Gerade eben erschien: United Colors of Ska 4.0!!
Allein die Anzahl an Songs auf diesem Sampler ist mehrfach destillierter Wahnsinn! 44 Tracks auf zwei CDs von Bands aus weit über 30 Ländern sind nun wirklich überwältigend. Ein äußerst spannendes Werk.
Geben wir es doch ruhig zu. Die meisten Freunde des Ska sind doch irgendwann einmal den Sozialisationsumweg über Punkrock gegangen. Es gab da einen Moment, in dem man plötzlich den Unterschied erklären konnte, zwischen tanzbaren und pogbaren Songs: Offbeat oder Nicht-Offbeat, das war dort die Frage. Der junge Forscherdrang war geweckt. Wo kommt das her? Wer hat das erfunden? Und was zur Hölle macht das mit mir? Und schon ging’s dahin...
Wer das Phänomen Ska einmal für sich entdeckt hat, der macht gerne eine stufenweise Entwicklung auf seinem Weg zurück in der Musikgeschichte (so mancher Fanatiker darf das ruhig im Stillen mit „zurück zu den Wurzeln“ übersetzen) durch, die in etwa so aussieht: Ska-Punk, 3rd Wave/2Tone, Jamaican Ska/Rocksteady/Early Reggae und dann alles auf einmal incl. aller Sonderformen. (Ich ignoriere hier übrigens nachlässiger Weise alternative Wege wie den Einstieg über dubiose „Bob Marley Best of“ Pressungen oder altersbedingte Nostalgie-Schübe.) Ska als musikalische Kategorie kann über eine bald 50 jährige Geschichte zurückblicken. Da gibt es vieles zu entdecken aber auch vieles zu erklären. Denn nach wie vor werden die meisten Gesichter der unbedarften Radiohörer lang, fällt das kleine Stichwort: Nie gehört! Wo wohnt der Herr überhaupt?
Wie oft musste ich solche Fragen schon beantworten? Eigentlich nie. Denn praktischerweise gab es da schon ein paar Methoden, dem Neuling, ohne große Worte verlieren zu müssen, einen schnellen Einblick zu geben. Zum Beispiel: Drück dem Herrn eine repräsentative CD in die Hand und lass ihn selbst entdecken. Glücklich, wer genau für solche Zwecke im Besitz einer der bisher im Hause PorkPie erschienenen und schon fast legendären Samplerreihen „Ska... Ska... Skandal“ oder „United Colors of Ska“ war. Und ganz besonders dankenswert: „The Spirit of Ska - 10 Years Jubilee Edition“! Diese Platte durfte in keinem Sammlerregal fehlen. Wer weiß, wie vielen Nachgeborenen genau diese Scheibe Tür und Tor in die schwarz-weiß gescheckte Ska-Welt (und darüber hinaus) aufstieß. In jedem Fall stellt sie eine für die Entstehungszeit (1999) geniale Zusammenschau der Musikentwicklung dar, die schnell ins Ohr geht und dort eine ganze Weile bleibt. Die perfekte Einstiegsdroge eben, die man getrost jedem Neuling aufs Auge drücken konnte: Wortlos glücklich mit nicht erwähnenswerten Nebenwirkungen.
Nach einer nicht selbst verschuldeten finanziell schwierigen Phase 2003/2004, die leicht das endgültige Aus für PorkPie hätte bedeuten können, und nach dem glücklichen Comeback war dann die Frage: Würde das Label es schaffen, sich erneut an den Puls der Zeit heranzuarbeiten, oder würde es sich auf den errungenen Lorbeeren ausruhen und lediglich mit den alten Pferden aus dem gut gepflegten aber nicht mehr taufrischen Rennstall punkten.
Und dann ist es passiert: Gerade eben erschien: United Colors of Ska 4.0!!
Allein die Anzahl an Songs auf diesem Sampler ist mehrfach destillierter Wahnsinn! 44 Tracks auf zwei CDs von Bands aus weit über 30 Ländern sind nun wirklich überwältigend. Darunter befinden sich etliche sehr viel versprechende Newcomer, Bands, von denen selbst ich trotz regelmäßiger Recherchen noch nichts gehört habe (was sich schleunigst ändern muss), aber auch eine ordentliche Stange hochkarätiger „Stars“. Das PorkPie Team beweist damit, falls dieser Beweis überhaupt nötig war, dass es nach wie vor auf der Höhe der Zeit ist und unbedingt zu den wichtigsten Labels für Skamusik gezählt werden muss. Für diesen Sampler, der wirklich erstaunliches vereint, holte sich Produzent Matzge mit DJ BossK (Reggae Explosion u. a.) einen kompetenten Berater ins Boot, der für die Auswahl von Disc1 mit Schwerpunkt „Traditionell orientierte Ska- und Reggaebands“ verantwortlich zeichnet. Allein die ersten acht Tracks sind Grund genug, die Scheibe zum Pflichtkauf zu machen. The Dualers, The Slackers (bisher unveröffentlichter Song), The Valkyrians, One Night Band, The Aggrobeats (quasi ein Malaysischer Zwilling der Aggrolites), The Caroloregians, Two Tone Club, The Pepper Pots. Das Who is Who? der aktuellen Skawelt würde nicht viel anders aussehen. Außerdem noch mit dabei: The Upsessions, Mr. T-Bone, Pannonia Allstars Ska Orchestra, Dr. Ring-Ding mit Kingston Kitchen 809 und natürlich nicht zu vergessen Babylove & the Van Dangos.
Die zweite CD umfasst in etwa all das, was nach 50 Jahren Musikentwicklung so alles entstanden ist. Neben PorkPie Klassikern wie The Toasters, Skaos, Dallax und Spitfire findet sich eine spannend gewürzte Mischung von 2Tone-, 3rdWave- und „Skapunk + X“-Bands aus aller Damenländer. Ska Goes World Baby! Und das ist gut so. Hauptrecherche-Werkzeug war übrigens, um ein letztes Mal die Modernität dieses Samplers zu betonen, das allseits beliebte Internetportal Myspace.com. (Daher wohl das viel sagende „4.0“. Oder ist der Bezug zur letzten Episode von „Stirb Langsam“ etwa gewollt?)
Entstanden ist dabei ein großartiger Sampler, der sich vielleicht auf Grund der großen dargebotenen Bandbreite nicht von jedem Hörer am Stück genießen lässt, der aber unbedingt wichtig ist als Rundumschau der gegenwärtigen Skaszene oder als abwechslungsreicher DJ (oVF*) Begleiter. Viel Spaß beim Entdecken! Ein äußerst spannendes Werk.
* ohne Vinyl-Fixierung