The Wohlstandskinder & Etwas

Sie sind hier

03.10.2003, Kalkscheune

Mit großer Plattenfirma im Rücken und im Rahmen einer Newcomervorstellung der selbigen war es also wieder mal soweit, daß sich die Jungs aus Köln und Umgebung in unserem schönen Städtchen blicken ließen. Ursprünglich sollte das Konzert im Kesselhaus stattfinden - ohne ETWAS. Ursprünglich sollte aber auch ihr neues Album DEZIBELKARATE am 6.10.2003 in den Läden stehen. Durch widrige Umstände ist der Releasetermin aber nun auf Mitte Januar verschoben worden und um die Fans in der Hauptstadt aber nicht ganz im Stich zu lassen, kam man also trotzdem nach Berlin.

Auf der Homepage stellte man im Vorfeld gleich klar, daß es sich um eine Veranstaltung der Plattenfirma handele und man voraussichtlich nicht länger als 45 Minuten spielen könne. Egal. Konzerte der Wohlstandkinder sind immer ein Erlebnis & so ließ ich es mir nicht nehmen, mich auf den Weg in die Kalkscheune zu machen. Kalkscheune!? Ob das passen würde? Vor ein paar Jahren habe ich dort einmal die Show BUKOWSKI WAITS FOR US gesehen. Also Texte von CHARLES BUKOWSKI und Musik von TOM WAITS. Immer abwechselnd. Ein Ort, den ich in Erinnerung hatte, wo man schön am Tisch sitzt, Wein bzw. Bier trinkt und alles etwas ruhiger angehen lässt. Dort ein Rockkonzert? Aber da habe ich die Räumlichkeiten der Kalkscheune wohl ein wenig unterschätzt. Später stelle ich nämlich fest, daß es dort noch mindestens einen Partykeller und eine weitere Etage gibt. Nun gut.

Etwas
Draußen stehen schon die ersten bunthaarigen Teenager und meckern über den Eintrittspreis von 7 Euro. Dass es noch eine weitere Vorband geben sollte wusste ich, aber wer das sein sollte nicht. Also rein ins Vergnügen und „OHA“ - aus dem Raum kann man ja einen richtig schönen Konzertraum machen. Nicht schlecht. Erstaunlich jung das Publikum, welches dort durch die Gegend watschelte - ja und dann erzählt mir auch jemand warum.Also Vorband sollte ETWAS fungieren.

Vorher noch nie etwas (Huhu, wie lustig! - Anm. d. T.) von denen gehört . Da ich ja aber keinen Fernseher besitze und schon gar nicht MTVIVA schauen würde, konnte ich das auch gar nicht. ETWAS sind schon etwas (Hehe, ich hau mich weg - Anm. d. T.) bekannter. Sie haben gerade einen Hit namens „Ich zieh mich vor Dir aus“, der auf besagten TV-Stationen momentan auf Rotation läuft. Ich lasse mir erzählen, daß es sich bei der 16-jährigen Frontfrau, sagen wir besser Frontmädchen, um die Tochter eines PRINZEN-Mitglieds (die „Band aus Leipzig“) handelt. Naja, was Beziehungen so alles so ausmachen können. Aber egal. Man soll ja nicht vorschnell urteilen & so war ich gespannt wie ein Flitzebogen, was da auf mich zukommen mochte.
O.k., es ging los. Kurzbeschreibung gefällig? Sie - im punkigen Outfit und durchaus bemüht, das Publikum durch Ansagen und Showeinlagen zu unterhalten. Er, der 1. Gitarrist, sieht aus wie ein Gymnasiast der 12. Klasse, was er wahrscheinlich auch ist, macht Bewegungen und einen Eindruck, als würde er bei einer Schulabschlussfeier oder in seinem Dorf in einem Jugendclub auftreten. Ja und während ich mir das so überlege, denke ich, daß die Band dort auch zweifelsohne besser aufgehoben wäre. Gitarrist Nummer 2 und der Schlagzeuger rocken eigentlich ganz gut zusammen, hauen mich aber nicht unbedingt vom Hocker. Gegenüber den anderen beiden, sind sie in etwa 2 Jahre weiter und haben bestimmt schon mal in einer Band gespielt. Das Gefühl habe ich zumindest. Ob das aber ausreicht, im Fernsehen rauf und runter gespielt zu werden? Man sagt mir, daß die beiden eigentlich auch gar nicht wirklich zur Band gehören und eingekauft wären. Was soll denn das jetzt? Da sieht man schön die Wege der Marketingabteilungen in den Plattenfirmen. Will man hier einen auf WHITE STRIPES machen? Oder SPILLSBURY? Ein Mann plus eine Frau gleich Rock, gleich Erfolgsgarant? In der DSDS-Gesellschaft sicher nicht undenkbar. Leider.
Dem Publikum scheint das nicht viel auszumachen. Sie tanzen, haben Spaß. Naja. Sollen sie ihn haben. Der Gymnasiastengitarrist schnappt sich noch mal kurz einen Barhocker und trällert auf einer Akustikgitarre mit Bandbegleitung ein Liedchen herunter, um zu zeigen, daß man auch ruhige Töne anschlagen kann, dann der vermeintliche Hit, dann noch ein paar Lieder und dann ist Schluss. Ich bin mir sicher, die Band wird genauso schnell in der Versenkung verschwinden, wie sie aufgetaucht ist.

