis zum kommerziellen Ausverkauf des jamaikanischen Music Business fast alles miterlebt hat, was sich zwischen zwei Offbeats quetschen lässt. Die Wailers skankten durch die Straßen von Trenchtown und trafen sich mit Rude Boys auf Hinterhöfen zu spontanen Soundclashs. Die Wailers wurden für die ersten Songs, meist eingespielt zusammen mit den Skatalites, wie alle anderen jungen Musiker, die von der schnellen Berühmtheit träumten, mit lächerlichen 5 Dollar Gage abgespeist. Schließlich schalteten die Wailers im heißen Sommer von 1967 (wie viele andere Bands) ein paar Gänge herunter und landeten schließlich immer mehr Reggae Hits, u. a. zusammen mit Lee „Scratch“ Perry und seinen Upsetters. Ska, Rocksteady, Early Reggae, Roots Reggae. Nesta Robert Marley war immer vorne mit dabei. Soweit die kleine Geschichtsstunde. Sich also einen solchen Gewehrsmann auf die Fahnen zu schreiben zeugt folglich von einem gehörigen Anspruch.
Und so sehen sich Ringo Ska quasi im Auftrag seiner Majestät selbst, wenn sie auf ihrem ersten full lenght Album die Hits aus Liverpool geschickt und mit viel Begeisterung veroffbeatlen. Das Ergebnis ist eine erstklassige Partyplatte mit Mitsinggarantie und gute Laune Flatrate. „Betolzkahitoparat“ – der Albumtitel entsprang übrigens einer japanischen Internetübersetzungsmaschine während der letzten Fernosttour der Band – gibt all die lieb gewonnenen Melodien von damals der Tanzfläche zurück, feuert den romantischen Beatleskamin noch einmal ganz neu ein und lässt die Feierlot gludern. Werbewirksam formuliert die bandeigene Homepage: „Bei Ringo Ska sind Hochsommer und gute Laune angesagt - ein Kurztrip in die Karibik…“ Klar soweit!
Das Problem ergibt sich aber, wenn man im Detail bohrt. Dem Offbeatlesegler mangelt es genau besehen nämlich für meinen Geschmack an dem nötigen Tiefgang, um die Atlantiküberquerung in die Karibik auch wirklich heil zu überstehen. Für den weitaus kürzeren Weg vom Oberrhein über den Ärmelkanal ins Britische Königreich hingegen ist ihre Leichtmatrosenbarke völlig ausreichend. Offenbar haben sich Ringo Ska weit mehr mit den Beatles und europäischen Hörgewohnheiten beschäftigt als mit Bob Marley und jamaikanischem Ska. Denn was auf Betolzkahitoparat so fröhlich daherschallt ist fast ausschließlich klassischer und schweißtreibender British 2Tone der neueren Spielart. Das ist gut, macht Spaß und ist überaus partytauglich. Kein Wunder, dass die Gesinnungsgenossen von den Busters aber auch geschäftssinnige Erfolgsmusiker wie die Söhne Mannheims und Dick „Sascha“ Brave, der selbst nicht ungern von fremden Tellern nascht, begeistert gratulieren.
Mit eigentlichem Ska hat das Ganze aber herzlich wenig zu tun. Höchstens vielleicht soviel, dass jamaikanische Musikproduzenten in den 60er Jahren auch nicht davor zurückschreckten, die amerikanischen und britischen Charts zu plündern, um den dicken Reibach zu machen. Schon damals wurde mit Vorliebe die westliche Popgeschichte rauf und runter gecovert. Besonders bekannte Beispiele sind Lord Tanamos „I’m in the Mood for love“, Derrick Harriotts „Reach out (I’ll be there)“ oder Ken Boothes „Ain’t no sunshine“. Dass gerade auch die Beatles und ihre enormen Erfolge für Coxsone Dodd und Kollegen nicht unbemerkt blieben, davon zeugt die beeindruckende 3 CD Sammlung „Trojan Beatles Tribute Box Set“ mit über 40 Coverversionen, eingespielt von dem who is who der jamaikanischen Musikszene. Die Idee, erfolgreiche Songs in neuem Gewand anzupreisen, ist also alles andere als neu. Es kommt deshalb in erster Linie auf die Umsetzung an. Der Shoutalong Hit „Don’t let me down“ in der Version von den Aggrolites ist zum Beispiel ein absoluter Partygarant und darf an keinem Liveabend der Dirty Reggae Pioniere fehlen. Dann gibt es da das sehr interessante Projekt von Crazy Baldhead (Review hier auf der Seite), das den Begriff „The Sound of 69“ beim Wort nimmt und mit einer aktuellen US-Allstar Besetzung Charthits des Jahres 1969 in jamaikanische Klänge kleidet, darunter auch der Beatles-Song „Come Together“. In Amerika bringt das Label Easy Star Records Reggae-Konzept-Cover von ganzen Alben der Popgeschichte heraus, so etwa „Dub Side of the moon“ als Tribute an Pink Floyd und „Radiodread“ dass sich dem Erfolgsalbum „Ok Computer“ von Radiohead widmet. All das sind nur wenige Belege für das starke Recycling-Engagement dieser Musikbewegung. Unzählbare Coverversionen in der gesamten Szene seit den 60ern bis heute zeigen, wie beliebt das Neuinterpretieren bekannter Melodien ist. Ringo Ska haben in diesem Zusammenhang vielleicht einen besonders konsequenten Weg gewählt. Schon mit der Wahl des Bandnamens haben sie sich auf eine ganz bestimmte Gangart festgelegt. Das engagiert präsentierte Ergebnis hält was es verspricht: „gute Laune“ und einen „Kurztrip in die Karibik“. Auch wenn die Karibik hier plötzlich wieder gefährlich nahe an die britischen Inseln heranrückt, für ordentlichen Tanzspaß sind Ringo Ska immer gut zu gebrauchen. Als ernsthafte künstlerische Auseinandersetzung mit den im Namen implizierten Wurzeln ist zumindest dieses Album aber nicht gedacht.
Abschließend ist es mir ein Anliegen zu betonen – vielleicht wusste es ja manch einer noch gar nicht – dass gute Laune und Sunshine Feeling NICHT Anlass, Inhalt oder erklärtes Ziel des überwiegenden Teils jamaikanischer Musik sind.