Talco veröffentlichten am 6.11.2015 ihr nunmehr sechstes Studioalbum „Silent Town“. Wie die beiden Vorgänger („Gran Galà“, „La Cretina Commedia“) ist es auch ein Konzeptalbum und beschäftigt sich gezielt mit einem Thema intensiv. Eine Art des Songwritings welche bewusst gewählt ist von den Jungs aus Marghera.
Kommen wir zur Platte selbst, die mit 12 Liedern aufzuwarten weiß. Ich mag den selbstgenannten „Punk Chanka“-Stil von Talco, aber bei dem ersten Song „Il tempo“ stellen sie das Punkrock-Schlagzeug zu sehr in den Vordergrund. Beim Hören ist das auf Dauer eher anstrengend, zumal es auch (zu)wenig musikalische Variation zulässt. Leider bleibt dieser Eindruck bis zum dritten Lied „Sombra“ erhalten und insgesamt ist mir da zu wenig Hymne/Melodie drin. Die schnellen Punkrockstellen sind zu sehr betont. Das haben Talco gar nicht nötig, um die Menge in Bewegung zu bringen und nach vorne zu peitschen.
Die erste positive Überraschung kommt mit Lied 4 „Nel Varieta“, welches mit zusätzlichem Banjo aufwarten kann und eher wie ein „typischer“ Talco-Song instrumentalisiert ist (rhythmische/tanzbare Offbeat-Strophe und ein Refrain zum Abgehen). Als nächstes Stück erwartet einen das auf Talco Alben fast schon obligatorische Instrumentalstück „Rotolando“ als Einleitung/Übergang zum namensgebenden Song „Silent Town“. Dieser beginnt eher ruhig, steigert sich dann kontinuierlich bis zum kraftvollen Refrain, unterstützt von einem ruhigem „Mitsing“- Zwischenstück.
Der zweite Teil des Albums überzeugt mit dem gewohnt stilsicheren Mix aus sehr tanzbaren Strophen mit sicherem Offbeat-Groove und melodisch-schnellen Refrains, die ab und zu ins Hymnische abheben. Letzteres wird durch den Einsatz von Backgroundgesängen noch unterstützt. Auch wird hier deutlich mehr Variation geboten und unterschiedliche Einflüsse (Klezmer, Folk, italienische Volksmusik etc.) sind durchzuhören. Es fällt zunehmend schwerer still sitzen zu bleiben und es beschleicht einen die Vorfreude auf die Live-Shows der Ragazzi im nächsten Jahr.
Zum Ende wird es mit „Ovunque“ noch einmal ruhiger, bevor die Platte mit „Malandia“ furios ausklingt, welcher auch als Singleauskopplung erschienen ist. Die Höhepunkte der Platte sind für mich „Malandia“, „Nella strada“ und „Dalla pallida Miro“. Der letztere thematisiert den Tod eines italienischen Jugendlichen, nachdem er von vier Polizisten zusammengeschlagen wurde.
Talco sind für ihre politische Haltung bekannt und geschätzt. In ihren Liedern thematisieren sie immer wieder Missstände, so auch auf dem aktuellen Album. Dabei wird durchgängig auf Italienisch gesungen, aber im Booklet gibt es eine englische Übersetzung. Die Texte wirken niemals plakativ oder niveaulos. Im Gegenteil, sie sind meist poetisch gehalten und relativ schwer zu deuten, sodass man sich doch gerne mal mit dem Texter zusammensetzen würde, um ihn zu fragen, was er sich bei einigen Zeilen gedacht hat.
Alles in allem kommt für mich das neue Talco-Album nicht ganz an den Vorgänger „Gran Galà“ ran. Das liegt am etwas ruppigen Anfang, der die musikalische Vielseitigkeit ein wenig drückt. Nichtdestotrotz ist es super gelungen und lohnt in jedem Fall den Kauf. Vor allem sollte man unbedingt eine der anstehenden Shows von Talco zu besuchen, da die Jungs ihre wahre Kraft auf der Bühne entfalten.
Autoren: Pfeffer & Marika