The Toasters live!

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Es war einmal vor langer Zeit in einer weit weit entfernten Galaxis...
Aber wenn ich’s recht bedenke, dann ist das alles eigentlich gar nicht besonders lange her und außerdem im Prinzip um die Ecke gewesen. Und zwar in dem Sinne, in dem man in Berlin von fast allem behaupten kann, dass es um die Ecke passiert ist.

An diesem verregneten Wochenende unterbreitete Berlin seinem verwöhnten Musikfachpublikum ein neues Angebot, eine Erweiterung im viel zitierten Dienstleistungssektor: „Solitos“ die zur Zeit aufregendste Band der Hauptstadt zum mit nach Hause nehmen für das Wohnzimmer. Endlich ist sie draußen, die erste Scheibe von Berlins großer Ska-Hoffnung. "Just Arrived" wurde auf der Releaseparty am 13.5. im Kato entsprechend gefeiert: Mit einem ausverkauften Kato. Darum soll es hier aber nur am Rande gehen.
Jetzt mach ich erst mal halblang, verschleiere die Tatsache geschickt, dass diese Eindrücke natürlich erst post quem erscheinen können, überbrücke den zeitlichen Abstand zwischen erzählter Zeit und Erzählzeit, mache es dem einsamen Leser leichter, all die verpassten Gelegenheiten zu rekapitulieren, zusammen mit mir in der Imagination zu simulieren und höre damit auch schon wieder auf mit diesem pseudointellektuellen Gefasel, versprochen!

Offenbar gibt es doch noch so etwas wie Gerechtigkeit, möchte ich hier gleich mal herum-kalauern. Da hatte ich am 12.5. den Glauben an das Gute in der Ska Welt fast verloren, als zu den mächtigen Toasters im Kesselhaus nur magere 100 (und ein paar) Skank Monster erschienen. Bucket wird das wohl geahnt haben und sorgte für ein dennoch passendes Bandmitglieder/Publikum Verhältnis, indem er einfach mal nur vier Musiker mit nach Berlin brachte. Keine Vorband, kein Keyboard, keine Trompete, kein Jack Ruby Jr. und vor allem kein Gott-Sledge an der Taschen-Tröte!!! Und trotzdem war meine Enttäuschung ein bisschen voreilig. Die ersten Songs kamen, wie befürchtet, dann auch ein bisschen mager daher, bis im überdimensionalen Kesselhaus alle Besucher die richtige Orientierung fanden, bis der Verlust über Erinnerungen meiner Jugendtage verschmerzt war und bis die orgiastische Lightshow einsetzte.

An der Stelle ist es vielleicht Zeit, zuzugeben, dass mein musikalischer Werdegang durchaus auch Klassiker wie Metallica verzeichnet. Ja lang ist’s her. Aber vielleicht kann sich ja noch jemand erinnern, dass die damals für die Tour im Zuge des phänomenalen unbetitelten Albums, von vielen auch genannt „Das Schwarze Album“ (Tusch!), mit einer kompletten, individuell gestalteten, diamantförmigen Bühne unterwegs waren, die dann jedesmal extra aufgebaut werden musste. Das war, wenn ich mich recht erinnere, auch kurz bevor sich James Hetfield bei einem Feuer-Explosionseffekt auf der Bühe übelste Verbrennungen wegholte... aber ich schweife ab. Jedenfalls sind das (zumindest für mich) die Zeiten, die die Eichlatte für Showeffekte bei Konzerten gesetzt haben. Und nun zurück ins Kesselhaus.

Mit dem Heavy Metal Megaseller war das natürlich nicht zu vergleichen, ganz andere Baustelle. Einzig der Drummer, der mit seinem Metalproll Kopftuch und dem weiten Basketballshirt gut und gerne auch bei den Suicidal Tendencies mitspielen könnte, rechtfertigte vielleicht meine etwas gewagte Ausschweifung im vorigen Abschnitt. Und bevor mir jetzt sofort die Oberflächlichkeits-Kelle unserer P.C. Fraktion an den Kopf geknallt wird... Schließlich hat das Aussehen des Schlagzeugers ja nix mit seinen Qualitäten zu tun – das weiß ich auch. Aber das war schon ein ganz schönes Geprügel, was der vom Stapel ließ. Und nach ein paar Songs kam sie dann tatsächlich: Der Grund, warum der Schlagzeuger hinter seinem riesen Aufbau fast nicht mehr zu sehen war - Die Doublebass!! Und ich wiederhole: Das war ein Ska Konzert, auf dem ich mich da befand. Oder zumindest das, was die Two Tone Army aus dem Big Apple daraus gemacht hatte.
Dazu dann noch die Lightshow, mit ganz viel Stroboskop und Blinkeblink... Wer weiß, was die Toasters an diesem Abend vor hatten. Wer weiß schon, was sich im Hirn eines Musikers, der schon über 20 Jahre im Geschäft ist, so alles tut. Und dabei hat Bucket ja zur Zeit wirklich einiges am Hals. Offenbar zog es ihn, der ja gebürtiger Engländer ist, nun doch wieder nach good old Europe. Vor ein paar Monaten zog Mr. Hingley nämlich nach Valencia um dort die europäische Niederlassung seines gerade erst etablierten Labels Megalith Records höchstpersönlich zu betreuen. Dazu soll nach eigenen Angaben noch eine Booking Agentur kommen, speziell für Konzerte auf dem Kontinent. Das bleibt sicherlich noch eine interessante Sache, die es lohnt, zu beobachten, zumahl bereits erste überraschende Zusammenarbeiten, z.B. mit der Rumänischen Band Panonia All Stars Orchestra, entstanden sind.