Wie lieb sind mir da die Bands, die sich über Jahre ein Publikum erspielt haben. Die können dann auch spielen. Sowohl ihre Instrumente als auch mit dem Publikum. Mit einem Augenzwinkern Dir Lügen erzählen. „Ehrliche Lügner“ sozusagen. Unterhalten. Und das können die WOHLSTANDSKINDER richtig gut. Und deshalb haben sie es verdammt noch mal auch verdient, einen Majordeal bekommen zu haben. Ob das aber ihre neuen „Chefs“ auch zu schätzen wissen, wird sich wohl erst noch herausstellen. Vor allem, wenn sie mitbekommen, daß sie sich eine Band geholt haben, die sie nicht großartig formen können. Wenn überhaupt. Die eigenständig ist und weiß, wo sie hin wollen. Hoffentlich bricht ihnen das aber nicht das Genick.

Denn zurück können und wollen sie wahrscheinlich auch nicht mehr. Aber warten wir erstmal ab. Noch steht man ja am Anfang einer, hoffentlich fruchtbaren Zusammenarbeit. Mitarbeiter des Labels waren an diesem Abend sicher auch anwesend, schließlich hatten sie diesen Abend hier auch organisiert. Nicht nur das Konzert. Im Discoraum im Keller gab es später noch Previews für demnächst erscheinende DVDs zu sehen. Unter anderem von BLINK 182 usw. Und ihnen gaben die WOHLSTANDSKINDER eine gute Visitenkarte ab.

Los ging es mit einem schicken Intro vom Silberling und die Show begann. Ja was soll ich jetzt großartig dazu sagen? Jeder, der schon mal ein Konzert mit ihnen erlebt hat, weiß was jetzt kam. Bunt gemischt, wurden von jedem, bis auf das erste, Album Songs gespielt, wobei natürlich die der letzteren Alben den größeren Teil ausmachten. Das schöne an einem WSK-Konzert ist, daß die Songs jedes Mal anders klingen. Sänger Honululu Silver variiert mit seiner hervorragenden Stimme, daß es eine wahre Freude ist. Der Mann KANN singen. Und Caddy KANN Schlagzeug spielen. Türk KANN Gitarre spielen und Raki KANN Bass spielen. Und allesamt KÖNNEN posen. Und alles zusammen SIND sie eine Band.
Der gute Sound und die witzigen Ansagen ergaben ihr übriges. Eigentlich dachte ich, daß sie zum „Festtag“ mal wieder in ihrer Uraltklamottenkiste gekramt hätten und dem Publikum den Song „Tag der deutschen Einheit“ präsentieren würden. Kam aber leider nicht. Schade. Hätte gepasst. Oder vielleicht auch nicht.
Auf jeden Fall wurden aus den ursprünglich gedachten 45 Minuten fast 80. Das zeigt doch, daß die Band ihren Spaß hatte. Genau wie die werte Zuhörerschaft. Zu hören gab es unter anderem auch schon mal einen Song vom neuen Album. Nämlich „Kein Radiosong“. Ein Lied, welches die erste Singleauskopplung sein soll. Ein bisschen ruhig fand ich. Nicht schlecht. Aber der Hit isses für mich noch nicht. Mal sehen. Kommt vielleicht noch. Muss man wahrscheinlich noch mal genauer hören. Bis Januar oder November, wenn die Single erscheint, ist ja noch ein wenig Zeit. Zum Schluß dann das übliche „Wir sehen uns in Las Vegas wieder“ und dann musste ich mich auch schon wieder auf den Weg machen. Ein wenig Schlaf kriegen, denn um 6 Uhr früh war „Working Class“ angesagt.
Beim putzen, kurz vor Dienstschluss lief nebenher MTV und was sehe ich? ETWAS! „Ich zieh mich vor Dir aus….“ Hehe, doch lustig, wie sehr einen doch so etwas freut, wenn man die Band am Abend zuvor noch live gesehen hat. Hoffentlich passiert das mit „Kein Radiosong“ auch. Denn erstens macht das putzen dann bestimmt doppelt so viel Spaß und zweitens, wie gesagt - gönnen würde ich es ihnen.