Im Grunde bin ich ja der Ansicht, dass Bucket seine Sachen, die er in die Hand nimmt, meistens ganz gut macht. Und eigentlich kann man das auch von dem Konzert im Kesselhaus sagen. Mir war zwar wirklich nicht ganz klar, wie die ganze Band, die Besetzung, das Outfit, ihr Image und die Stimmung im Saal zusammenpassten, aber letztendlich war es doch ein dahinschwelgen in nostalgischer Erinnerung. All die Hits die mich zum Ska brachten. „Miles Davis”, “I Wasn’t gonna call you” und natürlich “Don’t let the bastards grind you down”, sie kamen alle und sie kamen gut. Auch mit Sparbesetzung. Das war eben alles ein bisschen anders, als man es gewohnt war. Der neue Bassist, ein Monster seines Fachs, spielte zwar nicht so wie ein Toaster bisher zu spielen hatte aber trotzdem großartig. Da kam dann schon mal irgendeine verschrobene Mischung aus Ragga und Hip Hop mit auf die Bühne. Aber nachdem das Publikum und ich sich von dem ersten Shock erholt hatten, funktionierte auch das prächtig. Ganz im Gegensatz zu den Animationsversuchen in der kleinen Pause vor der Zugabe, als Saxophonist Jeff Richie krampfhaft versuchte, das alte nervtötende „Schreit-lauter-ich-kann-Euch-nicht-Hören-Spiel“ durchzuziehen. Wie auch immer. Die leute hatten getanzt, auch schwang freudig mein Bein. Das Bier war zu teuer, um richtig anzuheizen, aber frostig war es auch nicht gerade. Dafür konnte man trotz der stilistischen Metamorphose immer noch zu gut mitgrölen, oder summen wenn’s beliebt.

Die Toasters, wie ich sie noch nie gesehen habe und trotzdem, die Toasters wie man sie kennt. Vielleicht war es nach mehr als zwanzig Jahren wirklich höchste Zeit für einen Wandel. Anders, neu, alte Songs, Klassiker, Neue Mischung, alte Energie, prollig, smart, Erwartungen bedienend und zerstörend zugleich... Das alles gab es bei den Toasters an diesem Abend. Und am Ende ein spektakuläres explosionsartiges Lichteffekt-Feuerwerk, dass einfach zu prollig und überzogen wirkte, um wirklich ernst genommern zu werden. Noch dazu bei gerade mal 100 Leuten in der Halle.

Und da sind wir auch schon wieder angelangt, bei dem betrübenden Ende des ersten Teils des verregneten Wochenendes, des Auftakts, der für sich allein gesehen, durchaus deprimieren könnte. Ich wage jetzt lieber keine Prognose abzugeben, ob zukünftige Zuschauerzahlen durch diesen Toastersauftritt eher positiv oder negativ beeinflusst wurden, aber den Weg von New York City (bzw. Valencia) bis Berlin nimmt man für lumpige 100 Leutchen doch nicht rasend gern in Kauf. Ein wenig verwirrt aber doch überzeugt machte ich mich auf den Nachhauseweg. Auch wenn das Konzert so schlecht besucht war, hatte es doch irgendwie Spaß gemacht.

Und der nächste Abend löschte dann alle düsteren Gedanken über den Niedergang der Skaszene und andere Weltuntergangsszenarien und machte das Wochenende im Nachhinein gesehen zu einem der besten der letzten Zeit. Es war eine geile Show im Kato, und selbst schuld, wer nicht dabei war. Und genau deshalb schreibe ich darüber an dieser Stelle auch kein Wort. Ätsch.